Der kleine Fürst 254 – Adelsroman. Viola Maybach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Viola Maybach
Издательство: Bookwire
Серия: Der kleine Fürst
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740957049
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war, denn ihr war tatsächlich übel gewesen, übel vor Angst. Aber heute musste sie das Haus verlassen, sie konnte sich hier nicht verstecken. Also musste sie ihre Mutter davon überzeugen, dass es ihr wieder gut ging. Sie würde sagen, sie hätte etwas Falsches gegessen. Ja, das war gut, das konnte schließlich jedem mal passieren.

      Die Dusche wurde abgestellt, ihre Mutter war fertig. Alina blieb mit geschlossenen Augen liegen, versuchte weiterhin, ihren Atem zu beruhigen, ihre Panik in den Griff zu bekommen. Wie gern hätte sie sich jemandem anvertraut, aber wie sollte das gehen? Wem sollte sie sagen, was sie getan hatten? Sie konnte sich die Reaktion Erwachsener auf eine solche Eröffnung leicht vorstellen, darauf verzichtete sie lieber. Wenn man sie freilich schnappte, erfuhren es sowieso alle, und sie landeten darüber hinaus auch noch im Gefängnis, daran zweifelte sie nicht. Nun kamen ihr doch die Tränen, dabei durfte sie jetzt nicht weinen, denn jeden Moment konnte ihre Mutter die Tür öffnen, um nach ihr zu sehen.

      Als das fünf Minuten später tatsächlich geschah, waren Alinas Augen wieder trocken.

      »Geht’s dir besser?«, fragte Mareike Hachmeister besorgt. »Ich war heute Nacht einige Male bei dir, du hast sehr unruhig geschlafen.«

      »Es geht mir viel besser, Mama«, antwortete Alina. »Bestimmt habe ich nur was Falsches gegessen.« Sie richtete sich auf, schwang die Beine aus dem Bett.

      »Willst du zur Schule gehen? Ich dachte, du bleibst vielleicht besser einen Tag zu Hause, bis du wieder richtig fit bist.«

      »Aber das bin ich, wirklich. Du musst dir keine Sorgen mehr um mich machen.« Alina stand auf. »Alles in Ordnung, Mama, ganz bestimmt.

      Mareike wirkte erleichtert. »Ich denke ja immer gleich, es ist meine Schuld, weil dir unsere Scheidung auf den Magen schlägt.«

      »Das hast du gestern schon gesagt, aber es stimmt nicht. Ich dusche jetzt erst einmal.«

      »Und dann frühstücken wir«, sagte Mareike. »Oder hast du noch keinen Appetit?«

      »Doch«, log Alina und schlüpfte ins Bad.

      Sie ließ sich Zeit unter der Dusche, genoss das Gefühl, dass das warme Wasser alles fortspülte, was ihr zu schaffen machte. Wenn ich einen Zauberstab wie Harry Potter hätte, dachte sie, würde ich die Entführung ungeschehen machen.

      Sie hatte ein schlechtes Gewissen, denn sie war dafür gewesen, Stephanie von Hohenbrunn zu entführen. Der hübsche Blonde mit den grünen Augen hatte mit Stephanie geflirtet, statt mit ihr, und sie war deshalb eifersüchtig gewesen und hatte Stephanie Schlechtes gewünscht. Das war kein netter Zug, sie schämte sich aufrichtig deswegen. Leider war es für solche Gefühle jetzt zu spät.

      Als sie aus dem Bad kam, war der Frühstückstisch fertig gedeckt. Ihr blieb noch eine halbe Stunde, bis sie sich auf den Weg zu Daniel machen musste. Obwohl sie das Gefühl hatte, keinen Bissen hinunterzubringen, griff sie nach einem Toast und bestrich ihn mit Butter und Marmelade. Als sie hineinbiss, stellte sie fest, dass sie tatsächlich Hunger hatte.

      Ihre Mutter beobachtete sie lächelnd und stellte fest: »Jetzt glaube ich dir, dass es dir wieder gut geht.«

      Alina lächelte auch, während ihre Schuldgefühle immer größer wurden. Sie hatte, gemeinsam mit ihren Freunden, nicht nur etwas Schreckliches getan, sie belog und täuschte darüber hinaus ihre Mutter, die es auch ohne das gerade schwer genug hatte.

      Wie sollte sie das nur jemals wieder gut machen?

      *

      »Du kommst mir nervös vor«, sagte Frederik Monheim, während er seinen Kaffee trank. »Und überhaupt: Wieso bist du denn schon wach? Normalerweise wecke ich dich, bevor ich gehe – heute bist du noch vor mir aufgestanden, obwohl du gestern Abend, als ich kam, noch wach warst. Ist etwas Besonderes los? Macht dir etwas zu schaffen?«

      »Nein, wirklich nicht«, erwiderte Daniel. »Ich konnte nur einfach nicht schlafen. Das habe ich manchmal.«

      »Vielleicht wegen der vielen Polizeisirenen«, sagte Frederik nachdenklich. »Das ging ja noch eine ganze Zeitlang weiter, als wir schon längst im Bett lagen. Komische Geschichte. Ich habe schon im Internet nachgesehen, auch im Fernsehen, aber es gibt keine Erklärung für diesen nächtlichen Polizeieinsatz. Alle hüllen sich auffällig in Schweigen. Da muss ein ganz großes Ding gedreht worden sein.«

      »Was meinst du denn damit?«, fragte Daniel.

      »Ein Anschlag vielleicht.«

      »Aber bei einem Anschlag werden doch die Medien immer sofort informiert! Bei einem Überfall auch. Da wird die Bevölkerung gewarnt und um Hinweise gebeten.«

      »Stimmt«, gab Frederik zu. »Ich weiß es auch nicht, Daniel, aber vielleicht haben meine Kollegen mehr Informationen.«

      »Oder unsere Lehrer«, sagte Daniel.

      Frederik leerte seine Tasse. »Ich bin spät dran«, stellte er fest, aber es klang nicht, als wäre er deshalb beunruhigt. »Ich glaube, Lorene verändert mein Leben. Irgendwann höre ich wahrscheinlich auf, im Büro morgens immer der Erste zu sein.«

      »Musst du ja auch nicht«, sagte Daniel. »Du bist schließlich lange genug morgens der Erste gewesen.«

      »Das hat Lorene neulich auch gesagt.« Frederik war schon an der Tür, hielt dort aber noch einmal inne: »Du magst sie doch, oder?«

      »Ja, ich mag sie.«

      Frederik lächelte. »Das ist schön«, sagte er. »Bis heute Abend, Junge.«

      »Bis heute Abend, Papa.«

      Leise vor sich hin pfeifend machte sich Frederik auf den Weg, ohne auch nur im Entferntesten zu ahnen, wie sehr Daniel dadurch unter Stress geraten war, dass sein Vater das Haus zum ersten Mal seit Jahren einige Minuten später als sonst verlassen hatte.

      *

      Miriam Bauer und Arndt Stöver hatten vier Stunden geschlafen. Um sechs Uhr saßen sie schon wieder an ihren Schreibtischen und fanden Neuigkeiten von der Spurensicherung vor. Nach einem Telefongespräch sagte Arndt: »Die sind schon vor Ort, lass uns sofort hinfahren.«

      Eine Viertelstunde später erreichten sie die Sackgasse, durch die Stephanie von Hohenbrunn normalerweise von der Klavierstunde aus nach Hause ging. Sie fanden mehrere Kollegen von der Spurensicherung bei der Arbeit.

      »Hier hat ein Wagen gestanden«, sagte Kevin Lederer, der das Team leitete.

      Er sah wie ein Boxer aus mit seiner leicht schiefen Nase und dem kompakten Körper, an dem vor allem die kräftigen Arme und der breite Oberkörper auffielen. Er trug die dichten braunen Haare kurz, seinen flinken blauen Augen schien nichts zu entgehen. »Hier, sehen Sie? Da kann man die Reifenprofile ziemlich deutlich erkennen.«

      »Aber hier stehen doch vermutlich öfter Wagen, oder nicht?«

      Kevin Lederer deutete auf zwei Verkehrsschilder.

      »Absolutes Halteverbot«, sagte er trocken, »und zufällig weiß ich, dass hier häufig kontrolliert wird. Am Ende der Sackgasse ist nämlich eine Feuerwehrausfahrt, daher das Halteverbot. Ansonsten ist das hier ein ziemlich totes Eck, die Sackgasse wird wenig genutzt, außer eben von der Feuerwehr. Oder ab und zu von Fußgängern, die aus der Parallelstraße kommen, über diesen schmalen Weg da vorn, und die dann die Sackgasse als Abkürzung benutzen, wie Stephanie von Hohenbrunn. Aber das dürfte nicht allzu häufig vorkommen.«

      »Können Sie etwas über den Wagen sagen?«

      »Noch nicht, aber wir sind dran. Wir haben auch noch einen Tropfen Öl gefunden und dann das hier.« Er hielt einen Plastikbeutel hoch, in dem sich gut sichtbar ein langes, pechschwarzes Haar befand.

      »Stephanie von Hohenbrunn hat rotbraune Haare«, stellte Miriam fest. »Prinz Christians sind dunkel, aber nicht so dunkel und auch nicht so lang. Also könnte das ein Haar ihres Entführers sein?«

      »Wenn er nicht gerade einen Pferdeschwanz trägt, eher ihrer Entführerin«, erwiderte Kevin.

      »Wie bitte?«, riefen