Die Geschichte spielte sich beim Faschingsball meines Tanzkurses ab. Damals war ich 17 Jahre und ging mit einigen Schulkollegen zum Tanzen. Zum Abschluss gab es noch einen Kostümwettbewerb. Und da meine ohne Absicht zusammengestellte Verkleidung die anderen so entzückte, meldete ich mich schließlich widerwillig bei der Jury. Neben mir waren noch neun andere Verkleidungen zu bewerten. Ich nannte meine Verkleidung „Crazy Man“, da mir keine andere Bezeichnung für meine Rastalocken, meine Sonnenbrille, mein kurzes kleidartiges T-Shirt und meine Tights einfiel. Gut. Auf jeden Fall wurde ich zum Abschluss auf den zweiten Platz gewählt. Erster wurde der Junge, der neben mir stand. Und dessen Vorbild war Jesus Christus. Seine Verkleidung sollte Jesus Christus darstellen. Soweit die Geschichte. Aber Bärbel, der Barbar, machte daraus, dass Luzifer, also ich, niemals über Jesus Christus triumphieren kann. Somit wären wir wieder beim Anfang der Geschichte, beim geistigen Fall Luzifers. Solch eine irgendwie schöne Begebenheit aus meiner Kindheit, die wirklich nichts mit meinen höllischen Erfahrungen zu tun hatte, wurde von der negativen Welt wieder über die Gedanken von Bärbel in die Realität hineinmanifestiert. (Ich gewann übrigens solch einen großen Metalleimer, den man als Stuhl und als Papierkorb nutzen konnte.)
Ich, der kleine Martin Fieber, der sich so sehr über seinen zweiten Platz bei diesem Kostümwettbewerb freute, weil er früher immer zu schüchtern war, um zu solchen Tanzveranstaltungen zu gehen, soll der Satan, der Widersacher Gottes sein, der Jesus Christus in der Wüste zigmal versucht hatte?
Erste Zweifel
Der Schmerz ist der große Lehrer der Menschen. Unter seinem Hauche entfalten sich die Seelen. (Marie von Ebner-Eschenbach)
Ein paar Tage nach diesem Gespräch mit Bärbel dem Barbaren in unserem Stammcafé traten die ersten größeren Zweifel auf. Endlich, möchte ich jetzt schreiben. Endlich. Erst ganz zart: Warum lächeln dich denn noch die Menschen an, wenn du der Herrscher der Schattenwelt sein sollst? Müssten sie nicht schreiend wegrennen? Und warum waren die Menschen zu Mutter Maria so kalt, wenn sie doch das reinste Wesen im Universum ist? Und vor allem: warum war Mutter Maria so kalt zu den Menschen?
Gott sei gedankt, es war noch nicht zu spät, als diese ersten Zweifel auftraten. Ein Schutzmechanismus setzte ein. Ab einem gewissen Zeitpunkt überzeugte mich nicht mehr alles, was Bärbel mir so auftischte.
Auch in den tiefsten Abgründen glaubte ich noch an Gott, betete zu ihm. Ich schrie zu ihm aus meiner seelischen Tiefe, weil ich einfach nichts mehr verstand, was in meinem Leben passierte. Endlich kamen die ersten verdrängten Gefühle wieder ans Tageslicht. Angst! Angst! Angst! Angst, weil ich diese starke negative Kraft immer gespürt hatte und ich einfach nur Angst vor dem Barbaren, vor Bärbel und ihrer Bösartigkeit hatte. Einfach nur Angst. Und diese Kraft, mit der ich eine viel zu lange Zeit zu tun hatte, war abgrundtief negativ, war absolut dämonisch, bei vollem Bewusstsein zerstörend. Uneingeschränkt hässlich und hassend. Ähnlich, als wenn man einem Massenmörder gegenübersteht, der gerade mit seinem Schwert ausholt und den Kopf abschlagen möchte. Wie oft hatte ich dieses Bild vor mir.
Folgeerscheinungen blieben nicht aus. Jahrelang hatte ich Schlafstörungen und Albträume. Wie oft wurde ich von dunklen, zähnefletschenden, tollwütigen Kampfhunden angefallen. Hinzu kam das Bettnässen, und das fast jede Nacht. Zudem eine andauernde innere Hast, die mich einfach nicht in eine Ruhe oder Gelassenheit brachte. Seelische Schäden dieses jahrelangen Missbrauchs waren, wie es die Geistige Welt später einmal ausdrückte, nachdem ich wieder in den schon erwähnten Forschungskreis zurückkehrte: Mangelnde Selbstliebe, fehlendes Selbst-Bewusstsein, mangelnde Möglichkeit des Vertrauens, der Freude, positiv gefühlsmäßig zu reagieren. Summasummarum eine totale Lebensunfähigkeit.
Endlich vorbei!
Gott schläft in den Steinen, atmet in den Pflanzen, träumt in den Tieren und wartet in den Menschen auf Sein Erwachen. (Verfasser unbekannt)
Unterdessen zogen meine Eltern nach Bad Salzuflen, ganz in die Nähe von Herford. Ich hatte also neben der Zeit, die ich mit Bärbel verbrachte, jetzt wieder etwas ‚Normales‘, worum ich mich kümmern konnte. Und diesen Umzug zu organisieren, half mir wiederum, aus diesem Bann herauszukommen. Eines Tages zitierte Bärbel dann meine Mutter in das bekannte Café. Bärbel, der Barbar, sagte ihr, dass sie so schnell wie möglich mit mir, ihrem Sohn, brechen solle, da ich schließlich Luzifer sei. Sie dürfe mit mir keinen Kontakt mehr haben. Meine Mutter kam total verstört nach Hause, behielt zum Glück einen klaren Kopf. Sie erzählte mir alles und die Beleidigungen, die der Barbar ihr an den Kopf geworfen hatte.
Dies war der erste Knall, der mein falsches Sein erschütterte. Ich begann aufzuwachen. Eine unschuldige Frau, und dazu noch meine Mutter, so übel anzumachen? Nein. Ein paar Tage später kam Post. Es waren die Protokolle der Treffen des Forschungskreises. Obwohl ich schon lange nicht mehr die Rechnungen bezahlt hatte, bekam ich sie immer noch zugeschickt. Die Protokolle hatten mich damals schon lange nicht mehr interessiert, da ich vieles in meiner Geistesabwesenheit anzweifelte. Bis zu diesem Tag, als ich das Protokoll eines Treffens in den Händen hielt, das an meinem Geburtstag vor vier Monaten stattgefunden hatte. „Schau doch mal rein“, hörte ich eine Art Stimme. „Lies doch mal. Es wäre interessant zu wissen, was an Deinem Geburtstag alles so gesagt wurde.“ In diesem Protokoll tauchten die Fragen einer mittlerweile guten Freundin auf, die fragte, ob Mutter Maria inkarniert sei. Die Antwort lautete logischerweise: Nein. Und Judas? Auch auf diese Frage antwortete das Geistwesen mit nein. Bumm! Ich fühlte mich, als ob ich einen doppelten K. O.-Schlag von den Klitschko.-Brüdern erhalten hätte. „Dann ist Bärbel nicht .... Und ich bin nicht ...“
Ich brauchte Abstand. Einen Tag. Dann schrieb ich dem Barbaren Bärbel einen Brief, dass etwas nicht mehr stimme. Sie solle auf sich aufpassen. Und ich würde sie vorerst nicht mehr besuchen. Sie könnte sich aber jederzeit melden. Seit diesem Tag im August habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt.
Ich war wieder an meine Seele angekoppelt. Ich traute wieder meinen inneren Gefühlen und Empfindungen.
Wie schön sind diese ganzen Führungen der Geistigen Welt! Was tut Gott über seine Helfer nicht alles, um eine einzige Seele zu retten. Und in diesem ganzen geschilderten Fall ging es um meine. Ich war verloren, aber jetzt bin ich wieder gefunden worden. Genau so, wie es im weltbekannten Lied „Amazing Grace“ besungen wurde. Ich war verloren und wurde wiedergefunden und gerettet. Ich war blind, doch kann ich wieder sehen. Und dann hatte ich genau dieses Lied in meiner Wohnung aufgelegt, hatte lauthals am Abend, als ich Bärbel den Abschiedsbrief geschrieben hatte, dieses Lied gesungen. Und genau in dem Moment, als das Lied vorbei war, als ich aufgehört hatte, zu singen, - ja, ich sang wieder - flog eine Sternschnuppe am nächtlichen Himmel vorbei. Und was für eine große Sternschnuppe. Und dass sie aufwärts flog, fiel mir an diesem Abend gar nicht auf. Was für ein heiliger Moment. Ich war gerettet. Diese ‚Sternschnuppe‘ war der Segen Gottes, der meine Erfahrungen der letzten Jahre heilte und liebevoll über meine Wunden strich.
Die Erkenntnisse
Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber leben muss man es vorwärts. (Sören Kierkegaard)
Das Schlimmste nach dieser Zeit war die Erkenntnis, was ich alles habe mit mir machen lassen. Dann kam eine Zeit, in der ich einen solchen Zorn auf mich bekam, wie gering meine Selbstliebe und meine eigene Würde gewesen war. Niemand sonst hätte sich als Luzifer betiteln lassen und es dann auch noch geglaubt. Niemand auf dieser verflixten Erde.
Niiiiieeeeeeemand. Welche entwürdigenden Dinge habe ich mit