Heimat-Heidi 34 – Heimatroman. Stefanie Valentin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefanie Valentin
Издательство: Bookwire
Серия: Heimat-Heidi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740965662
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gewesen war, hatten sie sie bald in ihr Herz geschlossen und nichts auf sie kommen lassen.

      Kurz vor ihrem zwanzigsten Hochzeitstag war Franz dann von heute auf morgen krank geworden. Er war in tiefe Depressionen verfallen und alle Versuche, ihn da wieder herauszuholen, waren letztendlich umsonst gewesen, Franz war eines Mittags nicht zum Essen erschienen und drei Tage später hatte man seine Leiche in einer nahegelegenen Klamm gefunden, in die er sich gestürzt hatte; Kinder hatten die beiden keine gehabt.

      Anna hatte damals das Marterl aufstellen lassen, was kaum wer verstanden hatte, schließlich hatte der Franz ja seinem Leben selbst ein Ende gesetzt.

      »Die Tante Anna ist eine herzensgute und gleichzeitig sehr gescheite Frau gewesen«, hatte Ralf, kurz bevor er verstorben war, zu ihr gesagt. »Wenn… wenn du ins Allgäu fährst, dann besuchst ihr Marterl. Wenn du davorstehst, dann schaust hinauf in den Himmel und sagst, was du empfindest. Aber geh’ bitt’ schön gleich hin, ich mein’, du…, aber du wirst schon wissen, was ich meine, wenn du da bist.«

      Christiane hatte vermutet, sie solle zum Anna-Marterl gehen, bevor sie zum Notar nach Oberstdorf geladen war und als Heidis Wagen aus ihrer Sicht verschwunden war, stand sie auf und stellte sich gerade vor das eher unscheinbare Marterl und sah es an, schließlich wartete Ralf auf irgendeine Reaktion von ihr.

      Doch so sehr sie das Marterl auch ansah, es tat sich nichts in ihr, sie spürte nichts, sie hatte keinerlei Regung, ja, sie dachte nicht mal an Ralf und hatte keinerlei Ahnung, was er gemeint hatte, als er sagte, sie solle ihm ihre Empfindung mitteilen.

      Christiane geriet einen Moment lang in Panik, doch das legte sich rasch wieder, und als kurz darauf Heidi zurückkam, merkte man Christiane nichts an.

      »Wo kann man denn hier mal hingehen?« fragte sie. »Ralf ist zwar erst zwei Wochen tot, aber ich hock’ mich deswegen nicht zu Hause hin und schau’ die Wände an. Das hätt’ Ralf nie gewollt und ich hab’ meine Zeit mit ihm verbracht, als er noch lebte, ich schätz’ mal, daß das wichtiger war.«

      »Sollen wir uns nicht duzen?« Heidis Vorschlag kam unvermittelt. Deshalb fügte sie hinzu: »Ich hab’ das Gefühl, als wenn ich dich schon Jahre kennen würd’. Vielleicht, weil ich meinen Mann, Peter hat er geheißen, damals auch so jung verloren hab’. Ich hab’ damals sehr um ihn getrauert, aber auf meine Art. Ich hab’ mich auch nicht wehmütig in eine Ecke setzen können, bin vielmehr überall aufgetaucht, daß sich meine Bekannten nachher gefragt haben, was mit mir los ist.«

      »Ich… ich hab’ irgendwie das Gefühl, ich müßt’ was nachholen«, sagte Christiane. »Ich hab’ Ralf eher zufällig kennengelernt. Er war schon krank und ich hab’ ihn bewundert, wie er mit seiner Krankheit umgegangen ist. Aber ich…, es tut mir leid, ich hab’ ihn nicht geliebt. Das hat er bestimmt gewußt. Wir sind uns nie… wie soll ich es sagen, wir haben nie miteinander geschlafen oder sonstwie Zärtlichkeiten ausgetauscht, das wär’ bei Ralfs Krankheit auch gar nicht möglich gewesen, aber wir haben uns super verstanden, im wahrsten Sinn des Wortes.«

      »Du mußt dich nicht entschuldigen«, erwiderte Heidi, »ich find bewundernswert, was du getan hast.«

      Christiane schüttelte sofort den Kopf. »Da war nichts bewundernswert. Ralf war bewundernswert. Er hat sich nie beklagt und er hat nie auch nur ein Wort über sich verloren. Er hat Pläne gemacht, aber nicht weil er die Wahrheit nicht kannte, sondern weil es seine Art war.« Ganz verstohlen wischte sie sich eine Träne weg.

      »Ich wüßt’ wo du hingehen könntest«, sagte Heidi in das plötzliche Schweigen hinein.

      »Wohin…?«

      »Auf dem Schafner-Hof findet eine Riesenfete statt«, antwortete die fesche Bergerhof-Wirtin. »Man erwartet hundert oder noch mehr Gäste.«

      »Aber da kann ich doch nicht einfach hingehen.«

      »Doch«, erwiderte Heidi, »man kann. Es wird sogar ausdrücklich gewünscht.«

      »Das versteh’ ich jetzt nicht.«

      »Also, die Fete veranstaltet die Gundi mit ihren Freunden«, erklärte Heidi. »Ursprünglich ging’s darum, daß sie einem Burschen imponieren wollt’, aber inzwischen hat sich die Idee der Fete verselbständigt. Man hat alles, was Geld kostet, gestiftet bekommen und verlangt pro Person zwanzig Mark Eintritt. Alles Geld wird nachher einem gemeinnützigen Zweck gestiftet. Also, ich werd’ mich dort auch mal sehen lassen.«

      »Echt…?«

      Heidi nickte. »Na klar.«

      »Dann komm’ ich mit«, sagte Christiane.

      »Ich kann aber nicht lange bleiben«, sagte Heidi.

      »Wie lang’ ich bleibe, entscheide ich dann kurzfristig«, erwiderte Christiane. »Wenn ich erst mal da bin, ist alles möglich. Vom gleich wieder nach Hause fahren, bis zum bleiben bis zum nächsten Morgen…!«

      *

      »Bitte nehmen Sie Platz…!« Notar Rudolf Blader lächelte Christiane freundlich an. »Sie haben Ihren Personalausweis dabei?«

      Das hübsche Mädchen nickte, zog den Personalausweis aus ihrer Handtasche und gab ihn dem in Oberstdorf und Umgebung sehr bekannten Notar.

      Der machte sich einige Notizen, dann lächelte er Christiane freundlich an und gab ihr den Ausweis zurück.

      »So, Frau Gregorius«, begann er, während er einen versiegelten Umschlag aufbrach, »Sie sind zur Testamentseröffnung Ihres kürzlich verstorbenen Gatten eingeladen.«

      »Entschuldigen Sie bitte«, unterbrach Christiane Rudolf Blader, »aber müssen wir auf sonst niemand warten?«

      Der Notar schüttelte den Kopf. »Nein, Sie sind die Einzige im Testament ihres Mannes Erwähnte. Wir müssen auf niemand warten.«

      »Aber… aber der Ralf hatte Geschwister und Eltern und…!«

      »Wenn Ihr Mann sie nicht im Testament bedacht hat, dann müssen sie nicht eingeladen werden«, erwiderte Blader. »Liebe Frau Gregorius…!«

      Christiane verzog das Gesicht, wehmütig sah sie vor sich auf den Schreibtisch. »Das… die Anrede höre ich zum ersten Mal, nachdem der Standesbeamte mich so angesprochen hat.«

      »Sie kannten Ihren Mann nicht sehr lange…?«

      »Doch, wir kannten uns zwei Jahre, befreundet waren wir dann ein Jahr und… na ja, verheiratet waren wir in der Tat nicht sehr lange.«

      Notar Blader lächelte. »Wenn es so ist, müssen Sie Ihrem Mann sehr viel bedeutet haben.«

      Das hübsche Mädchen nickte. »Ja, ich glaub’ schon, daß Ralf mich gemocht hat.«

      »Wenn ich seinen Worten glauben darf«, erwiderte Blader, wobei er lächelte, »dann waren Sie seine große Liebe…!«

      Christiane schluckte. »Hat… hat Ralf das gesagt?«

      Der Notar nickte. »Ja, das hat er.« Dann wurde er ernster. »Er hat aber auch gewußt, daß Sie nicht das gleiche für ihn empfunden haben. Um so mehr hat er zu schätzen gewußt, daß sie ihm ganz nah gewesen sind. Er hat gesagt, sonst würde er das alles nicht so locker über die Bühne bringen. Das waren seine eigenen Worte.«

      »Oje, Ralfi«, murmelte Christiane. Sie konnte nicht verhindern, daß eine Träne über ihr Gesicht rann, die sie jedoch rasch abwischte.

      Rudolf Blader wartete einen Moment, dann lächelte er Christiane noch mal freundlich an und sagte: »Ich werd’ dann mal beginnen. Das heißt, wenn es Ihnen recht ist, werde ich auf das Verlesen des Testaments verzichten, sondern Ihnen erklären, was es für Sie bedeutet.«

      Christiane nickte. »Das ist mir recht.«

      »Zuerst einmal übergebe ich Ihnen einen Brief Ihres Gatten«, Blader schob einen Briefumschlag über den Tisch, »er hat ihnen persönlich geschrieben. Dann übergebe ich Ihnen die verschiedenen Schlüssel und…!«

      »Schlüssel?« Christiane sah Blader fragend an.