Unterwegs mit dir. Sharon Garlough Brown. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sharon Garlough Brown
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961222377
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      Sie seufzte. „Er meinte, wenn meine Motivation für den Besuch dieses Kurses nicht die sei, Gott zu begegnen, dann wäre es vertane Zeit. Seine Bemerkung lässt mich nicht los. Schließlich hat er uns doch geraten, sein Seminar durch etwas zu ergänzen, was unsere eigene Beziehung zu Gott vertieft. Und wenn das Ziel dieses Unterfangens nicht ist, etwas zu lernen, dann verstehe ich es nicht. Ich verstehe es einfach nicht.“

      John hatte im ersten Jahr ihrer Ehe begonnen, die Rezepte seiner griechischen Schwiegermutter nachzukochen, und er wurde immer besser darin.

      „Also, was hältst du von meinem Zitronenhühnchen?“, fragte er und blickte Charissa durch das warme Kerzenlicht an.

      „Mama wäre beeindruckt. Es war ganz hervorragend, John. Vielen Dank.“ Während er den Tisch abräumte, holte sie ihren Laptop und einige Bücher. Sie nahm wieder am Tisch Platz und vertiefte sich in ihre Arbeit.

      „Kann ich dir noch etwas Gutes tun?“, fragte er, während er das Geschirr in die Spülmaschine räumte. Sie war so konzentriert, dass sie ihn gar nicht hörte.

      Er kam aus der Küche, stellte sich hinter sie und schlang die Arme um sie. „Brauchst du etwas?“, fragte er und küsste ihren Nacken. Sie schüttelte den Kopf und tippte weiter, während er ihre Schultern massierte. „Du bist verspannt“, bemerkte er und drückte seine Finger fester in ihre glatte Haut. „Ich habe ein Heilmittel dagegen, falls du interessiert bist.“ Tief atmete er den Duft ihrer Haare ein.

      Sie antwortete, ohne ihn anzusehen: „Ich hab so viel zu tun. Vermutlich muss ich die ganze Nacht durcharbeiten, um diesen Aufsatz morgen früh fertig zu haben.“

      Sanft ließ er sie los. „Ich weiß“, sagte John. „Das harte Los einer Doktorandin.“ Er drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, bevor er die Kerzen ausblies.

      

      Als Charissa um 4:00 Uhr morgens ihr Essay über Shakespeare fertig hatte, war sie viel zu aufgedreht, um Schlaf finden zu können. Da es noch zu dunkel für ihre morgend­liche Walking-Runde war, begann sie zu putzen. Putzen war ihre liebste Form des Stressabbaus. Das kam der Wohnung häufig zugute.

      Ihren empfind­lichen Nachbarn hatte sie versprochen, den Staubsauger nicht zu früh morgens oder zu spät abends anzuschalten. Nicht dass es viel zu staubsaugen gäbe: Sie hatten nur ein kleines Wohnzimmer und einen Essbereich neben der Küche, ein Schlafzimmer und einen schmalen Flur. Aber Charissa fand das Staubsaugen in einem präzisen Sägezahnmuster unglaublich beruhigend. Manchmal saugte sie zweimal am Tag.

      Da es noch zu früh war, nahm sie sich die Speisekammer vor. Ordnung in den Regalen stand bei John nicht ganz oben auf der Prioritätenliste, und da er für das Kochen zuständig war, herrschte in der Vorratskammer meist ein heilloses Chaos. Wenigstens einmal pro Woche räumte sie alles so auf, wie sie es gut fand: die Dosen und Kartons nach Größe geordnet, die Gewürze in alphabetischer Reihenfolge, Soßen nach Farben sortiert. „Für alles einen Platz und alles an seinem Platz.“ Das war Charissas Lebensregel. Wenn sie nicht Dozentin für Literatur hätte werden wollen, dann hätte sie sich vermutlich auch als persön­licher Organisations-Coach ganz gut gemacht.

      Während sie Ketchupflaschen und Barbecuesoßen sortierte, ging ihr immer wieder Dr. Allens Aussage durch den Sinn. Falsche Antwort. Falsche Antwort. Falsche Antwort. Warum war „lernen“ die falsche Antwort?

      Charissa hasste es, korrigiert zu werden. Gewöhnlich gelang es ihr, sich selbst zu korrigieren, bevor ein anderer die Gelegenheit dazu hatte. Und jetzt hatte Dr. Allen, dessen Meinung für sie persönlich und für ihren akademischen Erfolg so wichtig war, statt des sonst üb­lichen Lobes einen geheimnisvollen Tadel geäußert. Sie hatte wirklich keine Ahnung, was er meinte. Aber sie würde ihn nicht um eine Erklärung bitten. Charissa zeigte nur selten, dass sie etwas nicht verstanden hatte, indem sie nachfragte. Sie würde an diesem Samstagskurs teilnehmen und damit Dr. Allens Empfehlung folgen.

      Nachdem die Speisekammer aufgeräumt war, pflückte sie einen Fussel vom Teppich und überlegte, was vor ihrer Stillen Zeit, die sie streng jeden Morgen einhielt, noch zu tun wäre.

      Mara Garrison nahm den Pfefferminztee von Dawn entgegen und ließ ihren umfangreichen Körper in den ihr vertrauten Sessel sinken. Über welchen wunden Punkt sollte sie heute reden? Jeden Monat saß sie in Dawns Praxis und sprach über dieselben Themen: Vertrauen. Scham. Zurückweisung. Selbstwert.

      Sie bewegte sich im Kreis.

      „Ich habe das Gefühl festzustecken“, sagte Mara und schüttelte den Kopf. „Ich sitze vollkommen fest. Ich begreife zwar, wie ich hier gelandet bin, aber ich habe keine Ahnung, wie ich da wieder rauskomme. Fünfzig Jahre alt bin ich jetzt, und ich muss mich ernsthaft fragen, ob ich je weiterkommen werde.“

      „Sie haben doch schon große Fortschritte gemacht, Mara. Wirklich.“

      Dawn machte ihr immer Mut. Mara wünschte, sie hätte eine Freundin wie Dawn – einen Menschen, mit dem sie eine Tasse Tee trinken könnte, ohne ihn am Ende des Besuchs bezahlen zu müssen.

      „Sie haben die Mühe auf sich genommen, sich mit den Ursachen Ihrer Probleme auseinanderzusetzen“, sagte Dawn gerade. „Aber die besten Analysen und Erkenntnisse führen noch lange nicht zur Heilung. Man kann nicht alles mit dem Verstand erfassen oder lösen. Ich denke, Sie müssten einen Weg finden, um Gott auf eine ganz neue Weise zu begegnen und sich von ihm helfen zu lassen.“

      Mara strich mit ihrem Zeigefinger über den Rand ihres Bechers.

      „Eigentlich bin ich ganz froh, dass Sie so frustriert sind“, meinte Dawn.

      Mara hielt inne. „Wie bitte?“

      So etwas sagte Dawn normalerweise nicht. Normalerweise versuchte sie sie davon zu überzeugen, dass ihre vermeint­lichen Kreise eigentlich aufsteigende Spiralen waren, die einen Berg erklommen, nicht unend­liche Kreise, die ins Nichts führten. Normalerweise versuchte Dawn ihr begreiflich zu machen, dass die Tatsache, dass sie immer wieder auf dasselbe Problem stieß, nicht zwangsläufig bedeutete, dass sie Rückschritte machte. Ihre Perspektive hatte sich nur verändert. Sie stand ein Stück weiter bergauf und blickte darauf hinunter.

      „Sie haben den Zustand einer heiligen Unzufriedenheit erreicht“, erklärte Dawn. „Die Frustration, die Sie empfinden, kann ein Geschenk sein und ein Anstoß für Sie, mehr in die Tiefe zu gehen. Ich spüre eine gewisse Ruhelosigkeit bei Ihnen, und Ruhelosigkeit bedeutet Bewegung. Sie mögen das Gefühl haben festzustecken, aber Ihr Geist ist in Bewegung.“

      „Aber ich bin innerlich total aufgewühlt. Ich dachte, der Glaube sollte Frieden und Freude bringen, aber ich empfinde das nicht. Bestimmt mache ich irgendwas falsch.“

      Dawn beugte sich vor. „Unruhe ist auch ein Geschenk Gottes an uns, Mara, so seltsam das vielleicht klingen mag. Stellen Sie sich vor, Sie würden in einer Tür stehen, auf der Türschwelle. Ihre Unzufriedenheit kann Sie dazu bewegen, aus dem Alten herauszutreten, in etwas Neues hinein. Wenn Sie selbst am Ende sind und sagen: ‚Ich habe es satt, so zu leben. Ich will mehr!‘, dann ist Gott da und hilft Ihnen, loszulassen und weiterzugehen. Wie klingt das?“

      Mara dachte über diese Bemerkung nach. „Ich wünsche mir einfach nur Frieden“, sagte sie schließlich, während sie an dem kaute, was von ihrem Fingernagel noch übrig war.

      „Was ist Frieden?“, fragte Dawn.

      Ich weiß, ich weiß. Dieses Gespräch hatten sie schon oft geführt. Dawn würde sie gleich daran erinnern, dass Frieden nicht das Nichtvorhandensein von Konflikten bedeutete, sondern das Wissen um die Gegenwart Gottes inmitten des Sturms, dass Frieden nicht abhängig sei von ihren Lebensumständen, dass es beim wahren Frieden um Ganzheitlichkeit ginge und um das Einssein mit Gott. Frieden sei ein Geschenk, die Frucht einer innigen Beziehung zu Jesus. Und so weiter.

      Obwohl Mara durchaus begriff, was Frieden war, hatte sie ihn doch nie selbst erlebt. „Ich bin müde“, flüsterte sie. „Ich bin des ständigen Kämpfens müde. Ich sehne mich nach einer Atempause.“

      Dawn