DER ÜBERHEBLICHE. Dr. Friedrich Bude. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dr. Friedrich Bude
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783347066786
Скачать книгу
Heirat mit einem Bergbau-Ingenieur der Wismut, welcher nach Parteieintrittsverweigerung beruflich schikaniert wurde, sind beide auch „nach dem Westen abgehauen“. Ihr erstes Kind musste während dieser Fluchtwirren sein Leben lassen.

      Das kleine Mädchen machte beim Einsammeln der Geigen-Reste keinen traurigen Eindruck. Für sie war der zwangsweise verordnete Unterricht ein für allemal zu Ende.

      Später hat das Mädchen, welches wegen des Wohnraummangels der kinderreichen Familie beim erzkommunistischen Großvater Horn wohnte, dort autodidaktisch Akkordeonspielen erlernt. Später, als reife Schülerin den Wasser schüttenden Klavierspieler Edub vom Turm am Markt in dessen elterlichen Mahagonibetten geliebt, danach geheiratet. Noch später beim Wasser beschütteten Lehrer an Edubs Klavier des gleichen Erkerzimmers mit Turm Klavierunterricht genommen. Den Lehrer so begeistert, dass der sich in seinem Wohnhaus, gegenüber dem geschichtsträchtigen Rathausportal, ein zweites Klavier aufgestellt - um mit der jungen Frau im Duett spielen zu können. Da dirigierte die Neulehrerin schon den Schulchor.

      In dieser Zeit waren ihre vier Geschwister und die Mutter längst „im Westen“.

       5.Pubertäres Geplänkel

      Westberliner müssen in der DDR künftig im Verhältnis 1: 1 mit D-Mark zahlen.

      Neu: DDR-Stipendien-Ordnung. Jeder Student erhält monatlich 130 Mark vom Staat. Arbeiter- und Bauernkinder erhalten 50 Mark zusätzlich.

      Tagtäglich wollen an die 300 Menschen aus dem Osten in den Goldenen Westen ausreisen. Die Bundesrepublik erhält die staatliche Souveränität und wird am 9. Mai Mitglied der NATO. Der Warschauer Pakt, die Ost-NATO, wird daraufhin am 14.Mai gegründet. Erstmals nehmen bewaffnete „Kampfgruppen der Arbeiterklasse “ an den Maidemonstrationen teil.

      DDR-Jahresrückblick 1955

      Der blaue Edub, wie Frieder zukünftig entsprechend seiner polizeilich angezeigten Verfärbung beim Strangulierungsversuch des Klassenstärksten, dem dicken Lederburkardt, genannt wurde, war ein der Technik des Flirtens untüchtiger schüchterner Typ!

      Links, quer über dem Mittelgang der Bankreihen des spätgotischen Hallengotteshauses „Sankt Nikolai“ saß beim Konfirmationsgottesdienst ein wunderschönes Mädchen, sie hatte schon einen richtigen Busen, blond mit blassem, ebenmäßigem Gesicht. Wenige interessierte Blicke konnte Edub von Ihr erhaschen. Nachts von ihr träumend, mehr war nichts. Und dann erzählen die Anderen, Burkhardt poussiert mit der! Am Wehr hinter dem Freibad sind sie gesehen worden, was Edubs aufmüpfiges sexuelles Selbstbewusstsein erheblich abdämpfte.

      Nach Rückschlägen des platonischen Begehrens in den Konfirmationsbänken gab es in der neunten Klasse, dem Beginn der Oberschule, erste nähere Mädchenkontakte. Nähe hieß, Abstände von mindestens einer Bankreihe. Immerhin wurde in seiner Heimatstadt noch bis zur „Achten“ in getrennten Mädchen- und Jungen-Schulen unterrichtet, so dass nur wenigen Cleveren Annäherungsversuche gelangen. Einer dieser Helden, Klaus Reimann, poussierte mit der Helga, bekommt mit, dass Edub sich heimlich für deren Freundin, die „Schustern“ interessiert.

      Beide Mädchen saßen in der ersten Bankreihe, Edub nur auf der letzten. Bloß, weil der unsympathische Geschichtslehrer, ein richtiger Militär, Edubs Gehampel in den vorderen Bänken nicht ertrug.

      Es war ein Grauen. Mit keiner Miene wagte er sich der Schustern zu offenbaren - Selbstbewusstsein gleich Null! Wo sollte das aber auch herkommen, ohne jedes Gefühl für das Machbare.

      Am Morgen vor Schulbeginn lauert er dem Mädchen auf.

      Der Turm-Erker war ideal! - nach drei Seiten Fenster. Schon wenn sein Schwarm an der oberen Marktecke aufkreuzt, hatte Edub sie im Visier. Tasche schnappen, die Treppen runter.

      Das Problem war, sie ging auf der unteren Marktseite und bog rechts in die Marktstraße zur Schule ein. Das war der Punkt, wo die Schustern den Verschüchterten, welcher aus der Toreinfahrt quer über den Marktplatz spaziert, wie zufällig treffen sollte. Geklappt hat das schon! Er marschiert neben ihr. Sie, ohne Miene zu verziehen, weicht nicht aus. Beide halten aber in überspannter Hab-Acht-Haltung respektvollen Abstand - bleiben stumm wie Fische.

      Das war´s dann gewesen!

      Klaus hatte jedenfalls Edubs Interesse mitbekommen: „Am Sonntag geh ich mit Helga ins Kino, die Schustern kommt auch - und du?“

      Natürlich hat er „ja“ gesagt. Die Chance!

      Eine Unglücksentscheidung!

      Seine Mannschaft, er durfte damals schon in der 1.Männermannschaft der Bezirksliga mitspielen, hatte auswärts Tischtennis-Punktspiel in Grimma. Im FRAMO, einem Kleinstlaster, wurden die Ping-Pong-Akteure unter der Plane auf der Holzbank der Ladefläche durchgeschüttelt, sind natürlich zu spät zurück. Kino hatte schon angefangen.

      Durchgefroren wartet der Glücklose an der Ecke.

      Film aus. Die drei steuern auf ihn zu. Er wiederholt betont lässig den vorher rezitativisch geübten Vortrag zu seinem Fernbleiben. Keiner sagt was, stattdessen verdünnisiert sich Klaus unauffällig mit seiner Helga.

      Nun steht er da! - neben der Schönen, weiß nichts mit ihr und sich anzufangen. So bleibt Edubs Schwarm nichts weiter übrig, als zögerlich den Heimweg anzutreten, derweilen der verkappte Poussierstängel neben ihr herstelzt, ungeschickt und einfältig. Die kurze Strecke wird peinlich lang, will nicht enden. Kein Wort, fast keins, jedenfalls keinerlei Entgegenkommen beiderseits.

      Sie sind vor ihrer Haustür. Als seine Flamme sich Hand reichend verabschiedet, nimmt der blaue Edub seinen ganzen Mut zusammen, greift mit beiden Händen ihr Köpfchen, drückt einen Schmatz auf ihre Lippen!

      Zu unerfahren, zu kurz, um ihr überhaupt eine ermutigende Geste, aufmunternde Mimik, aktive Erwiderung zu ermöglichen - dreht sich um, nimmt Reißaus! - Er flüchtet, ohne seiner Angebeteten die Gelegenheit einzuräumen, ihm ein positives, vielleicht auch zurückhaltendes Zeichen geben zu können! Wäre sie denn sonst in Erwartung seiner Nachbarschaft mitgegangen ins dunkle, Handgreiflichkeiten ermöglichende Kino?

      Nach diesem Abend hat das Mädchen ihn verständlicherweise keines Blickes mehr gewürdigt.

      Er war nur noch Luft.

      Der Beginn des edub'schen Liebeslebens wurde durch diesen Misserfolg um mindestens ein Jahr verzögert.

      Erst die Wahl zum Vorstand des Tanzstundenlehrganges hat den Unglücksraben wieder aufgerichtet:

      „Weil er so ein guter Tänzer wäre…“, wurde dem Abstimmungssieger von einigen Kursteilnehmerinnen zugeflüstert.

      Bei den Wechseltänzen von Letzteren angestrahlt, konnte er sich leisten, während des Kurses die anfangs gewählte Dame vom Zwischenball auszutauschen. Von einer sehr guten, aber nicht so attraktiven Tänzerin, zu einer „Schönheit vom Lande“ wechseln, welche ihm sehr aufdringlich ihr anhimmelndes Lächeln schenkte. „Sie wollen ihre Dame tauschen?“ fragte pikiert die Tanzlehrerin: „Bei einem Vorstand hatten wir das noch nie!“ – und gab ihm klar zu verstehen, das sei nicht standesgemäß.

      Dass diese Dorfschönheit später Mannequin bei BORMANN, dem führenden Modehaus der DDR wurde, könnte nachträglich als hinreichendes Argument ihrer Verführungskünste gelten.

      Was hat Edub verpasst, dass er nicht mal zu küssen wagte! Sie wurde aber auch immer von ihrem Vater, einem Großbauern vom Dorf, abgeholt, so dass außerhalb des Tanzsaales weitere Bezirzungen ausfielen.

      Es musste wieder ein Jahr vergehen, bis Edub aufgrund dieses Tanzstundenamtes mit gesteigertem Selbstbewusstsein ausgestattet, zum Geburtstag seines Freundes Donath, diesem die Geburtstagsdame ausspannend - im Garten beim Mondschein mit Hingabe nun doch endlich küssen durfte.

      Kurze Treffs gab es, unweit der KNOHOMA, wo er die Lehrzeit verbrachte, neben der Gärtnerei im Grünen. Die Eltern bewachten das Mädel.

      Nach wenigen Liebkosungen auf der dunklen hinteren Kinoreihe war es vorbei. Die schon zu Hitlers Zeiten tätige und politisch bedrängte Lehrerfamilie Jacobs hatte sich wenige Wochen nach seinem