Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.. Sarah Markowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sarah Markowski
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Nils Johansen und Arne Lassen
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783347028630
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das kurze Glücksgefühl folgt die Ernüchterung.

      „Da passen wir doch niemals zu zweit rein. Das Ding hat, wenn überhaupt, einen Quadratmeter Fläche, ich muss mich ja schon zusammenfalten, um alleine hineinzupassen.“

      „Helena hat recht“, mischt sich nun auch Manni ein. „Das ist viel zu gefährlich. Solche Kleingüteraufzüge werden normalerweise im Gastronomiebetrieb eingesetzt und sind auch nur für eine bestimmte Gewichtsklasse zugelassen.“

      „Willst du damit sagen, dass ich-“

      „Nein, will ich nicht.“

      Manni tritt einen Schritt näher an den Aufzug heran, um sich noch einmal von Nahem von der Größe des Innenraumes überzeugen zu können.

      „Ja.“

      Mit einem Nicken bestätigt er seine vorangegangene Aussage. „Das ist eindeutig zu klein für euch beide zusammen.“

      „Ich bin trotzdem der Meinung, dass wir Helena nicht einfach so in dieses Teufelsding einsteigen lassen sollten.“

       Teufelsding.

      Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte Helena schmunzeln müssen.

      „Aber irgendeine Entscheidung müssen wir treffen, sonst fährt der Aufzug ohne Passagier wieder dorthin zurück, wo er hergekommen ist.“

      „Und was wäre daran so schlimm?“

      „Ist das dein Ernst, Julius?“

      Oliver schüttelt verständnislos den Kopf. „Was glaubst du denn, was passiert, wenn wir uns der Regieanweisung widersetzen?“

      Julius nagt an seiner Unterlippe herum und zuckt kaum merklich mit den Schultern.

      „Ich wage jetzt einfach mal zu behaupten, dass jemandem, der dazu fähig ist, fünf erwachsene Personen zu entführen, ohne dass sie sich im Nachhinein auch nur an eine klitzekleine Kleinigkeit erinnern können, und in einen fensterlosen Raum, wer weiß wie weit von der Zivilisation abgeschottet, zu sperren, noch ganz andere Dinge zuzutrauen sind. So etwas nennt sich Psychopath. Diese Menschen sind zwar unberechenbar, aber eins kann ich dir sagen: Leg‘ dich nicht mit ihnen an.“

      Nach dieser ernsten Ansprache herrscht Stille. Nun ist Helena noch weniger bereit dazu, in den Lift zu steigen. Wer weiß schon, was – oder wer – sie am anderen Ende erwartet.

      „Helena alleine gehen zu lassen kommt nicht in Frage. Allerdings fällt mir gerade auch keine andere Option ein.“

      Plötzlich kommt Leben in den ältesten der Gruppe. Ehe sie sich versehen kann, wird Helena zur Seite gestoßen. Unsanft stößt sie sich den Ellenbogen, und landet dann zwischen Wand und Stühlen auf dem Boden. Manni zieht den Kopf ein und schwingt ächzend ein Bein nach dem anderen in den Aufzug.

      „Manni!“

      Oliver stürzt zum Lift. Helena hört nur seinen Schrei.

      „Ich gehe.“

      „Kommt gar nicht in Frage!“

      Vom Boden aus muss sie zusehen, wie er vergeblich versucht, den schweren Mann aus dem Aufzug zu ziehen.

      „Pass‘ gut auf die anderen auf!“

      Mannis Worte klingen gedämpft hinter den geschlossenen Türen hervor. Mit einem Zischen setzt sich der Aufzug in Bewegung. Durch die Wand spürt Helena an ihrem Rücken ein leichtes Beben. Dann ist alles ruhig.

      Samstag, 29.06.2019, 21: 18 Uhr

      - Helena -

      Helena hat Gänsehaut. Noch immer sitzt sie auf dem kalten Fußboden, mit dem Rücken an die Wand gelehnt und die Beine fest umschlungen. Sie zittert am ganzen Körper.

       Ist das gerade wirklich passiert?

      Sie wagt einen Blick nach oben, schaut sich im Raum um und stellt enttäuscht fest, dass sie nicht geträumt hat. Manni ist weg. Und mit ihm jeglicher Optimismus, der die Gruppe in dieser schwierigen Situation noch zusammengehalten hat.

      „Scheiße!“

      Manchmal hilft Fluchen, doch dieses Mal nicht; dieses Mal ist es nur ein Ausdruck der Realität. Helena verschränkt die zitternden Arme vor der Brust und schließt die Augen. Sie spürt, wie das Blut durch ihre Adern fließt, wie es pocht und wie ihr Herz pumpt, als wäre sie gerade einen Marathon gelaufen. Es schlägt so schnell und stark, dass es weh tut. Helena friert und schwitzt zur selben Zeit.

       Was passiert jetzt? Was passiert mit Manni?

      Helenas Gedanken fahren Karussell. Auf einmal überrennen sie die Schuldgefühle.

      „Ich hätte gehen sollen, nicht er.“

      „Niemand hätte gehen sollen.“

      Helena erschrickt. Anscheinend hat sie den Gedanken gerade unbewusst laut ausgesprochen.

      „Aber-“

      „Kein aber, Helena.“

      Oliver schüttelt den Kopf und kniet sich zu ihr auf den Boden. „Manni wollte gehen, er hat es selbst entschieden und sich nicht aufhalten lassen.“

      „Aber…“

      Ein Blick reicht aus, um sie verstummen zu lassen.

      „Es ist passiert, wir können es nicht mehr rückgängig machen. Wenn sich jetzt irgendjemand von uns die Schuld dafür gibt, ändert das auch nichts an der Situation.“

      Aber ich trage die Schuld, schreit eine Stimme in Helena, doch sie sagt nichts.

      „Wir müssen abwarten, wie es weitergeht.“

      Olivers Stimme wird brüchig und er räuspert sich. „Ich weiß, es ist schwer, und ich will verdammt noch mal auch wissen, was nun mit Manni passiert, aber wir dürfen hier drinnen nicht verrückt werden. Jetzt die Nerven zu verlieren wäre das Schlimmste, was uns passieren könnte! Wir müssen stark bleiben, hast du das verstanden? Habt ihr das verstanden?“

      Helena weicht seinem Blick aus, doch er lässt sie nicht in Ruhe.

      „Ob du das verstanden hast, habe ich gefragt.“

      Sie nickt, denn er hat recht. Wer hier drinnen die Nerven verliert, ist geliefert. Und die anderen gleich mit.

      Sonntag, 30.06.2019, 08: 44 Uhr

      - Helena -

      Helena liegt in ihrem Bett und starrt an die Decke. Es ist stockdunkel im Raum und ihre Augen brennen vor Müdigkeit. Sie hat die ganze Nacht wachgelegen und nachgedacht; über Manni, über Oliver, über Julius und Sabrina, über ein weiches Kopfkissen, ein schönes großes Glas gekühltes Sprudelwasser, und über alles Mögliche, was sie sonst noch so vom Schlafen abgehalten hat. Schlagartig wird es hell, gleichzeitig dringt ein ohrenbetäubendes Pfeifen aus dem Lautsprecher an der Decke.

      Viertel vor neun, denkt Helena und ein Blick auf die Uhr bestätigt diesen Gedanken. Wie jeden Morgen.

      Sie schlägt die Decke zur Seite und quält sich aus dem Bett. Sie fühlt sich wie gerädert. Heute verzichtet sie auf das „Guten Morgen“, denn dass der Tag sowieso nicht gut werden kann, lässt sich nicht bestreiten. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt und die Ungewissheit kaum auszuhalten. Kaum hat sie ein paar Worte mit den anderen gewechselt, ertönt auch schon das Surren des Speiseaufzuges. Vier Augenpaare sind hoffnungsvoll auf die noch geschlossenen Türen gerichtet. Julius ist der erste, der auf das Pling reagiert.

      „Nur das Frühstück, sonst nichts“, sagt er zur Enttäuschung aller. Die Spannung fällt von Hundert auf Null und die Stimmung erreicht einen Zustand, der noch tiefer als der Tiefpunkt ist.

      „Wirklich? Schau noch mal genauer hin.“

      „Da ist nichts.“

      „Bist du dir sicher?“

      „Ja!“

      Julius