Pirus sind aber in diesem Sinne „Ur-Bloods“, die ersten Bloods überhaupt, und sehen auch eine Verpflichtung darin, die Traditionen und Sitten der ersten Bloods zu bewahren. Da es recht schnell viele und unterschiedliche Blood-Sets im ganzen Land gab, war den Pirus klar, dass die Traditionen der Bloods und ihre Sitten schnell verwässern würden, zumal die „neuen Blood-Sets“ ihre eigenen Regeln und Gesetze aufstellten. Hierbei spielte vor allem die „People Nation“ eine herausragende Rolle, welcher die Blood-Sets vereinzelt angehören. Die riesige Allianz aus verschiedenen multikulturellen Gangs hat eine völlig eigene Geschichte, welche sich an der Black P. Stones Gang orientiert und deren Traditionen und Sitten befolgt. Die Pirus erkannten den stetigen Wandel daher und sorgten dafür, dass ihre „Ur-Blood-DNA“ durch die People Nation nicht verwässert wurde.
Sie verwenden daher nicht die Zahl 5 als Gang-Symbol in Graffiti, Tattoos oder auf Kleidung und sagen zum Beispiel „No Kuts“, um sich als wahre Bloods zu identifizieren. Die Zahl 5 ist ein bedeutendes Gang-Symbol der People Nation, wodurch die Pirus diese Zahl meiden. Blood-Sets, die sich an die Statuten der People Nation halten, werden daher von den Pirus als „Hybrid-Bloods“ betrachtet und nicht als echte Bloods.
People Nation
Die Bloods gehören vereinzelt der sogenannten People Nation an. Diese ist ein Zusammenschluss von verschiedenen Gangs. Ihr Gegner ist vor allem die Folk Nation. Daher können auch viele Blood-Merkmale auf diese Allianz zurückgeführt werden (Symbole, Regeln usw.). Sie sind mittlerweile in ganz Nordamerika aktiv und verfügen über mehr als 10 000 Mitglieder, wobei in Chicago der Löwenanteil lebt. Zu ihren Gang-Farben zählen vor allem schwarz, grün und rot. Wer in die Gang will, kann nur durch ein Aufnahmeritual hineingelangen. Entweder man macht einen bewaffneten Raubüberfall, einen Drive-by (Schusswechsel aus fahrendem Auto) oder ein Beat-In (Anwärter wird von Gang-Mitgliedern für eine Minute verdroschen).
Die People Nation wurde 1978 im Großraum von Chicago gegründet und war eine Antwort auf die Gründung ihrer Feinde, die Folk Nation. Jeff Fort, der auch als „El Rukns“ bekannt ist, und Eugene „Bull“ Hairston waren die Anführer der Black P. Stones, die in Chicago in den 1960er-Jahren gegründet wurden und anfangs Black P. Rangers hießen. In ihren Anfängen versuchten sich die Black P. Rangers vor allem sozial zu engagieren und orientierten sich daher an den Bürgerrechtsbewegungen. Sie nahmen am Projekt des „Job Training“ teil, das unter der Leitung von Reverend (Pfarrer) John Fry stand. Die Black P. Rangers wurden immer größer und erhielten massiven Zulauf.
Um den Überblick zu bewahren und die immer mehr aufkeimenden Gangs in Chicago zu organisieren, beschloss man, die „Main 21-Allianz“ zu gründen, die alle befreundeten Gangs zu einer Allianz zusammenschloss. Im Verlaufe der Zeit kam es dann zu der Namensänderung in die Black P. Stone Nation. Das „P“ im Gang-Namen Black P. Stone Nation steht übrigens für Power (Macht) und Peace (Frieden). Die Black P. Stone Nation driftete unter Jeffs Führung zusehends in die Kriminalität ab und lieferte sich heftige Gang-Kriege mit rivalisierenden Gangs, ohne jedoch ihren sozialen Charakter zu verlieren. Nach außen gab sich die Black P. Stone Nation weiterhin als lammfromme gemeinnützige Organisation, wodurch sie Unterstützungsgelder der Regierung kassierte. Jeff Fort wurde sogar zur Amtseinführung von Präsident Nixon eingeladen und war somit eine wichtige öffentliche Persönlichkeit. 1968 bekam dann auch die Regierung so langsam mit, dass die Black P. Stone Nation nicht das war, was sie nach außen hin darstellte. 1972 fruchteten die Ermittlungen der Regierung gegen die Black P. Stone Nation und ihre kriminellen Machenschaften, wodurch Fort und Hairston hinter schwedische Gardinen gelangten. Jeff Fort ließ sich aber nicht beirren und leitete unbeirrt die Geschicke der Black P. Stone Nation aus seiner Gefängniszelle weiter, während Hairston immer mehr an Einfluss verlor. Durch interne Streitigkeiten zwischen den beiden Anführern kam es 1975 zu einem Anschlag auf Hairston durch Anhänger von Fort, als Hairston aus dem Gefängnis entlassen wurde. Eugene Hairston beschloss, sich danach zurückzuziehen, und gründete im Norden von Chicago sein eigenes Set. Die Allianz der Black P. Stone Nation wuchs trotz der Irritationen zwischen den Anführern rasant an und wurde gleichermaßen bewundert als auch gefürchtet. Die Frucht dieser Furcht war dann die Gründung neuer und mächtiger rivalisierender Allianzen, die sich gegen die Black P. Stone Nation aufbäumten.
Es entstanden die Black Disciples unter der Führung von David Barksdale, die Black King Cobras unter der Führung von Jerome Freeman und die Gangster Disciples unter der Führung von Larry Hoover. Diese drei Gangs schlossen sich zu einer Allianz zusammen, die sie die Black Gangster Disciples Nation nannten. In den 1970er-Jahren wurde Chicago zwischen diesen beiden Allianzen (Black P. Stone Nation und Black Gangster Disciples Nation) und den Vice Lords aufgeteilt. Es ging wie immer um Territorien des Drogenhandels, die blutig umkämpft wurden. Ebenfalls mussten beide Allianzen schwere Rückschläge hinnehmen. Zum einen wurde David Barksdale ermordet und zum anderen verlor die Black P. Stone Nation immer mehr Gangs aus ihrer Allianz, weil diese unabhängig sein wollten. Es verstrich einige Zeit und in Chicago sprossen immer mehr verschiedene Gangs aus dem Boden. Das Problem war, dass viele Anführer dieser Gangs schon bald im Gefängnis saßen und die Gangs leichte Probleme bekamen, den Überblick zu behalten. Sie hatten Schwierigkeiten, Verbündete von Feinden zu unterscheiden, da so viele einzelne Gangs entstanden, bei denen man nicht wusste, zu welcher Allianz sie gehörten.
1978 saß Larry Hoover im Gefängnis. Dort heckte er einen Plan aus, die „Folk Nation“ zu gründen. Diese sollte eine „Super-Allianz“ werden, die aus befreundeten Gangs der Black Gangster Disciples Nation bestand. Jeff Fort ließ sich daraufhin nicht lange bitten und gründete als Gegenreaktion die „People Nation“, die aus befreundeten Gangs der Black P. Stone Nation bestand und der Folk Nation Paroli bieten sollte. 1978 wurde Jeff Fort aus dem Gefängnis entlassen. Mittlerweile war er ein gläubiger Moslem geworden und wandte sich immer fanatischer dem Islam zu. Dadurch kam es auch zu einer Namensänderung. Die Black P. Stone Nation hieß von nun an „EL RUKN“ und kontrollierte schon bald einen Großteil des Drogenhandels in Chicago. Jeff Fort, der nun ein steinreicher Mann war, baute daraufhin ein altes Kino zu einer Moschee um und vertiefte sich weiter in die islamische Welt, wodurch er tatsächlich mit dem Gaddafi-Regime aus Libyen in Berührung kam. Es wurden in Kooperation mit Gaddafi mehrere terroristische Anschläge in den USA geplant, die den Decknamen „RUKBOM“ hatten. Gaddafi war bereit, 2,5 Millionen Dollar flüssigzumachen, und Jeff Fort, ein Versteck in Tripolis zu organisieren. Dieser hinterhältige Plan flog jedoch auf, wodurch Fort wegen versuchtem Mord und terroristischer Verschwörung zu 155 Jahren im Hochsicherheitsgefängnis in Marion (Illinois) verurteilt wurde. Jeff Fort saß nun in einer Einzelzelle und hatte keinen Einfluss mehr auf EL RUKN, wodurch die übrigen hochrangigen Mitglieder den Gang-Namen wieder auf die Black P. Stone Nation änderten. Trotzdem erhielt die People Nation einen Teil ihrer muslimischen Vergangenheit, wodurch oft islamische Symbole in Graffiti verwendet werden, wie zum Beispiel die Mondsichel, das Auge oder die Zahl 5.
Jeff Fort
Jeff Fort war einer der wichtigsten Köpfe der People Nation, weshalb ich noch mal genauer auf sein Leben eingehen möchte. Jeff Fort wurde am 20. Februar 1947 in Aberdeen, Mississippi geboren. 1955 zog es seine Familie nach Chicago. Dort lebten sie in Woodlawn auf der Südseite von Chicago.