"Milch oder Tee zum Frühstück?" "Ein Glas Wein bitte.". Jan Putzas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jan Putzas
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783982187518
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zur Faust und erhob sich von seinem Platz. Azog, aka Wurzel, aka neuerdings Ghettonatter erhob sich ebenfalls von seinem Stuhl und fixierte den Typ. Dieser setzte sich natürlich wieder hin und bekam von der Dame neben sich etwas ins Ohr geflüstert. Vermutlich, dass er besser sein Maul halten sollte. Was dieser vernünftigerweise dann auch tat. Die Veranstaltung lief wie geplant weiter.

      Und jedes Mal wenn mich heute einer fragt, warum ich den schwergewichtigen Schläger Azog den Schänder früher bei meinen Buchlesungen dabei hatte, denn den Beamer konnte ich doch auch alleine bedienen, erzähle ich den Leuten diese Geschichte. Es gibt eben Städte und Veranstaltungsorte, da wird es gefährlich.

      Azog war zwar damals der Meinung, ich sollte auf unverschämte Zwischenrufe nicht eingehen, aber ich sah das etwas anders. Ich unterhielt mich immer gerne mit meinem Publikum.

      Hinterher kam Thorsten der Veranstalter mit unserer hart verdienten Kohle anmarschiert und sagte grinsend: »Es muss gut gewesen sein. Es sind alle sitzen geblieben.«

      Eigentlich wollte ich Auftritte in dieser Stadt nach der ersten Veranstaltung nie wieder machen. Dann sind es doch zwei Lesungen geworden und weil Thorsten sagte: »Wenn du was Neues geschrieben hast, rufst du mich an. Dann organisiere ich wieder eine Lesung für dich.«, wird es höchstwahrscheinlich auch noch eine dritte geben.

       3. Fußballexperten und derSchwarze Weihnachtsmann

      Meiner Frau und mir war schon seit einiger Zeit aufgefallen, dass unser kleiner Junior ein paar neue Mätzchen an den Tag legte. Wir hegten natürlich den Verdacht, dass ihm diese irgendjemand im Kindergarten beigebracht hatte. Zum Beispiel trat er ihr oder mir hin und wieder vor die Schienbeine oder zischte wie eine Schlange, wenn wir ihn ansprachen oder um irgendetwas baten. Oder er stellte sich mit nach vorn gebeugten Schultern und geballten Fäusten vor uns hin und fauchte wie eine Wildkatze. Wenn wir ihn dann fragten, wer so etwas machen würde, sagte er: »Aladin aus dem Kindergarten.«

      Also ich persönlich glaube ja, der heißt anders. Aber wenn Junior damals behauptete, der hieße Aladin, dann nenne ich den hier auch so. Verifiziert habe ich das bis heute noch nicht.

      Es war auf jeden Fall so, dass ich einige Tage später unseren Junior früh kurz vor acht Uhr in die Kita brachte und auf dem Weg dorthin kam mir ein Mann mit eindeutigem Migrationshintergrund entgegen. Sein Gesichtsausdruck war äußerst mürrisch und ich hatte keinen Schimmer warum. Wäre er denn lieber ganz weit weg zu Hause geblieben, oder was? Egal. »Guten Morgen!«, sagte ich freundlich, als er mich passierte. Es kam keine Antwort. So etwas konnte ich leiden. Und dies hatte nichts damit zu tun, dass der Typ ein Ausländer war. Das war mir völlig egal. Ich habe etwas gegen Leute, gleichgültig wo diese herkommen, die keinen Schimmer über die einfachsten Grundformen von Höflichkeit und Anstand besitzen.

      »Das war Aladins Papa«, sagte Junior auf meinen Schultern sitzend.

      »Alles klar«, sagte ich, »dann weiß ich Bescheid.«

      Zwei Tage später, ähnliche Situation. Ich war auf dem Rückweg vom Kindergarten zu unserem Haus, welches nur etwa 200 Meter entfernt liegt. Wer kam mir entgegen? Richtig. Aladin und sein Dschinn.

      »Guten Morgen!«, sagte ich.

      Er sah mich kurz an und stampfte grußlos weiter. Jetzt reichte es mir. Ich drehte mich herum, lief ihm hinterher und überholte ihn. Dann baute ich mich vor ihm auf und brüllte: »Guten Morgen habe ich gesagt. Sind Sie taub, oder was? Von mir aus können Sie auch mit Salem Aleikum antworten oder irgend so einem Scheiß, aber machen Sie gefälligst Ihr Maul auf, wenn jemand Sie grüßt!«

      Ich dachte nicht darüber nach, ob er vielleicht kein Deutsch verstand und es war mir auch gleichgültig. Junior erzählte uns bereits über einen längeren Zeitraum von Aladin und seiner Familie. Also schloss ich daraus, die waren schon eine ganze Weile hier. Da konnte man doch zumindest erwarten, dass sie wenigstens: »Bitte, danke, ja und Amen«, beherrschten. Na gut, okay, »Amen« jetzt vielleicht nicht. Das wäre Quatsch und wahrscheinlich nicht ihre Religion, aber trotzdem.

      Aladins Papa hob mit erschrockenem Gesichtsausdruck die Handflächen gen Himmel, als wäre ich sein Allvater, oder was auch immer, und stammelte: »Guten Morgen, guten Morgen, Entschuldigung, Entschuldigung.«

      »Na geht doch«, sagte ich, wie in diesem alten Fernsehwerbespot. Und dann hielt ich meine Hand hin und sagte: »Los, Kralle her!«

      Er schlug ein, wir verbrüderten uns und ich fügte noch hinzu: »Und ab morgen funktioniert das ohne Belehrung, klar?«

      Er nickte.

      »Super«, sagte ich. »Dann noch einen schönen Tag.« Anschließend zeigte ich nach oben in die Luft und machte mit dem Finger eine kreisende Bewegung. »Und immer schön auf die Hubschrauber achten.«

      Aladins Papa hatte natürlich keinen Schimmer, was ich da faselte, er hatte Rambo wohl nie gesehen. Zum Abschluss klopfte ich ihm auf die Schulter, hob den Daumen und zwinkerte ihn mit einem Auge übertrieben an. Dann drehte ich mich herum und ging meines Weges.

      Wir hatten mal zwei Praktikanten im Betrieb. Mewan und Radwan. Aber hier muss ich dazu sagen, Radwan haben wir, und das lag vermutlich daran, dass wir ein Reifenservice waren, nicht Radwan genannt, sondern Radlauf. Wie auch immer, jedenfalls kam der eine aus Afghanistan und der andere aus Syrien. Diese Länder lagen rund 3000 Kilometer auseinander. Aber trotzdem sahen die beiden so aus, als kämen sie aus derselben Familie. Und einen erfrischenden Humor besaßen die, es war einfach herrlich. Sie lebten seit über zwei Jahren in Germany und sprachen ausgezeichnet Deutsch. Außerdem besaßen sie Anstand und man bekam den Verdacht, sie hätten das komplette Wiener Hofzeremoniell einstudiert. Man ahnte, sie kamen aus gutem Hause und hatten eine ordentliche Erziehung genossen. Sie nannten mich zum Beispiel nicht einfach nur bei meinem Vornamen, sondern sagten immer: »Herr Jan.«

      Obwohl meine Schwester behauptet, das läge daran, weil bei denen der Nachname zuerst im Pass stehen würde und die somit dächten, unsere Vornamen seien unsere Nachnamen, imponierte mir diese Geste der zwei Praktikanten sofort. Also wies ich sie an, dass sie diese Anrede unbedingt beibehalten sollten, und prophezeite ihnen außerdem eine große Zukunft in Deutschland. Da wurden die beiden dann gleich ein bisschen frech, indem sie mir mitteilten, dass sie nach ihrer Ausbildung respektive Studium gar nicht vorhätten, in Deutschland zu bleiben, sondern lieber zurück in ihre Heimat wollten.

      »Waaas?«, rief ich empört. »Ist das der Dank, oder was?«

      Aber sie merkten schnell, dass ich sie nur verarschen wollte und wir lachten alle drei schön ausgiebig darüber.

      »Ihr Deutschen habt ja doch Humor«, sagte Radlauf aus Syrien.

      »Und außerdem seht ihr alle gleich aus«, fügte Mewan aus Afghanistan noch hinzu. Im Anschluss lachten wir erneut.

      Das nannte ich doch mal freundschaftliches Miteinander und funktionierende Integration. So machte das Spaß. Also von mir aus musste sich hier kein Ausländer über den Acker machen. Da fielen mir auf Anhieb eine Latte voll einheimischer Leute ein, die mir viel mehr auf den Sack gingen und sich stattdessen verpissen konnten.

      Apropos und wo wir schon mal bei ´sich verpissen´ sind: Kann mir eigentlich jemand sagen, warum dieser Jogi Löw noch im Amt ist? Irgendwie scheint das keiner zu verstehen, den man fragt. Man erhält nur ein Schulterzucken als Antwort.

      Mir fällt dazu eine Geschichte ein, die muss ich Ihnen unbedingt erzählen.

      Also es war so, dass wir im Sommer 2018 im Speisesaal dieses Hotels irgendwo an der mecklenburgischen Seenplatte saßen. Wir bedeutete meine Frau, Junior, meine Schwester, unsere Eltern und ich. Wir machten alle zusammen zwei Wochen Urlaub dort. Wir saßen also in dem Restaurant, aßen, tranken und schauten nebenbei auf einem großen Bildschirm ein Fußballspiel im Rahmen der Weltmeisterschaft in Russland, welches wir soeben 0: 2 gegen Südkorea verloren hatten. Kurz gesagt, Public Viewing mit Forellenessen für die Hotelgäste. Diese sportliche Niederlage, die wir alle mit ansehen mussten, besiegelte nebenbei den blamablen Vorrundenausscheid des amtierenden Weltmeisters Deutschland.

      »Wieso«, fragte ich in den Raum, »hat der Bundesjogi eigentlich