Dein Licht, das mich umfängt. Avon Gale. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Avon Gale
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238237
Скачать книгу
– genau wie der vierte Der weiße Hai-Film –, nur, dass das hier sogar noch weniger Sinn ergibt.

      Das Problem daran, in Lacroix' Büro zu stürmen, ist, wie Avery schnell herausfindet, dass die Realität weitaus ernüchternder ist als er es sich vorgestellt hat. Es beginnt recht vielversprechend. Er stürmt hinein, ohne anzuklopfen, und das ist ziemlich großartig. Dann schreit er fünf Minuten lang und schlägt zur Unterstreichung seiner Worte sogar mit der Faust auf Lacroix' Schreibtisch.

      Und Lacroix sieht ihn einfach nur an. »Gibt es ein Problem, Mr. Hextall?«

      Avery mustert schnell seinen Schreibtisch auf der Suche nach dem roten Stift. Scheiß auf diesen roten Stift, Mann. Und Scheiß auf Lacroix. Scheiß auf ihn und seine eleganten Anzüge, seine eisigen Augen und seine Hände, die eher wie die eines Violinisten aussehen als wie die eines Projektmanagers. Es sind eigentlich ganz nette Hände... und verdammt, was macht er da gerade? Er ist hier, um Lacroix anzuschreien, nicht, um über seine Hände nachzudenken.

      »Ja, es gibt ein Problem«, schnaubt Avery, bereit, so laut zu brüllen, dass die Glasscheiben im Fenster hinter Lacroix in tausend Stücke zerspringen. Vielleicht wird der Hurensohn dadurch nach draußen gesogen – so wie in jedem Actionfilm, den Avery je gesehen hat. »Das Problem ist, dass Sie ein Arsch sind, der keine Seele hat.«

      »Bitte setzen Sie sich.« Lacroix deutet auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch, den Stuhl, den Avery mit beiden Händen festhält. Er denkt daran, ihn Lacroix über den Schädel zu ziehen.

      Avery zieht den Stuhl mit einem Ruck heraus und setzt sich hin, wobei ihm auffällt, dass er Lacroix gerade gehorcht hat. Daraufhin steht er wieder auf. »Nein.«

      Lacroix zuckt mit den Schultern, auf diese lässige, nervtötende Art, die die Nummer fünfundsechzig auf Averys Absurde Gründe, warum ich Malin Lacroix hasse-Liste darstellt. Er hat noch eine weitere Liste mit vernünftigen Gründen. Avery glaubt an die Macht von Listen.

      »Wie Sie wollen«, sagt Lacroix und betrachtet ihn mit seinen blassen Augen. »Ich nehme an, dass Sie hier sind, weil ich Ihren Entwurf abgelehnt habe?«

      In Lacroix' Stimme schwingt ein klitzekleiner Hauch von Belustigung mit. Zumindest glaubt Avery, ihn zu hören. Oder vielleicht sucht er einfach nach einer Entschuldigung, um den dämlichen gläsernen Briefbeschwerer auf Lacroix' Schreibtisch zu nehmen und ihn irgendwo hinzuschleudern. Das wäre dann der nächste Schritt seines spontanen Plans.

      Das Glas ist kalt an seinen Fingern – glatt – und der Architekt in ihm würdigt seine Form, selbst wenn der Rest von ihm es Lacroix ins Gesicht schlagen will. »Ja. Wissen Sie, wie hart ich daran gearbeitet habe?«

      Lacroix' Finger liegen jetzt um Averys Handgelenk. Sie sind warm, überraschend stark, und sein Griff beginnt zu schmerzen.

      »Hextall.« Lacroix' Stimme ist genauso fest wie sein Griff und da ist etwas in seinem Tonfall, das Avery gänzlich den Atem raubt. »Legen Sie das hin und dann setzen Sie sich. Ich werde es Ihnen nicht noch einmal sagen.«

      Lacroix redet mit ihm, als wäre Avery sein Hund – oder ein Juniorpartner, kommt aufs Gleiche raus. Und es sollte ihn rasend machen. Tut es auch, aber Avery folgt der Aufforderung trotzdem. Mit einem trotzigen Grummeln schüttelt er seine Hand aus und lässt sich dann mit der Anmut eines gefallenen Engels, der in ein Hurenhaus schlendert, auf den Stuhl sinken.

      »Na also.« Lacroix klingt zufrieden, aber Avery kann es nicht mit Sicherheit sagen, weil er sich weigert, den Scheißkerl anzusehen. »Jetzt weiß ich, dass Sie wütend sind, weil ich Ihren Entwurf nicht ausgewählt habe, und ich bin gerne bereit, Ihnen ein Feedback zu geben. Falls Sie aufhören zu schmollen.«

      »Ich weiß, warum Sie es getan haben.« Langsam wird Avery ein wenig... vielleicht nicht verlegen. Er ist immer noch ziemlich angefressen, aber jetzt wünscht er sich, das alles etwas besser durchdacht zu haben. Wie üblich hält ihn das nicht vom Reden ab. »Sie wollen meine Hoffnungen und Träume zerstören. Darum.«

      »Ich bin mir sicher, Ihnen ist bewusst, dass ich die meisten Entwürfe der Juniordesigner ablehne – alle, nicht nur Ihre. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es zum Wohle dieses Büros ist, nicht zu meiner persönlichen Erheiterung.« Lacroix hält inne. »Nun ja, vielleicht finde ich es in Ihrem Fall ein klein wenig erheiternd.« Jetzt amüsiert er sich definitiv. Avery muss nicht aufblicken und die intensive Musterung der Fäden seiner Anzughose unterbrechen, um das zu sehen.

      »Und Sie alle denken das Gleiche – dass ich Ihr Genie verkenne, dass ich zu streng bin und nicht verstehe, wie brillant Sie sind. Oder wenn ich nur wüsste, wie Sie tage- und nächtelang aufgeblieben sind, angetrieben von Kaffee und Zigaretten, nur vom schöpferischen Feuer in Gang gehalten – dann würde ich verstehen, dass das mehr für Sie ist als nur ein Gebäude. Kommt Ihnen das bekannt vor?«

      Das tut es. Und es klingt auch, als gleiche sein Leben einem Song aus Rent. Endlich sieht er argwöhnisch auf und begegnet Lacroix' Blick. Mit Jazzhänden und La Vie Bohème zu antworten, wäre wohl nicht das Beste, auch wenn es verdammt lustig gewesen wäre. Also sagt er gar nichts.

      »Das dachte ich mir. Ich bin selbst auch Designer, Mr. Hextall. Ich verstehe die einfachen Elemente eines guten Designs. Aber meine Aufgabe ist es, einen Entwurf auszuwählen, der die Chance hat, die Ausschreibung für ein bestimmtes Projekt zu gewinnen. Also ja, für mich sind es nur Gebäude. Ich bin nicht hier, um Ihr Ego mit ständigem Lob aufzubauschen. Sie sind nicht mehr im Studium.«

      »Moment. Macht man das im Studium? Jemand sollte bei der Columbia University anrufen und es ihnen sagen.« Avery lehnt sich mit verengten Augen nach vorne. »Das war ein verdammt guter Entwurf und das wissen Sie auch.« Wenn Lacroix zustimmt, kann er vielleicht gehen und sie beide könnten so tun, als wäre das alles nicht passiert.

      In Lacroix' Augen flackert es wütend und er presst die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. »Ich nehme an, dass Sie länger als der durchschnittliche Mensch brauchen, um Informationen aufzunehmen, und erinnere Sie daran, dass es nicht meine Aufgabe ist, Entwürfe nur aufgrund ihres Designs auszuwählen, sondern auch nach ihrer Funktionalität, Kosteneffektivität und den Wünschen des Klienten. Verstehen Sie das oder soll ich Ihnen ein Diagramm zeichnen, wie Architekturbüros funktionieren?«

      Avery funkelt ihn an. »Ich verstehe. Ja. Ich wusste, dass es gefühllose Geschäftsleute geben würde, mit gefühllosen Architekten hatte ich nicht gerechnet. Ist das der Grund, warum Sie im Projektmanagement sind? Weil all Ihre Designs spießig und langweilig sind?«

      »Nein. Ich bin im Projektmanagement, weil ich sehr gut darin bin, Kunden davon zu überzeugen, sich für die Entwürfe unserer Firma zu entscheiden. Was ich übrigens erreiche, ohne sie anzuschreien oder anzudeuten, dass sie Idioten sind.« Lacroix seufzt. »Auch wenn es die meisten von ihnen tatsächlich sind. Ich bin in der Lage, unsere Designs so anzupassen, dass sie tatsächlich gebaut werden, Hextall. Vielleicht wollen Sie also darüber nachdenken, wer von uns beiden so starrsinnig ist, hm?«

      »Ich habe dieses Gebäude so entworfen, dass es den Anforderungen entspricht, die wir erhalten haben.« Averys Stimme ist inzwischen weniger wütend und er zappelt herum, weil er nicht in der Lage ist, stillzusitzen. »Wenn es andere gegeben hat, hätten Sie mir das sagen müssen.«

      »Ich muss gar nichts«, blafft Lacroix. Dann schließt er die Augen, als würde er bis zehn zählen. Oder... was auch immer zehn auf Französisch heißt. Avery ist sich ziemlich sicher, dass das Lacroix' Staatsangehörigkeit ist. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«

      Lacroix dreht seinen Monitor so, dass Avery ihn sehen kann. Zuerst kann er sich aus dem, was er auf dem Bildschirm sieht, keinen richtigen Reim machen. Er lehnt sich vor, blinzelt, holt instinktiv seine Brille aus der Hemdtasche und setzt sie auf. »Faszinierend. Sind das diese Excel-Tabellen, von denen ich so viel gehört habe?«

      »Waren Sie in all Ihren Kursen so nervtötend, Hextall?«

      »Oh ja.« Avery wendet seinen Blick nicht vom Bildschirm ab. »Es ist gut, dass hier nur zwei Empfehlungsschreiben verlangt wurden, sonst würde ich in Schwierigkeiten stecken.«

      Ein Schnaufen erklingt, das