„Vielleicht sollte ich es mit Erotik versuchen“, murmelte sie, als sie die Szene erneut las. Eine schwüle Sexszene, in der die Kleidungsstücke nur so flogen. „Puh.“ Sie fächelte sich Luft zu, draußen schneite es, aber hier drinnen fühlte es sich an wie auf einer tropischen Insel.
Seltsamerweise sah der männliche Protagonist aus wie Don. „Der Typ ist sexy, aber ein Idiot“, murmelte sie. „Andererseits ist das die ideale Kombination für so eine Story.“ Bilder von Don wanderten durch ihren Kopf. Wie er sich, Kaugummi kauend, zufrieden in seinem Stuhl zurückgelehnt hatte. Die langen Beine von sich gestreckt, Daumen in die Hosentaschen eingehakt. Der Mann hatte sie mehrmals von oben bis unten gemustert.
Sabrina wurde warm bei dem Gedanken. Vor allem, wenn sie sich das vorstellte, was sie eben geschrieben hatte. Don. Nackt. In ihrem Bett.
„Wenn er nicht so von sich selbst überzeugt wäre, könnte er mich in Versuchung bringen.“
Sie starrte den Bildschirm an. Normalerweise schrieb sie Liebesromane, aber diese Szenen waren zu heiß dafür. Die Geschichte zu sehr von der sexuellen Anziehungskraft dominiert.
„Ich habe nicht genug Sex.“
Wieder fächelte sie sich Luft zu.
„Tu es für dich, nicht für deine Bücher. Dummerchen“, sagte Daniela. Sie lehnte sich in dem Stuhl zurück und sah Sabrina über den Rand ihrer Tasse an. „Nicht alles muss gut für deinen Beruf sein. Manchmal reicht es, wenn es gut für dich ist.“
„Ich glaube nicht, dass Don gut für mich ist. Der Typ ist total von sich eingenommen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Außerdem kann mich das meinen Job kosten. Der Deutschunterricht ist zurzeit das Einzige, womit ich Geld verdiene.“
„Immer noch die Schreibblockade?“
„Nicht mehr. Dafür schreibe ich jetzt Pornos.“
„Siehst du. Genau davon rede ich. Du hast zu wenig Sex. Kaum triffst du einen Mann, der dich auf der körperlichen Ebene anzieht, zeigt dein Unterbewusstsein sofort, was du brauchst. Sex. Ohne Bindungen. Ohne Verpflichtungen.“
„Ich habe verstanden.“ Sabrina hob die Hand, um den Redefluss ihrer Freundin zu stoppen. Ihr war schon heiß und die Bilder, die Danielas Worte hervorriefen, waren weder jugendfrei noch geeignet als Material für ihren nächsten Roman.
„Also, was hast du vor?“
„Nichts. Ich werde Don weiterhin Deutschunterricht geben. Mehr nicht.“
„Mehr nicht? Bist du verrückt? Du lernst einen Mann kennen, der gut gebaut ist, super aussieht und eine tolle Zeit im Bett verspricht. Und das lässt du dir entgehen?“
„Wer sagt, dass er gut im Bett ist? Das ist nur eine Vermutung.“
„Man könnte meinen, du wärest sechzig. So vernünftig bist du.“
„Daniela, ich muss Geld verdienen. Eine Affäre, die meine einzige Einkommensquelle bedroht, kann ich mir nicht leisten.“
„Wie du meinst. Dann also nur Arbeit. Kein Vergnügen.“
„Das ist der Plan.“
18
„Nie rufst du mich an!“
Don zog eine Grimasse. Zum Glück hatte seine Mutter keine Skype-Kamera und konnte ihn nicht sehen. „Ich habe es gestern versucht“, log er. „Außerdem ist es mit der Zeitverschiebung nicht so einfach. Jedes Mal, wenn ich daran denke, dich zu kontaktieren, passt es von der Zeit her nicht.“
„Alles Ausreden.“ Auch ohne sie zu sehen, wusste Don, dass seine Mutter eine wegwerfende Handbewegung machte. „Wie gefällt es dir in Deutschland?“, fragte sie. „Hast du dir schon Schloss Neuschwanstein angesehen?“
„Nein. Ich bin noch nicht dazu gekommen. Ich war damit beschäftigt, mich einzuleben und zu trainieren.“
„Vergiss deinen Sport. Deutschland ist ein Land mit einer jahrhundertealten Kultur. So etwas findest du in den Staaten nicht. Also mach es wie jeder Tourist und schau dir das Land an.“
„Das werde ich, Mom. Aber es muss nicht in der ersten Woche sein.“
„Ich kenne dich“, fuhr seine Mutter fort. „Du denkst den ganzen Tag nur an Baseball und nicht daran, zu leben. Was ist mit den Frauen? Gibt es jemanden, der dich interessiert?“
„Nein. Ich habe keine Zeit für so etwas.“ Wieder eine Lüge. Aber das Letzte, was er tun würde, war, seiner Mutter von seiner Sprachlehrerin zu erzählen.
„Niemand kennt dich dort, nicht wahr?“
„Natürlich nicht. Die Deutschen habe keine Ahnung von Baseball.“
„Diese Auszeit könnte gut für dich sein. Das ist möglicherweise die Chance, jemanden zu finden, der sich in dich verliebt und nicht in deinen Status.“
„Mom, du klingst wie ein schlechter Therapeut.“
„Ich meine es ernst. Ich glaube, du hast nur deshalb keine richtigen Beziehungen, weil du nie weißt, ob eine Frau an dir oder deinem Status interessiert ist.“
„Tut mir leid, aber ich muss jetzt gehen. Das Training fängt in einer halben Stunde an und bei dem Verkehr hier kann ich froh sein, wenn ich es in einer Stunde schaffe.“
„Na gut. Aber rufe mich wieder an. Wenn ich in zwei Tagen nichts von dir höre, fliege ich nach Deutschland.“
Don unterbrach die Verbindung. Er hatte ein schlechtes Gewissen, denn in diesem Gespräch hatte er öfter gelogen als die Wahrheit gesagt. Er mochte seine Mutter, aber sie konnte es nicht lassen, ihm vorzuschreiben, wie er sein Leben führen sollte. Allein der Gedanke, sie könnte nach Deutschland kommen, ließ ihn schaudern. Nein, er würde sie morgen noch anrufen und sich dann mehr Zeit für das Gespräch nehmen. Vielleicht konnte er die Unterhaltung auf unverfängliche Themen lenken.
Don stand auf, um sich ein Bier zu holen und mit dem abendlichen Ritual des Channel Hoppings zu beginnen. Deutsches Fernsehen trieb ihn noch immer zur Verzweiflung, aber manchmal zeigten sie einen Film, den man sich ansehen konnte.
Er wollte nicht darüber nachdenken, was seine Mutter gesagt hatte. Sie hatte unrecht, wenn sie dachte, in den USA wären die Frauen nur an seinem Promistatus interessiert. Er brauchte keine Frau, die in ihn verliebt war und ihm vorschrieb, was er zu tun und zu lassen hatte. Ihm gefiel sein Lebensstil. Er war ungebunden, konnte Sex haben, mit wem er wollte, und führte genau das Leben, das er sich vorstellte. Zumindest wenn er nicht in Deutschland war.
19
„Sabrina, du bist zu spät!“ Ihre Mutter stand im Türrahmen und sah sie vorwurfsvoll an. Es war exakt zwei Minuten nach zwölf. Bei anderen Familien wäre das nicht tragisch, aber in ihrer Familie war es gleichbedeutend mit einem Skandal.
Jeden Sonntag, pünktlich um zwölf Uhr, stand das Essen auf dem Tisch.
„Tut mir leid. Ich weiß nicht, was heute los war, der Verkehr war mörderisch.“ Sie hauchte ihrer Mutter einen Kuss auf die Stirn und ging ins Esszimmer. Dort saßen bereits ihr Vater, ihre Großmutter und ihre Schwester an dem großen, ovalen Tisch.
„Hi, Schwesterlein. Mal wieder zu spät?“ Marion, ihre ältere Schwester, hob spöttisch die Augenbrauen.
„Du wohnst im gleichen Haus, da ist es keine Kunst, pünktlich zu sein“, konterte Sabrina.
„Kinder, kein Streit“, sagte ihre Mutter automatisch.
„Hallo Papa.“ Sabrina beugte sich hinunter und gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange. Dann begrüßte sie ihre Großmutter.