Die Zukunft kann wieder weiblich werden .... Karin Werner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karin Werner
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Секс и семейная психология
Год издания: 0
isbn: 9783347055650
Скачать книгу
Eine in Großbritannien durchgeführte Untersuchung fand in weniger als einem Prozent der Bevölkerung Symptome der Psychopathie, und dieser Anteil ist vermutlich im Rest der Welt ähnlich.“ 15

      Wie kam nach Ansicht von Wranghams der Frieden in die Welt - während der Altsteinzeit vor 300.000 Jahren bis zu 10.000 Jahren v.u.Z.?

       „Verglichen mit Wildtieren sind wir ruhig und eher mit Hunden als mit Wölfen zu vergleichen. Wir können einander in die Augen sehen. Wir verlieren weniger leicht die Beherrschung. In der Regel haben wir unsere aggressiven Impulse im Griff. Bei Primaten ist einer der stärksten Auslöser der Aggression die Anwesenheit eines Fremden.

      Der Kinderpsychologe Jerome Kagan, der Hunderte Begegnungen zwischen Zweijährigen beobachtet hat, die einander nicht kannten, hat es nie erlebt, dass ein Kind das andere geschlagen hätte. Diese Bereitschaft zum friedlichen Umgang mit anderen, selbst mit Fremden, ist uns angeboren.“ 16

      Die Friedfertigkeit des Menschen entwickelte sich nach Wrangham aus der Sprachbegabung des Homo Sapiens. Kommunikation, Bündnisse verabreden und Taten planen waren für ihn sinnhaft und mit Sprache deutlich leichter – körperliche Gewalt und Durchsetzungsfähigkeit unwillkommen. Das Problem mit dem einzelnen, dominanten Aggressor, der gewalttätig herrschen wollte, war nicht gemeinschaftsförderlich und wurde eindeutig und gemeinschaftlich gelöst. „In einer Welt ohne Gefängnisse und Polizei konnten rücksichtslose Egoisten, die sich durch ein Übermaß an reaktiver Aggression hervortaten, nur gestoppt werden, indem man sie tötete“.17

      Das muss einer der ersten, entscheidenden Schritte zur Entwicklung von kooperativen Verhaltensweisen gewesen sein. Männer schlossen sich zu Bündnissen zusammen, um jeden Gruppenangehörigen aufzuhalten, der seine egoistischen Ziele mit Gewalt durchsetzen wollte und so das Wohl und Überleben der Gemeinschaft gefährdete.

       „Erst Menschen waren fähig, sich zusammenzuhocken und zu flüstern: Lasst uns an dem großen Stein treffen, ihn überfallen und töten.“ 18

      Mit dieser Form der negativen Auslese gelang es, übermäßige Aggression unter Kontrolle zu bringen und das Überleben der Gruppe als Ganzes zu sichern.

      Der Mensch domestizierte sich damit selbst. Es entwickelte sich ein friedliches und tolerantes Miteinander als Fundament und wesentliche Voraussetzung für komplexe Kooperation und soziales Lernen.

      Drei Eigenschaften zeichneten ab diesem Entwicklungssprung den Homo Sapiens aus:

      • hochgradige Intelligenz

      • hochgradige Kooperation

      • außergewöhnlich gute Fähigkeit, von Anderen zu lernen, das „soziale Lernen“.

      Die Verankerung der Eigenschaften im gemeinschaftlichen Leben verstärkte die soziale Toleranz für die Verschiedenheiten untereinander.

      Die Domestizierung des Menschen über die Jahrtausende lässt sich nach Wrangham in physischen Veränderungen belegen:

      1. „Domestizierte Arten sind kleiner als ihre wilden Vorfahren.“ 19 „Die Reduzierung der Körpergröße geht mit einer relativen Verschlankung der Knochen einher. Der Mensch wurde feingliedriger und weniger robust.“ 20

      2. Gesichter sowie Kiefer und Zähne verkleinerten sich.

      3. „Männer haben sich nicht nur hinsichtlich der Körpergröße den Frauen angenähert, sondern auch hinsichtlich der Größe des Gesichts, der Länge der Eckzähne, der Kaufläche der Backenzähne und der Größe der Kiefer. Die einsetzende Feminisierung der männlichen Gesichter ist ab 200.000 Jahren vor u.Z. zu beobachten.

      4. Schließlich haben domestizierte Arten ein kleines Gehirn. Dies geht erstaunlicherweise nicht mit einem entsprechenden Verlust an kognitiven Fähigkeiten einher. Im Gegenteil, die kleineren Gehirne sind leistungsfähiger als die größeren Gehirne der Vorfahren.“21

       Mein Fazit:

      In mutterzentrierten Gesellschaften setzten die Menschen nach gemeinsamem Beschluss aktiv planend Aggression gezielt innerhalb der Gruppe ein, um reaktiv aggressive Männer auszuschalten. Damit wurde die Gleichwertigkeit der Mitglieder gesichert; das Wohl und Überleben der Gruppe als Ganzes.

      Die Fähigkeit zur Kooperation und sozialer Toleranz wurde gefestigt und weiterentwickelt. Aggression und Gewalt gegen Mitglieder der Gemeinschaft war ansonsten nicht notwendig.

      Das Patriarchat entstand mit aggressiven Männern, die aktiv planend ihre Aggressionen auf andere Gemeinschaften richteten, um hier zu erobern, zu plündern und zu unterwerfen. Dazu später mehr.

       Was sagt der Anthropologe Robin Dunbar?

      Auch die Forschungen von Robin Dunbar, einem britischen Anthropologen, sind in diesem Zusammenhang interessant. Er hat herausgefunden, dass sozial gut funktionierende Gruppen nie größer waren als 150 Menschen. Wir Menschen mit einem Gehirn von 1,3 kg können

      • 10 bis 15 Menschen lieben: unsere Familie und Freunde;

      • 30 bis 50 Menschen mögen: die Nachbarin, die Friseurin, einige Kolleginnen.

      • 150 Menschen können wir uns zugehörig fühlen: das kann heute eine Arbeitsgruppe, ein Sportverein oder eine Nachbarschaftsgruppe sein.

      Mehr kann unser Gehirn nicht erfassen. Gesellschaften, in der alle Mitglieder über diese Fülle an menschlichen Beziehungen verfügten, wären sehr stabil. Werden sie größer, verliert sich die Stabilität, da die gegenseitige Kontrolle fehlt.

      Gemeinschaften von maximal 150 Menschen kontrollieren sich selbst. Verstößt jemand gegen gemeinschaftliche Regeln, fällt er schnell auf und wird bestraft – es wirkt die persönliche Scham.

      „Heutige Umweltausbeutung findet auf dem Meer, am Himmel, in Flüssen und Wäldern statt, weil diese allen und niemandem gehören. Gesetze und Kontrollen funktionieren nicht ausreichend: Es fehlt die selbstkontrollierende persönliche Scham der sozialen Gruppe.“ 22

       Was sagen die Neurowissenschaftler?

      1990 wurde der Begriff der „Emotionalen Intelligenz“ in die neurowissenschaftliche Diskussion von den Psychologen John D. Mayer von der University of New Hampshire und Peter Salovey von der Yale University eingeführt. Darunter wird die Fähigkeit verstanden, eigne und fremde Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen. Hauptmerkmal der emotionalen Intelligenz ist das Einfühlungsvermögen. Als weiterer Begriff wird „Soziale Intelligenz“ – oder auch Sozialkompetenz – genannt.

       „Wenn Intelligenz heißt, ein Problem in seinem Gesamtzusammenhang zu erfassen und mit den vorhandenen Ressourcen (inklusive Vernetzung mit der Umgebung) lebensnah zu managen, so sind sicherlich Frauen statistisch gesehen „intelligenter“.

       Wenn hingegen Intelligenz heißt, möglichst fokussiert ein Detailproblem abstrakt zu lösen und alles andere und alle anderen auszuklammern und wegzublenden, so sind wohl Männer „intelligenter“. 23

       „Die bahnbrechende Arbeit schlechthin bezüglich Hirnstruktur, Denkmuster und Intelligenz der Geschlechter ist dem Psychiater Richard J. Haier und Kollegen von der University of California in Irvine im Jahr 2005 gelungen. Die Studie ist zu Recht eine der meistzitierten in ihrem Gebiet.“ 24

      Die Wissenschaftler untersuchten das geschlechterspezifische Zusammenspiel verschiedener Gehirnareale im Zusammenhang mit Intelligenz bei Problemlösungen.

      Sie fanden heraus, dass bei Frauen Gehirnaktivität hauptsächlich in der weißen Substanz messbar ist. Diese ist für die Vernetzung der Hirnareale verantwortlich. Daraus folgerten sie, dass Frauen eher assoziativvernetzt denken. Gestellte Aufgaben scheinen Frauen enger mit Emotionen, Assoziationen und Formulierungen zu verknüpfen. Frauen nehmen eine ihnen gestellte Aufgabe eher persönlich und beziehen ihre Erfahrungen mit ein.