Abend im Paradies. Lucia Berlin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lucia Berlin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783311700807
Скачать книгу
lachen uns aus … die glauben, wir können’s nicht!«

      Wir klopften an die erste Tür … eine Dame kam und setzte ihre Brille auf. Sie kaufte den ersten Namen. ABE. Sie schrieb ihren Namen und ihre Adresse daneben, gab uns fünf Cent und ihren Bleistift. Reizende Schätzchen nannte sie uns.

      Wir besuchten jedes Haus auf dieser Seite der Upson Street. Als wir den Park erreichten, hatten wir zwanzig Namen verkauft. Wir setzten uns vor die Mauer des Kakteengartens, atemlos, triumphierend.

      Die Leute fanden uns goldig. Wir waren beide sehr klein für unser Alter. Sieben. Wenn eine Frau öffnete, verkaufte ich das Los. Meine blonden Haare standen in doppelter Breite vom Kopf ab, wie ein großer, gelber Steppenroller. »Ein gesponnener, goldener Heiligenschein!« Weil meine Zähne fehlten, wölbte ich meine Zunge hoch, wenn ich lächelte, als wäre ich schüchtern. Die Damen tätschelten mich und beugten sich herunter, um mich hören zu können … »Worum geht es, Engel? Aber ja, das würde ich liebend gern machen!«

      Wenn es ein Mann war, verkaufte Hope. »Fünf Cent … suchen Sie sich einen Namen aus«, sagte sie gedehnt, reichte ihnen die Karten und den Bleistift, ehe sie die Tür schließen konnten. Sie sagten, sie hätte Mumm, und kniffen in ihre dunklen, knochigen Wangen. Ihre Augen unter dem schweren schwarzen Haarschleier blitzten sie an.

      Nur wegen der Zeit machten wir uns Sorgen. Es war schwer zu sagen, ob jemand zu Hause war oder nicht. Die Klingelgriffe runterdrücken, warten. Am schlimmsten war es, wenn wir die einzigen Besucher seit »wer weiß wie lange« waren. Alle diese Menschen waren sehr alt. Die meisten von ihnen sind sicher wenige Jahre später gestorben.

      Außer den einsamen Menschen und denen, die uns goldig fanden, gab es einige … zwei an diesem Tag … die wirklich glaubten, es wäre ein Omen, die Tür zu öffnen und ein Los angeboten zu bekommen, eine Chance. Sie brauchten am längsten, aber das störte uns nicht … warteten, ebenso atemlos, während sie mit sich selbst redeten. Tom? Dieser verdammte Tom. Sal. Meine Schwester nannte mich Sal. Tom. Ja, ich nehme Tom. Was, wenn er gewinnt?

      Wir gingen gar nicht erst zu den Häusern auf der anderen Seite der Upson Street. Den Rest verkauften wir an den Wohnungen gegenüber vom Park.

      Eine Uhr. Hope gab Sammy die Karte, ich schüttete das Geld über seiner Brust aus. »Gott!«, sagte Jake.

      Sammy küsste uns. Wir wurden rot, grinsten auf dem Rasen.

      »Wer hat gewonnen?« Sammy setzte sich auf. Die Knie seiner Levi’s waren grün und nass, seine Ellbogen grün vom Gras.

      »Was steht da?« Hope konnte nicht lesen. Sie war in der ersten Klasse sitzen geblieben.

      ZOE.

      »Wer?« Wir sahen uns an … »Wer war das?«

      »Es ist die Letzte auf der Karte.«

      »Oh.« Der Mann mit der Salbe an den Händen. Schuppenflechte. Wir waren enttäuscht, es gab zwei sehr nette Leute, denen wir gewünscht hatten, sie würden gewinnen.

      Sammy sagte, wir könnten die Karten und das Geld behalten, bis wir sie alle verkauft hätten. Wir nahmen sie mit über den Zaun und unter die Veranda. Ich fand eine alte Brotbüchse zum Aufbewahren.

      Wir nahmen drei Karten und den Weg durch die Gasse auf der Rückseite. Wir wollten nicht, dass Sammy und Jake uns für zu eifrig hielten. Wir überquerten die Straße, rannten von Haus zu Haus, klopften an Türen, überall auf der anderen Seite der Upson Street. Eine ganze Seite der Mundy Street hinunter bis zum Sunshine-Lebensmittelmarkt.

      Wir hatten zwei Karten vollständig verkauft … saßen auf dem Bordstein und tranken Traubenlimonade. Mr. Haddad stellte Flaschen für uns in den Gefrierschrank, sodass die Flüssigkeit sulzig herauskam … wie geschmolzenes Eis am Stiel. Die Busse mussten an der Straßenecke eine enge Kurve nehmen, kamen gerade so an uns vorbei, hupten. Hinter uns, am Mount Cristo Rey, stiegen Staub und Rauch auf, gelber Schaum in der texanischen Nachmittagssonne.

      Ich las die Namen laut vor – wieder und wieder. Wir machten ein X bei denjenigen, von denen wir hofften, dass sie gewinnen würden … Ein O bei den schlechten.

      Der barfüßige Soldat … »Ich BRAUCHE ein Schminkkästchen!« Mrs. Tapia … »Na, dann kommt mal rein! Wie schön, dass ihr da seid!« Ein sechzehnjähriges Mädchen, frisch verheiratet, die uns gezeigt hatte, wie sie die Küche in rosa gestrichen hatte, allein. Mr. Raleigh – gruselig. Er hatte zwei Dänische Doggen zurückgerufen, hatte Hope ein sexy Ferkelchen genannt.

      »Weißt du … wir könnten tausend Namen pro Tag verkaufen … wenn wir Rollschuhe hätten.«

      »Ja, wir brauchen Rollschuhe.«

      »Weißt du, was nicht stimmt?«

      »Was?«

      »Wir sagen immer … ›Wollen Sie ein Los kaufen?‹ Wir sollten sagen ›Lose‹.«

      »Wie wäre es mit … ›Wollen Sie nicht eine ganze Karte kaufen?‹«

      Wir lachten, glücklich, saßen auf dem Bordstein.

      »Lass uns die letzte verkaufen.«

      Wir gingen um die Ecke, zur Straße unterhalb der Mundy Street. Es war dunkel, das Licht gedämpft von Eukalyptus-, Feigen- und Granatapfelbäumen, mexikanische Gärten, Far- ne, Oleander und Zinnien. Die alten Frauen sprachen kein Englisch. »No, gracias«, schlossen die Türen.

      Der Priester von Holy Family kaufte zwei Namen. JOE und FAN.

      Dann kam ein Häuserblock mit deutschen Frauen, Mehl an den Händen. Sie schlugen die Türen zu. Tsch!

      »Lass uns nach Hause gehen … das wird nichts.«

      »Nein, oben an der Vilas-Schule gibt es viele Soldaten.«

      Sie hatte recht. Die Männer waren draußen, in Khaki-Hosen und T-Shirts, wässerten gelbes Bermudagras und tranken Bier. Hope verkaufte. Ihr Haar klebte jetzt wie ein schwarzer Perlenvorhang in Fäden auf ihrem olivfarbenen syrischen Gesicht.

      Ein Mann gab uns einen Vierteldollar, und seine Frau rief nach ihm, bevor er das Wechselgeld erhielt. »Gib mir fünf!«, schrie er durch die Fliegengittertür. Ich fing an, seinen Namen aufzuschreiben.

      »Nein«, sagte Hope. »Wir können sie noch mal verkaufen.«

      Sammy öffnete die Siegel.

      Mrs. Tapia hatte mit SUE gewonnen, dem Namen ihrer Tochter. Wir hatten bei ihr ein X gemacht, sie war so nett. Mrs. Overland gewann die Nächste. Keiner von uns konnte sich erinnern, wer das war. Der dritte Gewinner war ein Mann, der LOU gekauft hatte, aber eigentlich hätte der Soldat, der uns einen Vierteldollar gegeben hatte, damit gewinnen müssen.

      »Wir sollten es dem Soldaten geben«, sagte ich.

      Hope wischte ihre Haare nach oben, um mich anzusehen, lächelte beinahe …

      »Okay.«

      Ich sprang über den Zaun in unseren Hof. Mamie wässerte die Pflanzen. Meine Mutter spielte Bridge, mein Abendessen war im Ofen. Ich las Mamies Lippen wegen der Nachrichten mit H.V. Kaltenborn, die von drinnen zu hören waren. Großvater war nicht taub, er stellte nur laut.

      »Kann ich für dich gießen, Mamie?« Nein, danke.

      Ich schlug die Eingangstür, geriffeltes Buntglas, an die Wand.

      »Komm rin hier!«, schrie er lauter als das Radio. Überrascht rannte ich hinein, lächelnd, wollte auf seinen Schoß klettern, aber er raschelte mich mit einem Zeitungsausschnitt weg.

      »Warst du bei diesen schmutzigen Arabern?«

      »Syrer«, sagte ich. Sein Aschenbecher glühte rot wie die Buntglastür.

      Dieser Abend … Fibber McGee und Amos und Andy im Radio. Ich weiß nicht, warum er sie so mochte. Er sagte immer, er hasste Farbige.

      Mamie und ich saßen mit der Bibel im Speisezimmer. Wir waren noch bei den Sprichwörtern.

      »Offene