Durch sehr professionelle, mediale Vernetzungen hat er dazu auch die besten Voraussetzungen und Möglichkeiten. Als anerkannter viel beachteter Autor alpiner Literatur und vielbeschäftigter Experte in TV-Kanälen. Durch sein gutes Aussehen, stets gern gesehener Star in Bergfilmen und Dokumentationen, hat er es bereits zu einem guten Namen und ansehnlichem Vermögen gebracht.
Außerdem ist er ein begnadeter Fotograf und seine Leica-Motive türmen sich im Landes-Tourismus-Amt in Bozen und sind so exzellente Botschafter des vielgerühmten Südtirols.
Bereits seit einem turbulenten Jahr brütet er über sein Vorhaben. Andauernde, nervenzermürbende Scherereien und Stress hindern ihn nicht, mit äußerster Präzision und Geduld sein Projekt voranzutreiben. Eine ausgedehnte Weltreise über Monate sollte es werden. Über Südamerika mit den Anden, Australien privat, Asien mit dem Karakorum-Highway, um private Kontakte für nötige Anlaufstellen für seinen Traum auszuloten.
Es ist merklich kühl geworden auf der Ahornrast. Ein Blick noch hinauf in den Abendhimmel, wo die stolz aufragenden Vajolettürme mit ihrem magischen Zauber im Abendrot glühen. Die ersten Sterne blinken noch ein wenig zaghaft über den Gipfeln, aber bald wird sie ein sterneübersätes Himmelszelt in einen hellen, funkelnden Silberglanz tauchen.
Morgen wird er noch einmal in diesem Jahr auf seinen geliebten “Winklerturm“, seine Lieblingstour in den Vajolettürmen klettern, falls der Schnee ein nicht allzu großes Hindernis darstellt. Längst schon ist ihm diese Tour einfach eine lässige, morgendliche Aufwärmrunde geworden, wo andere sich damit brüsten.
Über die Bergwiesen oberhalb von St. Cyprian und den steilen Pfad durch den Hochwald, wird er zur Haniger Schwaige, unter der Laurinswand, hochsteigen.
Vorbei am „Tierser Kreuz“, wie immer den Hut ziehen, seinem Schöpfergott in kurzer Andacht ein inniges „Vergelt’s Gott“ sagen für sein glückliches Leben hier in seiner geliebten Bergheimat.
In der Haniger Schweige aus seinem Verschlag Helm, Bergausrüstung und die kleine Leica-Kamera nehmen und gleich oberhalb der Schuttkegel in die himmelhoch, drohend aufragenden Wände einsteigen. Da ihm die etwas abseits befindliche Delagokante zu einfach ist, hat er sich seine eigene Route gewählt und wenn er auch jeden Tritt und Griff wie seine Westentasche kennt, ist morgens durch den Neuschnee auf alle Fälle äußerste Vorsicht gefragt. Aber gerade diese Anforderungen sind es, die er sucht und liebt. Oben am 2813 m hohen Gipfel in der Nachbarschaft des „Delago“ und des „Stabelerturmes“ wird er an der Scharte beim Gipfelkreuz beglückt kurz ausruhen, hinunter ins Gartl blicken, wenn die letzten Touristen respektvoll ihre Fotos von den Vajolettürmen schießen.
AM WEISSHORN
Am heimatlichen Hoteleingang läuft ihm Herr Kühnert über den Weg. Langjähriger Stammgast des Hauses und Notar aus dem Allgäu. Oftmaliger Begleiter von Martin auf einfachen, unvergessenen Fototouren.
„Hallo Martin. Wir wär’s noch mit einer kleinen Tour? Vier Tage bin ich noch bei Euch.“ „Guten Abend, Herr Notar. Natürlich, machen wir. Morgen muss ich Nachmittag nach Bozen. Tags darauf wäre ich aber zu haben.
Was soll’s sein, Herr Kühnert. Eventuell übers Tschamin-Tal zur Grasleitenhütte? Und übers Tierser-Alpl und die Rosszähne, falls nicht zu viel Schnee drinnen liegt, auf die Seiser-Alm, von wo uns der Nachbar Lois abholen könnte.
Oder machen wir’s gemütlicher. Vom Jochgrimm auf das Weisshorn. Wäre mein Vorschlag.“ „O. k., Martin, das machen wir. Freue mich riesig darauf!
Übrigens, was ist mit Ihrer Weltreise. Ihrem langjährigen Traum?
Wenn Sie einen guten Partner benötigen für nötige Verträge, die sicherlich nicht ausbleiben, ich ließe mit mir gerne darüber reden!“ „Ja, danke, lieber Herr Kühnert. Auf das komme ich bei Bedarf gerne zurück.
Mitte Dezember soll’s losgehen.
Mein Gott, die ersten Weihnachten ohne meine Familie und den Bergen. Jedoch umso schöner wird die hoffentlich glückliche Heimkehr.
Sie werden es erfahren!“ Es ist ein frischer, typischer Herbstmorgen.
Der Himmel ist bedeckt und Morgennebel in silbrigen Schleiern windet sich durch das Tal. Pünktlich, wie verabredet um 8.00 Uhr, fährt Martin seinen Wagen aus der Garage des Hotels.
Herr Kühnert ist schon zur Stelle und grüßt winkend. Man merkt, dass er sich auf diesen heutigen Tag freut wie ein Kind, zumal Martin nach einem flüchtigen Blick zum Himmel meint, am Jochgrimm werde es aufreißen.
Für Kühnert kommt dieser Tag einem wahren Geschenk gleich. Mit seinem breitkrempigen, groben Stoffhut, marineblauer Bailo-Goretex-Jacke, lichter, schon etwas abgetragener Löffler-Hose und klobigen Lowa-Schuhen, erkennt man gleich, dass es heute nicht sein erster Tag in den Bergen ist.
Wenn er auch schon seinen Sechziger soeben überschritten hatte, ist er zweifellos eine sehr sportliche Erscheinung. Und auch seine Kondition kann sich durchaus sehen lassen.
Vor zwanzig Jahren schon sind die Kühnerts erstmalig im Tierser Tal aufgekreuzt und Martins Elternhaus treu geblieben.
Frau Kühnert ist vor einigen Jahren plötzlich verstorben. Martins Mutter hat Helga Kühnert, ihrer besten Freundin, lange nachgetrauert und vermisst ihr fröhliches Wesen noch heute sehr. Hatte sich über Jahre doch eine sehr tiefe, harmonische Verbundenheit ergeben, die umso mehr Martins Mutter nach dem Tod ihres Mannes über vieles hinweggeholfen hat.
Umso liebvoller sorgt seither das gesamte Haus Völler alle Jahre wieder für einen, ja man könnte es auch einen wohltuenden, familiären Aufenthalt mit heimeliger Nestwärme ihres liebgewonnenen Notars nennen.
Raureif und heftige Windböen, die Wolkenfetzen vor sich hertreibend, begleiten sie die Serpentinen hinauf zum Niger-Pass.
Unterwegs kommen sie auf Martins Reise zu sprechen. Viel Organisation, Geduld, Umsicht, mit andauernden Rückfragen und Änderungen bei Agenturen, Fluglinien und Hotelbuchungen, soweit er sich bereits festgelegt hat. Vieles davon, vor allem Termine, nimmt er sich für unterwegs vor.
Kühnert bewundert seinen Mut, sein Selbstbewusstsein und vor allem seine Überzeugung, nichts dem Zufall überlassen zu haben. Alles unabdingbare Voraussetzungen für das gute Gelingen seines Vorhabens. Davon war Martin einfach überzeugt, seinem Lebenstraum Raum zu geben.
Schon als kleiner Bub war er Kühnert ans Herz gewachsen. War er damals zwar noch ein liebenswerter Schlingel, hat er sich zu einem tüchtigen Menschen entwickelt. Sein freundliches, ehrliches Wesen und seine sympathische, soziale Art in Gesellschaft und Geschäft brachte ihm viel Anerkennung und Wertschätzung. Gepaart mit seinem guten Aussehen, war das eben sein Markenzeichen.
Oben auf der der Fromme-Alm halten sie an. Zu verführerisch ist rundum die klare Aussicht in die herbstlich geratene Natur, in ihrer Pracht und Großartigkeit.
Ein erhebender Anblick, der spürbar die Seele in Schwingungen versetzt mit der Vorfreude auf diesen Tag. Welch reiches Geschenk, welch unvergessenes, bleibendes Glück.
Das Auge schweift von der Laurinswand, Rosengartenspitze und der Rotwand, die noch tief im Schatten liegen, zu den schroffen Latemar-Spitzen, in denen schon ein vages Licht spielt. Über dem Eggen-Tal dem Westen zu, bis zum fernen, schneebedeckten Ortlermassiv mit der markanten Königsspitze, kündet schon ein zartes Blau, den sonnigen Tag an.
Am Parkplatz beim nahen Karrer See ebenfalls ein kurzer Stopp.
Zu verführerisch ist immer wieder der Blick auf den mystischen See, eingebettet in den urwüchsigen Latemar-Wald. Derzeit jedoch zeigt sich der See nicht in seiner stolzen Pracht. Der Wasserstand hat scheinbar durch den trockenen Herbst merklich gelitten und um die herausragenden vermoosten Steine zeigen sich finstere Wasserlachen, als hätten sie ihre Lebensfreude verloren.
„Aber wartet nur“, hört man scheinbar ihren flüsternden Ruf.