Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefan Gruber
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Афоризмы и цитаты
Год издания: 0
isbn: 9783347043282
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»Familie« oder der Sekundärgruppe »Freundeskreis«), der man sich in einem Massenkollektiv zugehörig fühlt, völlig nebensächlich und dem Zeitgeist geschuldet – wichtig ist nur, dass mit der Zugehörigkeit zu einer Gruppe andere von dieser Gruppe ausgeschlossen werden. Man kann den Rassismus überwinden, aber man kann niemals die Gruppenbildung überwinden. Die Zugehörigkeit zu einer Rasse wird dann bloß transformiert zu einer Zugehörigkeit zu einer Kultur, einer Ideologie oder einer Religion. Die tolerantesten Menschen bilden die Gruppe der tolerantesten Menschen, aber sie werden sich niemals in kulturellen, religiösen oder ideologischen Sphären bewegen, die von Menschen mit gefestigtem Weltbild beheimatet sind. Deshalb kommt es statt dem gewünschten Multikulturalismus stets zur Separation und Segregation. Und schnell kann selbst die Toleranz totalitäre Züge annehmen, wenn sie nämlich nur mehr die Toleranz und ihre liberale Beliebigkeit toleriert. Das unumgängliche Problem dieses Gruppenverhaltens ist, dass eine Gruppe die Lebenswelt der anderen Gruppe weder verstehen kann noch verstehen will – bilden doch »die Anderen« einerseits die Selbstdefinition der eigenen Gruppe als »Wir« und dienen somit als Kitt für den Zusammenhalt und müssen andererseits für die eigenen Ressentiments herhalten, selbst wenn man sich diese nicht eingestehen mag. Sigmund Freud formulierte einst, man könne genug Menschen durch Sympathie aneinanderbinden, wenn nur genug Antipathien für Menschen außerhalb der Gruppe überbleiben. Daher ist es geradezu paradox, wenn Ideologen Toleranz fordern, die durch die alleinige Existenz der Ideologen ad absurdum geführt wird. Dieses Gruppenverhalten ist nicht nur bereits in der Schule beobachtbar, wenn etwa eine Klasse überwiegend schlanker Kinder ihre dicken Kinder hänselt. Als ironische Anekdote erzählten darüber hinaus Produzenten und Darsteller des 1968 erschienenen, zutiefst antirassistischen Films »Planet der Affen« einhellig, dass sich in den Pausen zwischen den »Affenarten« (als Gorillas, als Orang-Utans oder als Schimpansen kostümierte Menschen) unbewusst eine Rassentrennung einstellte, d.h. die Schauspieler sich bevorzugt bei ihren Artgenossen aufhielten, anstatt sich zu mischen. Hier ist also bereits die Kostümierung Grund genug für eine »rassisch« induzierte Gruppenbildung. Selbst wenn alle Menschen von Geburt an gleich wären – eine Behauptung, die beispielsweise von der Genderforschung1 auf die Spitze getrieben wird –, so muss die philosophische Frage erlaubt sein, was sich bei einem erfolgreichen ideologischen Kampf tatsächlich ändern würde? Wenn es keinen Unterschied mehr zwischen Mann und Frau gäbe (ein Ding der Unmöglichkeit, weil bereits kleinste genetische Unterschiede bzw. darauf aufbauend auch kleinste Unterschiede in Interesse oder Verhalten zu einer gruppendynamischen Segregation führen), dann würde sich eben ein anderes Gruppenverhalten herauskristallisieren. Der Begriff »Geschlecht« wäre dann bloß ein austauschbarer Begriff und die Spaltung einer Gesellschaft würde sich anhand anderer Kriterien vollziehen. Wenn aber alle Menschen gleich sind, ergibt sich hier ein Paradoxon, weil dann eben Frauen gleicher wären als beispielsweise Klassen oder Kulturen. Die Uniformierung der Gesellschaft ist in einem Massenkollektiv schlichtweg ein Kampf gegen Windmühlen.

      Der Mensch selbst (ja sogar das »Sein« an sich) ist, wie wir in späteren Kapiteln sehen werden, darauf angewiesen, Unterschiede zu begreifen (die zur Gruppenbildung führen, da sich Gruppen immer durch Abgrenzung und Ausgrenzung definieren), weil er sonst gar nicht lebensfähig wäre. Wesentlich erschwert wird dieses Problem, wenn Menschen aus unterschiedlichen »Kulturstufen«2 zum Zusammenleben gezwungen sind. Oswald Spengler hat dies im historischen Maßstab analysiert und kam zu dem Ergebnis, dass ein Zusammentreffen von Kulturen unterschiedlicher Kulturstufen irgendwann zwangsläufig in Pogromen endet. Um also dem aufkeimenden Rassismus (der in der Zivilisationsphase zur Aversion gegen nicht »zeitgleiche« Kulturen transformiert wird) zuerst im Zuge der Globalisierung und des freien Personenverkehrs, später durch bewusst forcierte Einwanderung, bereits in der Wohlstandsphase vorweg den Wind aus den Segeln zu nehmen, wird der Aufstieg der kapitalistischen Linken weiter forciert: Die Ideologie des »Antirassismus« beginnt – bei uns zuerst harmlos und bemüht, den interkulturellen Dialog zu fördern. Später verwandelt sich dieser Antirassismus in das totalitäre Konstrukt aus Verboten, politischer Korrektheit und Sprachfetischismus.1 Die Sprache wird außerdem zum Spiegel eines hochkomplexen kapitalistischen Systems. Wenn wir die Sprache von 1900 bis 1970 mit der Sprache heute vergleichen, fällt eines klar auf: Damals wurden Fakten völlig offen und fernab jeglicher Rücksichtnahme nüchtern diskutiert, während heute ein Teilnehmer einer medialen Diskussionsrunde oder ein Politiker nur vage Floskeln spricht, die niemanden mehr interessieren, weil sie nichts aussagen. Die Ursache dafür liegt in der Komplexität des Systems. Die Macht eines Politikers ist von derartig vielen Faktoren abhängig (Wählerstimmen, internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen, massivem Lobbyismus, Interessensgruppierungen etc.), dass er keinen faktenbezogenen, nüchternen Satz mehr aussprechen kann, ohne damit irgendjemandem zu nahe zu treten. Wir sehen erneut, wie eine Entwicklung die andere zwangsläufig hervorbringt und diese Zyklen stets die richtigen Menschen zur richtigen Zeit nach oben hieven. Die Subventionierung des dringend benötigten Nachwuchses führt aber letztendlich dazu, dass die ansässige Unterschicht und Migranten aus jungen, frischen Kulturen (daher gebärfreudiger als der spätzivilisatorische Mensch) gefördert werden, während die Intelligenz des Landes ausstirbt. Hier passiert dann langfristig das, was Spengler für alle Kulturen am Ende ihres Zyklus prophezeit: Ihre Schwäche, Dekadenz und Antriebslosigkeit führt zur Übername ihres Kulturraumes durch sich vermehrende Einwanderer anderer Kulturen oder kriegerische Völker. Eine Zivilisation geht nach Spengler also nie von sich selbst aus unter. Sie wird »untergegangen«. Im über Jahrzehnte und Jahrhunderte sich desintegrierenden Westen dürfte sich Russland, das sich in einem jüngeren Kulturzyklus befindet, nach und nach Einfluss verschaffen, um schließlich die Macht zu übernehmen (kriegerisch oder als Schutzmacht auftretend). Auch für Spengler war es Russland, welches den Untergang des Westens einläuten sollte. Was die kulturelle Durchdringung des Westens durch den Islam betrifft, so glaube ich persönlich, dass das Abendland - neben der zwangsläufigen Entwicklung germanisch-katholischer Fellachen (dazu später) - ähnlich wie das römische Palästina um das Jahr null, auch zum Schmelztiegel verschiedenster, scheinbar unvereinbarer Weltanschauungen wird, aus der sich schließlich eine neue synkretistische Hochzivilisations-Religion (die im Fellachentum dogmatisiert), wie das Christentum, herauskristallisieren wird.1

      Welche typischen Symptome kennzeichnen den Kapitalismus noch? Der kapitalistische Wohlstand, das Aufkommen der spätkapitalistischen Konsumgesellschaft, die staatlichen sozialen Netze und die zunehmende Verstädterung führen darüber hinaus zur Vereinzelung, Individualisierung und der Zerstörung von Familien, zu Egoismus, Karrierestreben und Ellenbogenmentalität. Der innerdörfliche Zusammenhalt bröckelt und in den Städten weiß man nicht einmal mehr, wie der Nachbar heißt. Der Zwang zum Wirtschaftswachstum führt einerseits in die Höhe zum biblischen Turm zu Babel in Form von Wolkenkratzern, später dann in die Breite durch den Imperialismus. Der Mangel an Eigentum zur Besicherung neuer Kredite führt zur Akzeptanz immer phantasievollerer Eigentumsbegriffe – von »geistigem Eigentum« hin zur Besicherung von Krediten mit virtuellem Eigentum (siehe dot.com-Blase) sowie immer komplizierteren Finanzprodukten, die durch eine Bündelung vieler minderwertiger Kredite den Anschein von Werthaltigkeit vermitteln (Subprime-Hypotheken). Am Ende eines Zyklus steht ein hoch verschuldeter Wohlfahrtsstaat vor uns, der am internationalen Markt nicht mehr konkurrieren kann. Weil aber wirklich schwere Einschnitte (Abschaffung von Gewerkschaften, Kollektivlöhnen, Kündigungsschutz, Subventionen, Währungsreform, Teilenteignung von unbelastetem Eigentum der Oberschicht mit anschließender Neuverteilung) niemals ohne Not durchgesetzt werden können, Gift für ein komplexes System sind und natürlich mit einem hohen Wohlstandsverlust samt schwerster Wirtschaftskrise einhergehen, erhalten die spätkapitalistischen Länder ihren Wohlstand nur mehr durch Privat- und vor allem Staatsverschuldung – bis zum bitteren Ende. Dann kehren sich alle Wohlstandsphänomene um: Wenn die Katastrophe hereinbricht, gehören bürgerkriegsähnliche Zustände zum Alltag, gleichzeitig gewinnen Familie und soziale Netzwerke an Bedeutung. Die Scheidungsrate sinkt rapide (man braucht einander), Magermodels weichen wieder echter Weiblichkeit1, Freizügigkeit weicht einer neuen Züchtigkeit, bei der Partnerwahl bekommen materielle Werte den Vorzug, Sparsamkeit wird zur Tugend usw. Dieses Umschlagen der vorangegangenen Phänomene ins Gegenteil passiert in unserem Zyklus natürlich bei Weitem nicht mehr in der Intensität, wie das nach der Weltwirtschaftskrise nach 1929 der Fall oder in den Jahrhunderten davor Usus war (Sexualmoral etc.).2 Vielmehr ist es nur mehr