Die großen Western 113. Robert Ullmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Ullmann
Издательство: Bookwire
Серия: Die großen Western
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959792752
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sieh dir das an«, hörte man Kerrigan ruhig sagen.

      Costontino beugte sich vor und betrachtete die knochigen Hände des Spielers, aus denen die Fäuste Kerrigans jeden Blutstropfen pressten.

      Die unterste Karte schaute um ein Viertel unter dem Spiel hervor, sie war vom kleinen Finger vorgeschoben worden. Daumen und Zeigefinger der gebenden Hand hielten den Rand dieser Karte noch fest. Diese Karte hätte der Gambler sich selbst gegeben.

      »Von unten gegeben«, knurrte Costontino, der in diesem Augenblick wusste, dass er nie begreifen würde, wie Otis es fertigbrachte, so blitzschnell zuzufassen. Es konnte nicht anders sein, als dass Otis Kerrigan nicht nur jede noch so schnelle Bewegung des Spielers genau erfasste, sondern dass er auch haargenau ausgerechnet hatte, wann er zugreifen musste, um den Mann so eindeutig zu überführen.

      Die Lippen des Spielers begannen zu zittern, seine Augen hetzten über das harte Gesicht Kerrigans und flackerten hoch zu den Augen des Sheriffs. Der zweite Spieler saß wie zur Salzsäule erstarrt daneben und wagte sich nicht zu rühren. Aus dem Hintergrund tönte drohendes Gemurmel. Jemand sprach von Aufhängen.

      Costontino sagte: »Lass ihn los, Otis, du quetschst ihm die Hände ab. Lege die Karte um.«

      Kerrigan, dessen Karten von oben gekommen waren, hatte gar keinen Wert. Die des Spielers waren eine Sequenz, die höchste, die es im Poker gab. Kreuz-Ass, die Zehn, der König und die Dame. Der Bube hatte ihm das Genick gebrochen.

      »Steh auf und hebe die Hände!«, befahl Costontino. Der Spieler trug einen doppelläufigen Derringer in einer Achselschlinge. Als der Sheriff seinen rechten Jackenärmel hochschlug und eine raffiniert konstruierte Stahlfeder sichtbar wurde, die um den Unterarm gelegt war und einen zweiten Derringer hielt, begannen die Männer zu knurren.

      Ein Faustschlag traf den Spieler auf den Mund. Ein Tritt ließ ihn stöhnend zusammenbrechen. Der Sheriff hob ihn auf und schrie: »Zurück, Boys! Wer den Mann anrührt, bekommt es mit mir zu tun. Macht Platz. Sie, Mann«, redete er den zweiten Spieler an, »haben zehn Minuten Zeit, die Stadt zu verlassen. Wenn ich Sie nach dieser Frist noch hier antreffe, geht es Ihnen schlecht. Ihr lasst den Mann in Frieden, verstanden?«

      Costontino brachte den verhafteten Spieler hinaus. Die johlenden Männer wollten ihm folgen, und Kerrigan wusste genau, was das bedeutete.

      »Stopp!«, rief er, und die Männer drehten sich langsam um. »Das ist nicht eure Sache. Es ist eure Schuld, wenn es diese Hyänen überhaupt gibt. Spielt nicht mit ihnen, dann werden sie sich andere Dumme suchen. Jim, hier, nimm dein Geld und jetzt komm mit.«

      Es konnte nicht der Kaffee allein gewesen sein, der Jim Sainer nüchtern gemacht hatte. Verlegen trat der Rotschopf von einem Bein aufs andere, nahm sein Geld entgegen und knurrte etwas in sich hinein.

      Draußen blieb Kerrigan im Nebel stehen und musterte den Cowboy, der wie eine Ginquelle duftete.

      »Du hast zehn Minuten Zeit, Jim. Leders Store ist noch geöffnet. Sally ist etwas molliger geworden. Hoffentlich passt ihr das Kleid noch.«

      Da verzerrte sich das Gesicht des Jungen zu einem breiten Grinsen. Er hieb Otis die Faust auf die Schulter, stieß einen wilden Schrei aus und stürmte in den Nebel.

      Wenig später kam der Spieler, der Jim das Geld abgewonnen hatte, heraus. Er warf Kerrigan einen hasserfüllten Blick zu, bestieg sein Pferd und verschwand.

      *

      Vor der Tür des Sheriffbüros stand ein fremder Reiter, der auf Costontino gewartet zu haben schien. Er griff grüßend an den Hutrand.

      »Hallo, Sheriff, mein Name ist Lacy McCollough«, sagte er. »Ich möchte Sie sprechen.«

      Costontino nickte kurz und wollte mit einer auffordernden Handbewegung an ihm vorbei auf seine verschlossene Tür zugehen. Der kleine Spieler stand in Handschellen neben ihm. Aber etwas in den Augen des hünenhaften Reiters hielt Costontino zurück. Mit raschem Blick musterte er den Mann, tastete alles ab, was an ihm von Bedeutung war.

      Der Texaner war so groß wie Otis Kerrigan. Überhaupt erinnerte Costontino vieles an ihn, an den Vormann der Double-X-Ranch. Da waren die gleichen kühnen, ruhigen Augen, der gleiche Ausdruck des hartlippigen Mundes und der Ausdruck der Wachsamkeit und des Misstrauens.

      Unter dem fadenscheinigen grauen Kattunhemd spannten sich Muskelpartien. Aber eines zog den Blick des Sheriffs mit magischer Gewalt an – der Waffengurt des Fremden. Es war der gleiche schwarze geölte Büffelgurt, den auch Kerrigan trug. Aus dem Halfter ragte der Kolben eines schweren Colts. Der Kolben berührte den herunterhängenden Arm des Texaners genau zwischen Ellenbogen und Handgelenk. Der Fremde trug staubige Handschuhe. Seine Kleidung war mit dem rotbraunen Staub der Ralstonwüste bedeckt.

      Er schloss die Tür auf und stieß den Falschspieler hinein. Draußen entzündete er eine Lampe.

      »Augenblick, Mr McCullough, ich muss erst diesen Galgenvogel einsperren.«

      Als er zurückkam, stand der Fremde am Fenster und blickte hinaus in den milchigen Nebel. Costontino stellte die Lampe auf den Schreibtisch, stützte beide Ellbogen auf die Tischplatte und blickte hoch.

      »Bitte, ich stehe zur Verfügung.«

      Der Fremde drehte sich um.

      »Man sagte mir, dass Sie die Liste der Wettkampfteilnehmer führen.«

      »Das stimmt. Möchten Sie eingetragen werden?«

      »Ich bitte darum.«

      Costontino holte die Liste aus der Schublade und tauchte umständlich einen Federhalter in Tinte.

      »Bitte, setzen Sie sich, Mr McCullough. Sie sind der hundertelfte. Ho, das ist einen Drink wert! Im Waffenschrank sind Flasche und Gläser. Welche Wettkämpfe nehmen Sie?«

      McCullough nahm die Flasche und zwei Gläser aus dem Waffenschrank.

      Er sagte: »Alle, außer Schießen!« Costontino starrte den breiten Rücken des Texaners an.

      »Außer Schießen?«, fragte er langsam. »Warum?«

      Lacy McCullough sah ihn ruhig an, schenkte die Gläser ein und schob eins zum Sheriff hinüber, der die Zigarette hinlegte und das Glas hob.

      Schweigend tranken sie, dann reichte der Fremde dem Sheriff Feuer. Durch die Ramme blickten sie sich an.

      Jetzt erst antwortete der Texaner.

      »Ich habe genug geschossen, Sheriff.« Costontino überlegte. Hatte er diese Worte nicht schon einmal gehört?

      Der Fremde drehte das Glas zwischen den Fingern und betrachtete den Rest des blutroten Whiskys. Dann stellte er das Glas hin.

      »Wo kann man hier ein Zimmer bekommen?«

      »Das wird schwer sein. Haben Sie schon gefragt?«

      Der Fremde nickte. »Die wenigen Hotels sind belegt. Ich meine, privat.«

      »Auch das wird aussichtslos sein. Sie können im Gefängnis schlafen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Das heißt, solange eine Pritsche frei ist. Ich habe in solchen Tagen immer viel zu tun, und jedes Jahr ist das Jail brechend voll. Vielleicht haben Sie Glück.«

      Der Fremde lächelte freundlich.

      »Es ist nicht das erste Mal, dass ich im Jail schlafe, Sheriff. Keine Sorge, wenn ich in einer Zelle landete, dann nur für einige Tage. In Texas ist die Luft so trocken, wie der Whisky feucht ist.«

      Costontino lächelte.

      »Verstehe. Ich mache gegen Mitternacht meinen letzten Rundgang und lege mich dann aufs Ohr.«

      »Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich mich gleich hinlegen. Ich habe einen weiten Ritt hinter mir und bin sehr müde.«

      Costontino erhob sich.

      »Wie Sie wollen. Ich fürchte, dass man versuchen wird, den Falschspieler da drinnen zu lynchen. Eine Frage. Suchen Sie einen Job? Ich könnte einen Hilfssheriff gebrauchen.«

      »Ich