Der Tod fährt mit
Der Beginn der wesentlich tödlicheren zweiten Welle wird auf August 1918 datiert, als auf dem norwegischen Frachter Bergesfjord erste Fälle der Spanischen Grippe auftraten. Fast gleichzeitig meldeten Frankreich, Dakar, der Senegal, Sierra Leone in Westafrika und viele Militärlager in den USA unverhältnismäßig hohe Ansteckungsraten. In den Lagern grassierte die Spanische Grippe sogar so stark, dass drei von einhundert Soldaten starben. Militärärzte horchten erschreckt auf und forderten umfangreiche Quarantänemaßnahmen. Die Ansuchen wurden aber aufgrund der Kriegssituation abgeschmettert und die kranken Soldaten, auf engen Schiffen eingepfercht, nach Europa verfrachtet. Sechs von einhundert Männern überlebten die Tortur nicht.
Doch auch in den Städten wütete die Krankheit wie nie zuvor. Allein in der Woche zwischen dem 17. und 23. Oktober 1918 registrierte man in den USA 21.000 an der Spanischen Grippe gestorbene Menschen, die sich erst wenige Tage zuvor infiziert hatten. In Europa, Südamerika, Asien, Afrika und auf den pazifischen Inseln starben Menschen in so großer Anzahl, dass in einigen Städten weder genug Särge noch Gräber zur Verfügung standen, eine erschreckende Parallele zu der Situation, wie wir sie heute in Madrid, New York und Städten in Norditalien erleben. In Indien, das in dieser Zeit zusätzlich unter den Strapazen einer Hungersnot litt, starben fünf von einhundert Erkrankten, was eine ungewöhnlich hohe Letalitätsrate darstellt. Doch auch Mexiko war mit rund 440.000 Toten stark betroffen. Das immer noch kriegsgebeutelte Europa kümmerte sich in einer Zeit, in der sowieso wöchentliche Listen mit tausenden gefallenen Soldaten veröffentlicht wurden, wenig um die Auswirkungen der Spanischen Grippe, was die Zählung der Leichen erheblich erschwerte.
So geisterhaft, wie sie erschien, verschwand die Spanische Grippe wieder. Im Gegensatz zu anderen Grippe-Pandemien oder auch der aktuellen COVID-19-Welle starben an der Infektion übrigens überwiegend jüngere Menschen. Nach Schätzungen waren 99% aller Verstorbenen unter 65 Jahre alt. Dies sollte uns auch in heutiger Zeit ein warnendes Beispiel sein.
Andere Grippewellen
Obwohl das Influenzavirus 1933 isoliert werden konnte und die Virologen ihrem Feind damit zum ersten Mal sprichwörtlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, hat sich bis heute nicht viel daran geändert, dass wir ihm, abgesehen von immer neuen Impfungen, mehr oder weniger hilflos begegnen. Das Virus erscheint äußerst anpassungsfähig und tritt in immer neuen Varianten auf. Die Asiatische Grippe kostete 1957 und 1958 zwischen einer und zwei Millionen Menschenleben, während die Hongkong-Grippe des Subtyps A/H3N2 1968 bis 1970 mehr als eine Million Tote forderte. Nur sieben Jahre später breitete sich der Typ A/H1N1 in Form der Russischen Grippe erneut aus und forderte 70.000 Seelen. 1995 und 1996 hatte die Bundesrepublik ca. 30.000 Tote zu beklagen, wobei 8,5 Millionen Menschen an einer Virusgrippe erkrankten. Die ab 2004 registrierten Varianten Vogelgrippe und Schweinegrippe wirkten sich mit insgesamt 19.000 Opfern zwar weniger vernichtend aus, ihr zoonotischer Charakter zeigt aber, wie anpassungsfähig und gefährlich das Virus mitsamt seiner zahlreichen Mutationen ist.
HIV – aus den Köpfen, aus dem Sinn
Als am 2. Oktober 1985 der Hollywood-Star Rock Hudson an AIDS verstarb, sprach plötzlich die ganze Welt über das erst zwei Jahre zuvor von den französischen Virologen Luc Montagnier und Françoise Barré-Sinoussi entdeckte Retrovirus. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Welt allmählich klar, dass sie einer neu- und besonders bösartigen Pandemie gegenüberstand, die bis heute über 36 Millionen Erkrankten das Leben nahm und in einigen afrikanischen Ländern wie Swasiland, Botswana oder Lesotho bis zu ein Viertel der 15- bis 49-Jährigen betrifft. Zwar ist weltweit ein Rückgang der Neuinfektionen und Sterbefälle zu verzeichnen, doch in einigen hochindustrialisierten Ländern wie Russland hat sich die Zahl der HIV-Infizierten innerhalb von fünf Jahren sogar verdoppelt.
Auch das HIV-Virus ist äußerst hartnäckig. Eine Heilung, wie etwa bei einigen Hepatitis-Arten, ist bis heute nicht möglich. Das liegt unter anderem am Vermehrungszyklus, wozu das HIV-Virus Wirtszellen benötigt, die den CD4-Rezeptor (ein Glykoprotein an der Oberfläche von Zellen des Immunsystems) auf ihrer Oberfläche haben. Vor allem die T-Helferzellen dienen als Reservoir, weshalb bei Erkrankten auch regelmäßig die Anzahl dieser Zellen bestimmt werden. Ist eine Zelle erst einmal infiziert, kann sie das Virus als T-Gedächtniszelle lange in sich tragen und als Reservoir dienen. Aus diesem Grund können antiretrovirale Medikamente die Infektion zwar soweit eindämmen, dass das Virus praktisch kaum oder nicht mehr nachweisbar ist; setzt man die Medikamente aber ab, kommt es zu einem Rückfall.
HIV heute in Deutschland
In Deutschland spielen HIV und AIDS in der öffentlichen Wahrnehmung leider kaum mehr eine Rolle. Waren vor einigen Jahren noch zahlreiche Plakate und Werbespots zu sehen, die vornehmlich bei jungen Menschen um den Gebrauch von Kondomen warben, sind die Mahnungen heute fast vollständig aus der Medienlandschaft verschwunden. Doch das Robert-Koch-Institut ging noch Ende 2018 davon aus, dass in Deutschland fast 88.000 Menschen mit einer HIV-Infektion leben, wovon geschätzt 10.600 nichts davon ahnen, dass sie eine tickende Zeitbombe in sich tragen.
Ebola, oder wie ein Film die Menschen das Fürchten lehrte
Mitte der 70er Jahre gingen furchterregende Bilder einer Epidemie im Sudan und in Zaire um die Welt. Menschen mit schweren hämorrhagischen Fiebersymptomen, Blutungen aus Mund und Nase, geplagt von Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Erbrechen und Durchfall waren zu sehen. Die Presse berichtete erstmalig über ein neuartiges Virus, das seinen Ursprung offenbar am Fluss Ebola hatte und später nach diesem benannt wurde. Abgesehen von den fürchterlichen Symptomen, war die hohe Sterberate der Infizierten noch sehr viel beängstigender als bei der Pest oder Spanischen Grippe. Im Sudan starben 151 von 284 Erkrankten. In Zaire zeigte das Ebolavirus eine noch grässlichere Fratze. 284 von 318 erfassten Patienten verloren innerhalb kürzester Zeit ihr Leben. Damit lag die Fallsterblichkeit bei 88%. Das Ebolavirus, das eine Gattung aus der Familie der Foloviridae ist, gehört also nicht umsonst zu den tödlichsten und aggressivsten der Welt und wird vom Center for Disease Control and Prevention (CDC) vollkommen zu Recht als Kampfstoff der Kategorie A geführt.
Schlimmer als jeder Film
Der nächste größere Ebola-Ausbruch in Gabun, der Demokratischen Republik Kongo und Südafrika verlief etwa zeitgleich mit dem Erscheinen des Pandemie-Thrillers Outbreak – Lautlose Killer in den Jahren 1994, 1995 und 1996. Der Film von Wolfgang Petersen mit Dustin Hoffmann, Morgan Freeman, Rene Russo und Donald Sutherland in den Hauptrollen ist zwar nicht vollends realistisch, zeigt aber doch sehr eindrücklich eben jene Bilder von Infizierten, die bereits 1976 die Zuschauer der Nachrichten erschüttert hatten. So drang das Ebola-Virus, das im Film allerdings nicht ausdrücklich so genannt wird und in puncto Übertragungswege und Inkubationszeit nicht mit dem realen Vorbild übereinstimmt, in die Popkultur der 90er Jahre vor. Von nun hatte jeder Mensch, der den Film gesehen hatte, eine Ahnung davon, welche Auswirkungen eine Ebola-Pandemie weltweit haben könnte.
Der Kritiker Denis Hoffmann schrieb passend auf Zelluloid.de: »Man könnte meinen, Petersen hätte sich mit der Natur verbündet. Fast pünktlich zum Kinostart häufen sich die realen Schlagzeilen über die Ebola-Epidemie in Zaire. Dadurch erhält der Film einen zusätzlichen Beklemmungsfaktor, den er aber eigentlich gar nicht gebraucht hätte.« Wie prophetisch diese Aussage klingt, zeigt sich, wenn man sich erneut die Sterbefallrate anschaut, die während der 90er-Jahre-Ausbrüche stets sehr hoch zwischen 50% und 81% lag.
rvSV-ZEBOV – ein Ausweg?
Seit einigen Jahren versucht man den fünf Ebola-Virusspezies Bundibugyo Ebolavirus, Reston Ebolavirus, Sudan Ebolavirus, Tai Forest Ebolavirus und Zaire Ebolavirus mittels eines Impfstoffs auf die fadenförmige oder auch bazillusförmige sprichwörtliche Pelle