Silvia - Folge 2. Jürgen Bruno Greulich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Bruno Greulich
Издательство: Bookwire
Серия: Silvia
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956951183
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natürlich, denn niemand war erpicht darauf, ständig betatscht zu werden.)

      Silvias erster Kunde, ein älterer dicklicher Handelsreisender mit hoher Stirn und dunkler Hornbrille, gehörte zur harmlosen Kategorie. Er war freundlich, fast liebenswürdig, sehnte sich mehr nach der wärmenden Nähe eines weiblichen Leibes denn nach ausuferndem Sex.

      Zimmer acht wurde ihnen zugewiesen. Dieses war in Rosa gehalten und also der geeignete Ort für Juliane. Auf dem Gemälde hockten zwei nackte Mädchen vor dem rosa Bett, eine Blondine und eine Brünette. Unter beiden stand eine Champagnerflasche, der Hals steckte in ihrem Schoß und jede griff der andern zwischen die weit geöffneten Beine. Sie wurden umrahmt von zwei Männern, zu denen sie aufschauten. Die Blonde hatte den Penis tief in den Mund gesogen, die Brünette hatte ihn nahe vor den offenen Lippen, von denen weißliches Sperma rann und in zähen Fäden auf die Brüste tropfte.

      Silvia streifte das Negligé ab, zog den Mann aus und legte sich mit ihm aufs Bett. Angeregt begaffte er sich die Szene des Bildes und bald sah er ganz in echt sein Sperma von ihren Lippen rinnen. Danach kuschelte er sich an sie, schloss sie in die Arme, als sei sie seine Geliebte, und erzählte ihr seine trostlose Geschichte: Seine Frau lebe wie eine Fremde im Haus, seit Jahren schon hätten sie sich nichts mehr zu sagen, seine drei halbwüchsigen bis fast schon erwachsenen Kinder behandelten ihn achtlos, als sei er ein vertrotteltes Nichts. Vielleicht habe er zu wenig Zeit für sie gehabt, sie zu selten gesehen, da er ja ständig unterwegs sei, vielleicht aber hätten sie ja recht, vielleicht habe er tatsächlich alles in seinem Leben falsch gemacht …

      Selbstzweifel bei einem Kunden? Das war eine Rarität. Silvias Mitleid hielt sich in Grenzen, es war nicht erhebend, als Mülleimer für Enttäuschung und Ärger zu dienen, aber natürlich tröstete sie ihn fadenscheinig mit ihren Mitteln, machte die Beine für ihn breit und spielte ihm in seinen Armen einen leidenschaftlichen Orgasmus vor.

      Er ging mit einem gelösten Lächeln und Silvia nahm eine Dusche, zog ein frisches schwarzes Negligé über, verzichtete aber auf Strapse, da im Moment nicht daran interessiert, noch reizvoller als ohnehin schon auszusehen. Sanft und fast unmerklich sank der trübe Tag in die Arme des Abends …

      Der Verrat

      Bei der Rückkehr ins Foyer schaute sich Silvia verstört um. Die Stimmung war anders als sonst, sie war hart, aggressiv. Grund war ein kleiner hagerer Mann mit grauen Habichtsaugen und schmalen Lippen. Eine tiefe Falte kerbte die Stirn über der Nasenwurzel und sein Gesicht glich einer Wüste, von Falten durchfurcht wie von aufgewehten Dünen. Leicht gekrümmt war seine Gestalt, grau das schüttere Haar, er sah aus wie ein Gnom.

      Mit herausfordernd vorgerecktem Kinn hatte er Iris im Visier, krächzend klang seine Stimme. „Ich weiß ja, dass du eine Besonderheit bist, so unberührbar wie die Mona Lisa. Aber alles hat seinen Preis, auch du!“

      Iris, die an der Bar stand und seinen Blick erwiderte, schüttelte stumm den Kopf.

      Still gesellte sich Silvia zu Monika, die etwas entfernt auf einem Sofa saß. Monika sah die Frage in ihrem Blick, beugte sich zu ihr herüber, dämpfte die Stimme zum Flüstern. „Es versuchten schon einige Gäste, sie rumzukriegen. Sie ist begehrt wie ein rares Sammlerstück, manche würden ein kleines Vermögen für sie bezahlen. Aber keiner konnte bei ihr landen, es ist hoffnungslos.“

      Der Gnom spießte Iris mit seinem Blick auf. „Wie viel verlangst du? Tausend Euro?“

      Iris schüttelte den Kopf.

      „Zweitausend?“

      Iris blieb stumm.

      „Es soll hier sein, vor aller Augen. Du ziehst dich aus und bläst mir einen. – Ist das zu viel verlangt für drei Riesen?“

      Iris senkte die Lider.

      Er zückte sein Portemonnaie und legte acht Fünfhunderteuroscheine auf den Tresen. Iris beschaute sie mit großen Augen, bedachte den Mann mit einem ungläubigen Blick und schüttelte den Kopf. Er zupfte sich zweifelnd am Ohr und legte den nächsten Schein dazu, dann noch einen, noch einen weiteren und schließlich auch den zwölften. „Sechstausend Euro, du musst nur zugreifen, dann gehört es dir.“

      Iris griff nicht zu. Sie stand erstarrt vor dem Mann, schweigend, als hätte sie die Sprache verloren. Alle Augen waren auf sie gerichtet, es herrschte atemlose Spannung, nur die elegischen Klänge eines Saxofons durchschwebten die Stille wie fallendes Laub.

      „Kannst du mir mal sagen, was du willst?“

      Tonlos klang ihre Stimme, wie einer Gruft entsteigend, scheu, aber doch unerwartet fest. „Nichts, das Sie mir geben könnten.“

      „Und was ist das, das du gerne hättest und ich dir nicht geben kann?“

      „Nichts, worüber ich reden könnte.“

      Der Gnom holte tief Luft, fast blieb keine mehr für die anderen zum Atmen übrig, seine Fingerspitzen trommelten auf den Tresen, als wollten sie ihn zertrümmern, er wippte auf den Zehen, würde wohl gleich platzen. Aber nein, er nickte sich beschwichtigend zu oder einer inneren Stimme, der er zu lauschen schien. Er steckte das Geld wieder ein und beschaute Iris forschend. „Unterschätze mich nicht. Möglicherweise kann ich dein Geheimnis lüften und es dir doch geben, das, worüber du nicht reden kannst. Es gibt fast immer einen Weg.“ Er bestellte bei Immanuel einen Kaffee und sie ging, um einen Aschenbecher auszuleeren.

      Der Blick des Gnoms schweifte zum Sofa mit Monika und Silvia herüber. Sie waren im Augenblick die einzigen freien Mädchen, da sich Sonja mit einem Gast in einem Zimmer befand und Marlies sicherlich nicht die geeignete Gespielin für ihn war; grade hatte sie einen älteren Herrn unter der Fuchtel, der ihr unterwürfig ein Glas Mineralwasser von der Bar holte. Silvia spürte die Blicke des Kleinen wie Hagelkörner auf der Haut. Sein fiebrig aggressives Wesen machte ihr Angst, nur ihm nicht in die Hände fallen. Die Garderobentür ging auf und Annemarie kam in den Raum, hinterdrein Christine, Verstärkung, ein Glück. Hoffentlich gefiel ihm eine von ihnen besser. Im gleichen Moment kam ein neuer Gast herein und sofort stand Silvia auf, gerne bereit, ihn zu bezirzen, um den Fängen des Gnoms zu entgehen. Monika erhob sich ebenso schnell, schien genauso zu fühlen.

      Der neue Gast, ein mittelgroßer Mann mit sympathisch offenem Blick lächelte erfreut, als sie sich näherten und sich ihm mit ihren Namen vorstellten. Sanft wurde Silvias Oberarm angestupst und verwundert schaute sie zur Seite. Iris stand neben ihr und wies zur Bar. Dort winkte der Gnom nach ihr! O je, also doch. Es gab kein verneinendes Kopfschütteln, kein Gast durfte abgewiesen werden, natürlich nicht. Bangen Herzens ging sie zu ihm hinüber.

      Er empfing sie mit einem freundlichen Blick. „Bist du neu hier?“

      Sie nickte.

      „Mal schauen, was mit dir anzufangen ist.“ Er wandte sich an Immanuel und verlangte die Karte.

      Die Karte! Übermorgen könne sie sich darin sehen, hatte Christine behauptet, vorgestern war das gewesen, also war übermorgen heute. Ob er sie tatsächlich darin finden würde? Scheu (wenn auch nicht ohne Neugierde) schaute sie zu, wie der Mann Seite um Seite umblätterte. Das erste Kapitel zeigte die Zimmer und auf einem Extrafoto die dazugehörigen Gemälde. Im zweiten Kapitel wurde die „besondere Garderobe“ vorgestellt, auf jeder Seite ein Kleidungsstück, jedes mit einem eigenen Namen bedacht und von einem der Mädchen des Hauses getragen. Es waren absonderliche Kleider und Dessous, nirgendwo sonst außer hier hätte man so etwas anziehen können. Sie wurden in der Vorder- und Rückansicht gezeigt, ein kurzer Text daneben wies auf die besonderen Raffinessen und Verwendungszwecke hin. So konnte ein Gast, wenn er wollte, seine Gespielin in der gewünschten Verpackung bestellen. Dem Gnom aber war die Bekleidung gleichgültig. Schnell blätterte er darüber hinweg.

      Dann wurden die Mädchen präsentiert, jedes auf vier Seiten, in Folie eingeschweißt. Aus handgeschöpftem braunem Papier bestand das erste Blatt, darauf gab es ein kleines Foto vom Gesicht und daneben standen in geschwungener Schrift der Name und die festen Tage geschrieben. Auf den nächsten beiden Seiten sah man die Mädchen in DIN-A-4-Format, kaum bis gar nicht bekleidet und in aufreizenden Posen. Den Abschluss bildete wieder ein braunes Blatt mit einem Vermerk über „besondere