Eishockey. Sebastian Böhm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sebastian Böhm
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783840337253
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trug, wurde nicht für seine Qualitäten im Bullykreis berühmt. Derek Sanderson war der Mittelmann des Doppelpasses, der zu einem besonderen Tor der Eishockeygeschichte führte. Das Bild des fliegenden Bobby Orr hat sich jeder Eishockeyfan schon einmal als Hintergrund auf einem Bildschirm gespeichert. Orrs Jubel im Flug, die Fans im Hintergrund und die abschätzigen Blicke der Spieler der St. Louis Blues – das alles wäre ohne Sanderson nicht möglich gewesen.

      Später machte der Mittelstürmer der Boston Bruins Schlagzeilen als Alkoholiker, der alles verlor, was er sich in den 1970er-Jahren erarbeitet hatte. Drinks mixte er in Salatschleudern, Playboy-Bunnys lud er spontan zu Flügen nach Hawaii ein. Er hat Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben, den Rest hat er einfach verprasst. So wie später ein ungleich bekannterer Fußballprofi aus London.

      Sanderson war aber eben auch ein pedantischer Bullyspezialist, der seinen Gegnern und seinen Mitspielern mit dieser Fertigkeit auf die Nerven ging. Im Training soll Sanderson den ebenfalls berühmten Phil Esposito herausgefordert haben. Nachdem Sanderson 20 Anspiele in Folge für sich entschieden hatte, soll der stolze Esposito beleidigt das Eis verlassen haben.

      Yannic Perreault: Bullys waren immer da, aber erst gegen Ende der 1990er-Jahre wurden sie auch statistisch erfasst. Gerade noch rechtzeitig für einen jungen Kanadier, der sehr gut Eishockey spielen konnte, womit man in der NHL aber nicht unbedingt auffällt. Perreault brauchte eine Superkraft, er begann, Bullys zu analysieren, übte mit der Vorhand, übte mit der Rückhand und wurde so zum vielleicht besten Bullyspieler in der Geschichte der NHL.

      Jede Bullyquote über 50 % ist gut, eine Quote von mehr als 55 % ist exzellent, Perreault gewann regelmäßig mehr als 60 % seiner Anspiele. Sein härtester Kontrahent war dabei kein Gegenspieler, sondern Mike Cvik, ein 2,06 Meter langer Linienrichter. „Er hielt den Puck so hoch, dass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Mit ihm war es besonders schwer.“

      1.2 0:04 ICING

       Christian Ehrhoff nimmt den Puck an, legt ihn sich auf die Vorhand, holt aus und schießt die Scheibe die Bande entlang, tief ins Drittel der Olympischen Athleten aus Russland. Ein Linienrichter kann dem Puck gerade noch ausweichen. Er pfeift, als das schwarze Hartgummi die Torlinie überquert.

      In einer Zeit, in der man noch nicht meinte, Eishockeyfans mit den größten Hits aus der Samplerreihe „Mallorca XXL“ dauerbeschallen zu müssen, bestand eine der Hauptaufgaben der Stadionsprecher darin, unerlaubte Weitschüsse anzusagen. Immer, wenn eine Mannschaft den Puck aus der eigenen Hälfte hinter die gegnerische Torlinie jagte, meldete sich der Stadionsprecher: „Icing!“

      Die entsprechende Regel ist nicht so alt wie das Spiel selbst und wie so viele andere machte der Pragmatismus der Teams ihre Einführung unvermeidlich. In einem Spiel in der NHL-Saison 1936/1937 trafen die Boston Bruins und die New York Rangers aufeinander und nachdem die Rangers sich durch damals noch erlaubte Weitschüsse 61-mal befreit und 3:2 gewonnen hatten, kündigte Charles Adams, der Besitzer der Bruins, an, es beim nächsten Mal genauso machen zu wollen. Das Ergebnis im Madison Square Garden: 0:0 dank 87 erlaubter Weitschüsse der Mannschaft aus Boston.

      In der darauf folgenden Saison führte die NHL die Icingregel ein, die die Taktik verhindern sollte, den Puck einzufrieren (to ice). Seither wurde die Regel mehrmals verändert: Seit 1939 dürfen sich Mannschaften in Unterzahl ohne Konsequenzen durch Weitschüsse befreien (eine Reaktion auf das tödlich effiziente Powerplay der Montreal Canadiens in dieser Zeit). Lange Zeit musste der Verteidiger den Puck noch berühren, bevor ein Linienrichter das Spiel unterbrechen konnte, ehe es im gegenüberliegenden Drittel fortgesetzt wurde.

      Doch die Rennen um die Scheiben wurden immer gefährlicher und nachdem der Tscheche Ludek Cajka in die Bande gekracht war, sich dabei schwere Verletzungen zuzog und Wochen später starb, führte der Weltverband die No-Touch-Regel ein. Es reichte, wenn der Puck die Torlinie überquerte. „Icing!“

      Später wurden Mannschaften dazu noch doppelt bestraft, indem ihnen die Möglichkeit eines darauf folgenden Wechsels verwehrt wurde. Aber natürlich fanden Spieler und Trainer auch diesmal eine Möglichkeit, die Regel im eigenen Sinne abzumildern. Vielleicht ist es aber auch nur Zufall, dass Torhüter gerade dann Probleme mit der Ausrüstung haben, wenn sich ihre Vorderleute gerade eben das vierte Icing in Folge geleistet haben und ganz dringend ein großes Sauerstoffzelt bräuchten. Während ein Betreuer die gerade in diesem Moment gelockerten Beinschienen wieder festzurrt, kommen dann selbst die Gelegenheitsraucher unter den Kollegen wieder zu Atem.

      Noch später kam die Hybrid-Icing-Regel hinzu, die immer dann zum Leben erweckt wird, wenn ein Angreifer einem aus der eigenen Hälfte geschossenen Puck hinterherjagt und eine gedachte Linie zwischen den zwei Bullypunkten im gegnerischen Drittel vor dem ersten Verteidiger überquert. Die Sprints wurden damit weiter nach vorne verlagert. Trotzdem ist die Icingregel wieder ein bisschen gefährlicher geworden. Auch für Linienrichter, die sehr viel mehr laufen müssen, um stets auf Höhe des Pucks zu bleiben.

       Drei herausragend schnelle Eishockeyspieler

      Connor McDavid: Der schnellste Mannschaftssport der Welt hat sich immer verändert. Hart war er immer, in den 1970er-Jahren wurde er brutal. Und in den 1990er-Jahren wurde Eishockey gebremst. Wer das Mitteldrittel kontrollierte, kontrollierte das Tempo und gewann das Spiel – 1:0, 2:1. Das Eishockey der Moderne ist so fair wie nie zuvor und schneller denn je. Verteidigerpylonen konnten noch um die Jahrtausendwende auf jedem Niveau mitspielen, weil Halten und Haken und Hacken toleriert wurde. Doch mittlerweile muss jeder schnell denken und schnell sein.

      Der Schnellste unter den Schnellen ist Connor McDavid. Wenn der Kanadier im eigenen Drittel antritt, sieht es nicht selten so aus, als wäre die Partie samt aller Akteure in ein besonders unrealistisches Videospiel gebeamt worden, mit McDavid als Superhelden mit Superkräften. Das mag unfair gegenüber Howie Morenz, Syl Apps, Maurice Richard, Bobby Hull, Yvan Cournoyer, Bobby Orr, Paul Coffey und Mike Gartner sein, gegenüber all den Spielern, die allen anderen in den 1930er-, 1940er-, 1950er-, 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren davongeskatet waren, aber McDavid ist der Spieler, der Geschwindigkeit noch einmal neu definiert hat, weil er nicht nur schnelle Oberschenkel, sondern auch schnelle Hände und ein schnelles Auffassungsvermögen hat. Er selbst führt das darauf zurück, dass er die Zeit, in der seine Füße nicht in Schlittschuhen steckten, in Inlineskates durch Newmarket/Ontario gefahren ist.

      Lediglich zwei Jahre seines Lebens ist er gerollt, gekrabbelt und auf seinen Füßchen gelaufen. Es muss eine harte Zeit gewesen sein, dann durfte er endlich rollen und skaten und daran arbeiten, irgendwann selbst die Besten seiner Gegenspieler zu verblüffen. „Er gleitet schneller, als viele von uns skaten können“, stellte Marc Scheifele von den Winnipeg Jets fest. McDavid beherrscht die Kunst, das Tempo steigern oder zumindest halten zu können, ohne ein weiteres Mal die Kanten seiner Schlittschuhe einsetzen zu müssen. Er selbst will noch schneller werden: „Jungs mit einem harten Schlagschuss hören doch auch nicht auf, an ihren Schüssen zu arbeiten.“

      Pavel Bure: 250.000 US-Dollar haben die Vancouver Canucks an die Rote Armee gezahlt, um Pawel Wladimirowitsch Bure an die Westküste Nordamerikas zu holen. Selten wurde Geld in diesem Sport sinnvoller investiert. Mit dem schmächtigen, jungen Mann bekamen die Canucks einen Star, der die Leute in jedem Eisstadion auf der Welt von den Sitzen riss. „Als würde er aus einer Kanone geschossen werden“, stellte einer der Verteidiger fest, an denen er vorbeigeschossen war. Mitchell Meteor (Morenz), Flying Frenchman (Cournoyer) – die schnellsten Eishockeyspieler bekamen schon immer die schönsten Spitznamen.

      Bure nannte man Rocket, the Russian Rocket. In der Deutschen Eishockey Liga hält Bure übrigens einen Rekord für die Ewigkeit. Drei Punkte pro Spiel wird kaum jemand mehr übertreffen. Die russische Rakete zündete allerdings auch nur einmal für den EV Landshut, schoss drei Tore und ward nicht mehr gesehen.

      Kendell Coyne Schofield: Manon Rhéaume war die erste Frau, die in einem NHL-Spiel eingesetzt wurde. Am 8. August 1992 stand sie in einem Vorbereitungsspiel