Schamparadies. Sina Ahlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sina Ahlers
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783961194735
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      Ein Mädchen beobachtet ihre Mutter beim Schlafen.

      Sie ekelt sich ein bisschen vor dem schwachen Tier.

      Das übrig bleibt.

      Wenn es nichts zu schaffen gibt.

      VERA

      (flüstert) Ich hab von unserer toten Katze geträumt.

      Sie kann sich wohl noch nicht von uns trennen.

      Jetzt ist sie schon ein Jahr tot.

      In meinem Traum schläft sie senkrecht an einer Hauswand.

      Als sie mich sieht, fällt sie mich an.

      Ich erschrecke, aber nicht genug um aufzuwachen.

      Sie beißt sich an mir fest und legt sich dann um meinen Hals.

      Wie am ersten Tag, als wir sie vom Bauern geholt haben.

      Plötzlich fährt ihr etwas rein.

      Eine Ahnung.

      Von einer Gefahr.

      Und jagt mir aus dem Arm.

      Am Ende ihres Lebens war sie ja blind geworden, hat uns kaum mehr gekannt.

      Das muss einen furchtbar schreckhaft machen, wenn man nicht aus sich herausschauen kann, in vertraute Augen rein.

      Die Mutter schreckt hoch.

      MUTTER

      Wie lange sitzt schon da?

      VERA

      Nicht lang!

      Stellt eine Schale Milch an die Balkontür.

      MUTTER

      Du beobachtest mich?

      VERA

      Als du geschlafen hast, hat deine Nase eine Melodie gepfiffen.

      Die war ganz schön.

      MUTTER

      Hättest mich wecken können.

      VERA

      Und die Melodie?

      Die Mutter setzt ein frisches Gesicht auf.

      VERA

      Hast du was geträumt?

      MUTTER

      Hab ich denn was gesagt?

      VERA

      Laut und deutlich.

      Dass mir mein Kleid kurz geworden ist.

      MUTTER

      Das soll ich gesagt haben?

      In den letzten drei Jahren bist du kaum noch gewachsen.

      VERA

      Das war dein Traum, nicht meiner.

      Besorgst du mir nun ein neues Kleid?

      MUTTER

      Wir kaufen nichts, bis wir was wissen.

      VERA

      Wie lang soll das noch dauern?

      MUTTER

      Nächste Woche sitzen wir auf der Straße, wenn uns nichts einfällt.

      Vera stößt die Schale Milch um.

      Und flüchtet.

      Fauchen einer Schwanenmutter.

      MATTHIAS

      Ich halte die Leere kaum aus.

      FERDI

      Willst du schon aufgeben? Nur ein paar Jahre noch, bis die Leute mit dem Kanal aus der Stadt gespült werden. Du bist der beste Koch, den ich kenn, Matthias.

      MATTHIAS

      Ich hab aus Versehen eine Distanz eingenommen. Die Arbeit ists nicht nur. Ich wills nicht allein darauf schieben. Oder aufs Erwachsensein mit zunehmender Verantwortung. Man soll über sich hinauswachsen mit den Taten. Aber es kommt mir zwielichtig vor. Als hätt jemand einen Ausdruck entworfen, die Strapazen in eine Tugend zu verwandeln. Die Kultur bringt mich noch um.

      Matthias zieht sich seine Jacke an.

      FERDI

      Hau nicht wieder ab. Du hängst dich an was auf.

      MATTHIAS

      Ich geh nur spazieren.

      FERDI

      Ja. Ja.

      MATTHIAS

      Da ist der Wald so schön.

      FERDI

      Was soll ich davon halten?

      MATTHIAS

      Ich habe dich oft gefragt, ob du mit rüberkommst.

      FERDI

      Höchstens, um den Mädchen beim Schwimmen zuzuschauen.

      MATTHIAS

      Was?

      FERDI

      Ich mags, wenn sie voll sind mit Wasser. Wenn sie überall glänzen. An den sekundären Geschlechtsmerkmalen und so weiter. Das ist was.

      MATTHIAS

      Bist du dir sicher mit der Fantasie?

      Zwei Mädchen flanieren scheinheilig.

      Münder verschmiert.

      Haben sie was gerissen?

      Fettiges Haar.

      Fauler Atem.

      Ungewaschene Genitalien.

      Beulen im Körper.

      Stechender Blick.

      Ausgestochene Wangen.

      Kleidung auf halbmast.

      MASCHA

      (seufzt) Hach …

      TINE

      (seufzt) Hach ja …

      Fokussieren Vera am Ufer. Schleichen sich an.

      MASCHA

      (seufzt) Jaja …

      TINE

      (seufzt) Soso …

      Wetzen los.

      Verbergen sich hinter einem Gebüsch.

      MASCHA

      Jetzt hör aber auf!

      TINE

      Ich? Du!

      MASCHA

      Das nennst du flanieren?

      TINE

      Ich hab sie zuerst gesehen.

      MASCHA

      Und die Abmachung dahin.

      Wir wollten uns ein Mal Zeit lassen.

      TINE

      Ich hab was gewittert.

      MASCHA

      Schön.

      TINE

      Ihr Körper riecht wie ein Körper.

      Das ist lang her.

      MASCHA

      Du jagst den Leuten immer einen Schrecken ein mit deiner Lust.

      Die holen wir uns leise.

      TINE

      Wie schön sie ist.

      MASCHA

      Du brauchst einen Job.

      Die Langeweile macht dich übergeil.

      TINE

      Ich bin nicht zum Arbeiten gemacht.

      Das weißt du.

      MASCHA

      Wer