Grenzgänger. Peter C. Burens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter C. Burens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783905896442
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mit der Gabel im Zwiebelkuchen. Mit Appetit verspeist er eine Salade Vosgienne. Verlangt nach einem Glas Wasser statt des roten Burgunders, den die meisten Männer ab Vierzig favorisieren.

      ‹Das Savoir vivre ist heute nicht mein Ding›. Nach schlaflosen Nachtstunden kämpft er gegen zunehmende Erschöpfung.

      Mit ‹Ein Gutes hat die Müdigkeit ja›, stimmt er sich für seinen Auftritt am Abend positiv. ‹Das Sprechtempo reduziert sich von allein. So kann der vorproduzierte rote Zettel mit dem Appell SPRICH LANGSAM getrost in der Jacke stecken bleiben.›

       Zettelkästen

      Vor Beginn der Abendveranstaltung noch flugs zur Toilette. Er liebt den Ort der Stille und Entschleunigung, bevor sich der Vorhang auf einer Bühne öffnet. Dieses Ritual ist für ihn Teil jedes öffentlichen Auftritts.

      Noch einmal den psychischen und körperlichen Druck abbauen, durchatmen, Hände waschen. Zugleich den Fokus auf das richten, was ansteht.

      Ein Blick in den Spiegel. Die polierte Kopfhaut mit beiden Händen dehnend, die Augen mit Wasser befeuchtend. An den Schläfen und am Hals entfalten bei Reisen gehortete Erfrischungstücher ihre belebende Wirkung.

      ‹Au Backe, der Binder fehlt.› Ein Schreck fährt ihm in die Glieder. ‹Muss noch im Koffer liegen. Und der ist im Hotel. Verflixt noch mal.› Er hadert mit sich und der häuslichen Schlampigkeit.

      Bei einer Rede vor Geographen hätte ihm der krawattenlose Auftritt nichts ausgemacht. Solchen nehmen die meisten seiner Kollegen als völlig normal hin. Eine gewisse Erdverbundenheit, Ungezwungenheit, auch Nonkonformität werden in der Regel mit Wohlwollen quittiert.

      Bei dem Historikertreffen in Verdun könnte ein Fehlen des Accessoires allerdings als Affront gewertet werden. Dies ist ihm schmerzlich bewusst. ‹Da brauche ich erst gar nicht den Mund aufmachen. Die Großordinarien der Zunft machten Hackfleisch aus mir.›

      Was aber tun? Er kann den Eklat schwerlich verhindern. Stehenden Fußes muss er in den Saal, in zwei Minuten ist er an der Reihe. Die Uhr über der Eingangstür tickt.

      Schweiß perlt aus allen Poren. Er wischt die Stirn mit den Handrücken ab, so recht und schlecht es eben geht. Gebückt schleicht er zum angestammten Platz.

      Beim Nähertreten fällt sein nervöser Blick auf den Berichterstatter von Le Monde. Dessen weißrot gestreifte Krawatte erheischt Respekt.

      ‹Soll er?› Ein Gedanke schießt ihm durch den Kopf. Nonchalant spricht er den Journalisten an. «Excusez-moi, Monsieur. J’ai un problème grave …» Schon wechselt der Gegenstand seiner Begierde den Besitzer.

      Blauer Leinenanzug, weißes Hemd, dazu der geliehene Binder. Der Gast aus Deutschland empfindet sich als ‹très chique›, dem Anlass entsprechend. ‹Wer sonst tritt hier in den französischen Nationalfarben an?›

      «Haben Sie sich einmal Ihre Schuhe angesehen?», gibt ihm der fürsorgliche Pariser als Wink mit auf den Weg. Dazu zwei, drei Papiertücher für die Grobreinigung. «Sie waren heute früh im Gelände unterwegs? Machen Geographen ja oft und gern.»

      Schlag 18.30 Uhr. Die Glocke der Sitzungspräsidentin drängt Platz zu nehmen.

      Die Dutt, wie sie wegen ihres Haarknotens und eines nur von Insidern aussprechbaren Doppelnamens in Fachkreisen genannt wird, hat den Vorsitz der abendlichen Versammlung inne, gegen namhafte männliche Konkurrenz erobert.

      Als Erstes muss sie die deutsche Ministerin entschuldigen, die sich wegen dringender Dienstgeschäfte auf den Heimweg begeben habe. «Ich soll Sie herzlich grüßen. Glauben Sie mir: Der Abschied ist ihr nicht leichtgefallen.»

      Die Dutt taxiert ihr Publikum über den oberen Rand der gescheckten Hornbrille, verordnet sich eine Kunstpause. Dann kommt sie zum Inhaltlichen.

      «Wenn wir als Geschichtswissenschaftler, egal ob Frau oder Mann, die gesellschaftliche Relevanz unseres Fachs unter Beweis stellen wollen, dann müssen wir überkommene Grenzen negieren und Anregungen für innovative Forschungsansätze von Dritten aufgreifen.»

      Die Historikerin vervollständigt. «Wir sollten mehr interdisziplinär arbeiten, dabei unterschiedliche Sichtachsen fruchtbar machen.» Transnationale Kooperationen, wie sie in Verdun zum Ausdruck kämen, seien heute eine «conditio sine qua non».

      Auch deshalb unterstütze die international tätige Versicherungsgesellschaft HAPPY LIFE den Kongress als Hauptsponsor. «Der Vorstandsvorsitzende des Konzerns, Honorarprofessor Felix Braun, ist zugegen und bei uns gern gesehen!»

      Anschließend stellt die Dutt die Literaturgeographie als einen erst kürzlich an Universitäten akkreditierten Studiengang vor. Persönlich sei sie nicht sicher, ob sich das Fach etabliere. Eventuell bestehe die Gefahr, dass es zu einer Art Heimatkunde degeneriere, ein pädagogisches Wurzelwerk à la Eduard Spranger Urstände feiere.

      Bei der Vita des 51-jährigen Gastes begnügt sie sich zunächst mit dem summarischen Hinweis auf rund sechzig mehr oder weniger achtbare Veröffentlichungen, darunter Monographien, Buch- und Zeitschriftenbeiträge. Er lehre in Augsburg, der Geburtsstadt des Dramatikers Bertold Brecht. Somit habe er einen fast exklusiven Zugang zur Verflechtung von Geist und Raum.

      Seiner Habilitationsschrift Der Wandel der Kulturlandschaft am westlichen Hunsrückrand widmet sie das Hauptaugenmerk. Ihr komme für den heutigen Abend insoweit eine Bedeutung zu, als sich das Thema des anstehenden Vortrags hieraus ableite: Lothringen – Wo Natur und Literatur sich auf engstem Raum verbinden.

      Nach zwanzigminütiger Einführung übergibt die Sitzungspräsidentin das Wort an den Gastredner, unter Verwendung einer bewährten Floskel. «Mit großer Freude darf ich Sie zu mir auf das Podium bitten.»

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