Sibylle Luise Binder
Mord bei den Festspielen
Kriminalroman
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
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Alle Rechte vorbehalten
2. Auflage 2020
Lektorat: Claudia Senghaas
Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Christian Bieri / stock.adobe.com
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN 978-3-8392-6288-7
Haftungsausschluss
Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Kapitel 1: Warum immer ich?
Lindau am Bodensee,
Mitte Juli 2018
Verflixter, elender Mist! Warum muss so was immer mir passieren? Ich tue doch niemandem was! Warum hat es scheinbar trotzdem die halbe Welt auf mich abgesehen? Und der hier meint es wirklich ernst. Lucas behauptet ja manchmal, ich sei etwas »harmlos«, und er mag insofern recht haben, dass ich grundsätzlich an das Gute im Menschen glaube, aber der da oben – ne, also gute Absichten hat der nicht! Der will mir an den Kragen – oder welchen anderen Grund könnte der Fahrer eines Motorboots haben, nun schon das dritte Mal auf eine Schwimmerin draufzuhalten?
Er kommt direkt auf mich zu und der Scheinwerfer, den er vorne auf seinem Boot hat, blendet mich. Das Dröhnen seines Motors füllt die Nacht und ich frage mich, wo Lucas ist. Ich weiß, dass er einen sagenhaft tiefen Schlaf hat, aber bei dem Krach muss er doch aufgewacht sein!
Hoffentlich ist er nicht ins Wasser gegangen. Er kann mir nicht helfen, er kann nur ein zusätzliches Ziel für meinen Angreifer bieten.
Oh, verflixt – ich muss hier weg. Aber dummerweise war Schwimmen noch nie meine Stärke und meine Kondition ist unter aller Kanone. Gerade darum verstehe ich nicht mehr, wie ich so behämmert sein konnte, mitten in der Nacht in einer Bucht im Bodensee baden gehen zu wollen? Aber Himmel, man kann doch nicht damit rechnen, dass ein Verrückter mit einem Speedboot über einen drüber mangeln will!
Ich hatte schon Ärger geahnt, als das Ding zum ersten Mal an mir vorbeigeprescht war. Es sah selbst als Silhouette im Dunkel aggressiv aus mit seiner langen Motorhaube und dem kurzen Führerstand. Und dann schaltete der Bootsführer die zwei starken Scheinwerfer an, die an einem Bügel über ihm angebracht waren. Ich erkannte, dass das Schnellboot schwarz lackiert war. Und auf einer Seite zog sich eine giftig gelbe Nummer über die Seite hoch zur Motorhaube.
Ich kann mir nicht helfen, aber das Ding erinnert mich an die aufgemotzten, tiefergelegten, mit Breitreifen und Zierspeichen versehenen, fast immer schwarz lackierten Gefährte eines bayrischen Automobilbauers, deren Auftauchen auf der Autobahn hinter einem immer Ärger bedeutet. Ich fahre selbst zügig – mein Ehegespons sagt sogar, mein Fahrstil sei mit »gesengte Sau« zutreffend beschrieben –, aber das hält die Möchtegern-Rennfahrer am Steuer dieser Potenzkrücken nicht davon ab, mir mit der Lichthupe in den Kofferraum zu steigen.
Ich finde das schon auf der Straße unangenehm, obwohl ich da ja in meiner mit allen denkbaren Sicherheitseinrichtungen ausgestatteten Blechbüchse sitze. Wie ich es finde, wenn ich nackt in einem See rumpaddle, brauche ich wohl nicht weiter auszuführen.
Er ist nur noch ein paar Meter entfernt – und was mache ich jetzt? Den Weg zum Ufer hat er mir abgeschnitten und auf den See raus – dazu bin ich nicht schnell genug. Ergo habe ich nur eine Chance: abwärts! Da kann er mir weder folgen, noch kann er mich sehen. Und ich wiederum habe beim Abtauchen einen Vorteil: Ich kann atmen.
Wie? Ja, klar, jeder kann atmen. Ohne diese grundlegende Fertigkeit wäre ein Individuum aus der Spezies Homo sapiens nicht überlebensfähig. Aber was ich meine: Ich kann ein bisschen besser atmen als andere. Ich habe es nämlich gelernt und geübt. Ich habe Kirchenmusik studiert. Dabei muss man singen – man sollte ja einen Chor leiten und den Chormitgliedern eins vorjodeln können. Ergo muss man zum Gesangsunterricht und zu dem wiederum gehört, dass man atmen lernt.
Also, erst mal versuchen, die Aufregung runterzufahren. Mit flatterndem Zwerchfell ist nicht gut atmen. Dann Bauch entspannen, ganz tief Luft holen. Trotz Panik ruhig bleiben und sich vorstellen, wie jedes Lungenbläschen sich entfaltet und mit Sauerstoff auflädt. So. Die Lunge ist voll und darum kann ich jetzt ausatmen – und zusehen, dass ich verschwinde, denn jetzt schwappt mir schon die Bugwelle des Bootes ins Gesicht.
Nicht ablenken lassen! Wie hat meine Mutter früher vorgesungen? »Alle meine Entchen schwimmen auf dem See, Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh’.« Bei mir ging die Kehrseite in die Höh’ und ich versuchte, mit kräftigen Fußschlägen so schnell wie möglich so tief wie möglich zu kommen.
Doch das war gar nicht so einfach, denn das Boot war über mir und wühlte das Wasser auf. Der Sog zog mich nach oben, auf die Schrauben – das schwarze Monster hatte gleich zwei davon und entsprechend Power – zu. Dabei wollte mich das Wasser herumwirbeln und mir damit die Orientierung nehmen! Ich strampelte und kämpfte, ruderte mit Armen und Beinen, ich hatte vermutlich mehr Adrenalin als Blut in den Adern, aber jetzt war das Boot über mir weg und das Wasser beruhigte sich ein wenig. Aber ich hatte Probleme. Meine Oberschenkelmuskeln brannten, in meinem kaputten Knie hämmerte es und ich wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Dabei fühlte sich meine Lunge an, als ob sie gleich in den Streik treten würde, und ich strampelte – und verdammt, Apnoetauchen hat mich noch nie gereizt und ich will bestimmt nicht im Bodensee ersaufen!
Victoria, benutz deinen Verstand! Es muss auch im Dunkeln eine Möglichkeit geben, den Unterschied zwischen oben und unten festzustellen, und eine davon ist, das Wasser zu beobachten. Je näher es der Oberfläche ist, desto bewegter ist es, also aufhören zu strampeln, ausstrecken, versuchen, die Wellen zu spüren – oh Mensch, ich brauche Luft! Mein Kopf dröhnte, in meiner Brust bildete sich ein dumpfer Schmerz.
Ich setzte alles auf eine Karte und schwamm aufwärts – beziehungsweise dahin, wo ich aufwärts vermutete. Und da war ein Geräusch, ein tiefes Brummen und gleichzeitig spürte ich Wellen und reckte den Hals. Mein Kopf brach durch die Wasseroberfläche, ich spürte den Wind auf meiner nassen Haut, ich japste und schnappte nach Luft – und das fühlte sich gut an! Ich schloss für einen Moment die Augen und trank den Sauerstoff, der wie prickelnder Champagner war.
Aber da war dieses Brummen und jetzt