Dr. Norden Extra 10 – Arztroman. Patricia Vandenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Серия: Dr. Norden Extra
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740966850
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nicht, als Papa meine Mutter geheiratet hat.«

      »Ich habe sie sehr verehrt, Janine. Du bist ihr sehr ähnlich geworden.«

      Er betrachtete sie gedankenvoll. Er stellte fest, daß sie besonders in den letzten Monaten zu einer Frau gereift war, zu einer schönen Frau. Lange hatte er nur das Kind, das immer fröhliche Mädchen in ihr gesehen. Sie war intelligent und creativ, aber sie hatte kein festes Berufsziel im Auge gehabt. Zu einem Studium hatte sie sich nicht entschließen können. Er hatte es ihr nicht übelgenommen. Sie würde doch bald mal heiraten, hatte er gemeint, als er Jens kennenlernte. Mit dem war Janine seit ihrem neunzehnten Lebensjahr befreundet gewesen. Ein anderer Mann war nie aufgekreuzt, auch nach dem plötzlichen Tod von Jens nicht, der den tödlichen Virus in Asien aufgefangen hatte, wo er ein paar Wochen beruflich zu tun hatte.

      Schicksal? Konnte man es so nennen? Warum mußte Donata erkranken, als sie zur Beerdigung ihrer Großmutter nach Brasilien gereist war? Die alte Dame hatte ihr ein großes Vermögen vermacht, aber sonst lebte ja auch niemand mehr von der Familie. Alle waren ziemlich früh gestorben, nur die Nona war achtzig Jahre alt geworden. Woran Donatas Eltern und Geschwister gestorben waren, wußte Vico nicht. Donata hatte nicht darüber gesprochen, und er hatte nicht danach gefragt. Er hatte sie in New York kennengelernt. Sie war Moderatorin beim Fernsehen gewesen und hatte ihn in dieser Eigenschaft interviewt. Er war sofort fasziniert von ihr gewesen. Das war die Frau, von der er insgeheim geträumt hatte, aber nicht glauben wollte, daß es sie überhaupt geben konnte. Es war für ihn das größte Glück, daß sie seine Gefühle erwiderte, daß sie nur noch für ihn da sein wollte und tatsächlich auch keinerlei Neigung mehr zeigte, gesellschaftlich eine Rolle spielen zu wollen. Es war, als hätte sie endlich gefunden, wonach auch sie sich gesehnt hatte.

      Ein langes Schweigen hatte zwischen Vico und Janine geherrscht. Jeder hing seinen Gedanken nach, dann kam Vico ein Gedanke.

      »Meinst du, daß es für Donata eine seelische Belastung ist, daß sie die Fehlgeburt hatte?« fragte er Janine.

      Sie sah ihn erstaunt an. »Habt Ihr nicht darüber gesprochen?«

      »Nein, ich wollte warten, bis sie selbst davon anfängt.«

      »Vielleicht erwartet sie aber, daß du das tust, Vico. Sie ist doch noch nicht zu alt, um wieder schwanger zu werden.«

      »Für mich wäre das nicht so wichtig. Ich brauche nicht unbedingt Kinder um mich.«

      Janine schüttelte leicht den Kopf. »Hast du ihr das gesagt?«

      »Sicher habe ich bemerkt, daß es nicht wichtig für mich ist. Es sollte sie trösten.«

      »Aber du könntest das Gegenteil erreicht haben.«

      »Wieso?«

      »Donata könnte denken, daß du gar keine Kinder haben willst und sie leidet deshalb.«

      »Ihr Zustand ist doch nicht psychisch bedingt.«

      »Aber die Psyche spielt bei jeder Krankheit eine große Rolle. Ich befasse mich seit einiger Zeit sehr intensiv mit Psychotherapie.«

      »Ernsthaft?« fragte er überrascht.

      »Ja, ganz ernsthaft. Du wirst es nicht glauben und vielleicht darüber spotten, aber ich habe vor einiger Zeit entdeckt, daß ich magnetische Kräfte habe.«

      Vico starrte sie konsterniert an. »Wie soll ich das verstehen? Wie äußert es sich, und wie hast du es festgestellt? Ich spotte darüber keineswegs…«

      Jetzt war es an ihr, überrascht zu sein. Vico war ihr immer als Realist erschienen, für den nur zählte, was mit dem Verstand zu erklären war. Es hatte sie allerdings auch schon überrascht, daß seine Gefühle für Donata so tief waren, daß er nicht nur von ihrer äußerlichen Schönheit beeindruckt war.

      »Ich habe es festgestellt, als ich an einem Verkehrsunfall beteiligt war«, erklärte sie.

      »Davon weiß ich auch nichts, warst du verletzt?«

      »Nein, ich hatte auch keine Schuld. Es war auf der Garmischer Strecke. Der eigentliche Unfall spielte sich auf der Gegenfahrbahn ab. Ich hatte gebremst, als es da krachte, aber es fuhr dann ein anderer Wagen auf meinen auf. Mir ist nichts passiert. Ich sah in einem der Autos ein Kind, das jämmerlich schrie, während die anderen Insassen anscheinend bewußtlos waren. Ich reagierte eigentlich ganz mechanisch, weil ich dachte, daß die Fahrzeuge in Brand geraten könnten, was aber glücklicherweise nicht geschah. Ich konnte das Kind aus dem Wrack herausholen.

      Es war nicht schwer verletzt, aber es stand unter Schock. Es schrie nach seiner Mutter, und ich konnte nichts anderes tun, als es zu streicheln. Die Kleine beruhigte sich verblüffend schnell. Aber als ich aufhörte mit dem Streicheln, sagte sie, ich solle weitermachen, weil das so schön ist. Es tue ihr gar nichts mehr weh. Ich habe erst später darüber nachgedacht, als auch ihre bewußtlose Mutter aus dem Auto geborgen wurde. Die Kleine bat, daß ich ihre Mami auch so streicheln solle, damit sie aufwache und keine Schmerzen mehr hätte. Ich war selbst wie in Trance. Um mich herum dieses Chaos und es ging an mir vorbei. Man hielt mich wohl für eine Ärztin und überließ es mir, auch bei der Mutter der Kleinen Erste Hilfe zu leisten, was ich ja glücklicherweise gelernt hatte. Aber ich war fassungslos, als die junge Frau kurz die Augen aufschlug und sagte: Sie sind ein Engel.«

      »Du warst ja auch ein rettender Engel, Janine«, stellte Vico bewundernd fest.

      »Ach was, eigentlich wußte ich gar nicht, was ich tat. Ich kümmerte mich nicht um meinen Wagen, und du weißt, wie stolz ich auf ihn war. Ich fuhr mit Mutter und Kind im Krankenwagen in die Klinik. Man hielt mich für eine Angehörige. Der Arzt stellte bei der Kleinen schwerste Prellungen fest und konnte sich nicht erklären, daß das Kind kaum Schmerzen zu haben schien. Die hat Janni weggestreichelt, sagte die kleine Melanie. Ich hatte ihr gesagt, wie ich heiße, aber sie sagte Janni. Der Arzt hat mich ganz merkwürdig angeschaut und später mit mir gesprochen. Er hat mich darauf gebracht, daß ich magnetische Kräfte haben könnte. Er war kein engstirniger Schulmediziner, sondern schon ein älterer, erfahrener Arzt. Dr. Gordon heißt er. Ich stehe mit ihm in Verbindung, und er meint, daß ich meine Kräfte nutzen soll. Vielleicht wirken sie auch bei Donata, wenn sie keine innere Abwehr dagegen hat.«

      »Guter Gott, du bist ein erstaunliches Mädchen, Janine«, rief Vico aus.

      »Ich bin inzwischen eine Frau, großer Bruder. Ich habe begriffen, daß mir etwas in die Wiege gelegt wurde, was ich nutzen sollte, womit ich helfen kann. Vielleicht war ich deshalb bisher so ziellos, weil mir das erst bewußt gemacht werden mußte.«

      Vico betrachtete sie jetzt staunend.

      »Und früher hast du nichts davon gemerkt?«

      »Ich habe Bemerkungen wie ›du elektrisierst mich‹, oder ›du bist elektrisch geladen‹ keine besondere Bedeutung beigemessen, da sie von Jens kamen und er immer zu Späßen aufgelegt war.«

      »Und sonst hat niemand reagiert?«

      Ihr Blick irrte ab. Ihre Gedanken verloren sich.

      »Es ist wohl so, daß nicht jeder es spürt«, sagte sie leise. »Du wohl auch nicht.«

      »Mich hast du ja noch nicht gestreichelt«, versuchte er zu scherzen, aber sein Gesicht blieb ernst.

      »Es kann ja sein, daß man erst reagiert, wenn man Schmerzen hat«, sagte sie nachdenklich. »Ich weiß auch noch nicht, was ich damit anfangen werde. Ich weiß nur, daß ich es manchmal loswerden muß, sonst schadet es mir.«

      »Wenn es auch bei Kopfschmerzen hilft, kannst du es gern an mir ausprobieren, Janine. Ich habe das Gefühl, daß mein Kopf zerspringt.«

      »Lehn dich zurück«, sagte sie und trat hinter ihn.

      Sie legte ihre Hände um seine Stirn und die Daumen unter die Augenhöhlen.

      »Tut das weh?« fragte sie.

      Er sagte nichts, sie vernahm nur einen Seufzer. Dann merkte sie, daß er eingeschlafen war. Sie betrachtete sein Gesicht. Es war jetzt ganz entspannt. Nach einer Viertelstunde schlug er die Augen auf. Verwirrt