Tod einer Bikerin. Klaus Heimann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Heimann
Издательство: Bookwire
Серия: Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958131958
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auf Anfang. Untersteh dich, mir auf irgendeine Weise ins Handwerk zu pfuschen. Ich sorge dafür, dass sie dir die Pension kürzen!«

      »Hört sich tatsächlich an, wie ein Rausschmiss«, stellte ich beleidigt fest.

      Erichs Blick wurde weich. »Entschuldige bitte, Sigi. Stress. Purer Stress. Du ahnst nicht, was hier los ist. Im Mordfall Wasserbahnhof ist eine neue Spur aufgetaucht. Der muss ich jetzt parallel zum Fall in Werden nachgehen.«

      Der Wasserbahnhof liegt in der Nachbarstadt Mülheim. Dort ist an einer Schleuse Endstation für die Weiße Flotte, Ausflugsschiffe, die auf der Ruhr und dem Baldeneysee verkehren. Ganz in der Nähe hatte man eine tote Frau am Ufer gefunden. Letzten Herbst müsste das gewesen sein.

      »Ich kann beurteilen, wie dir zumute ist. Dafür war ich lange genug selbst in der Pflicht zu liefern.«

      »Da ist was falsch bei dir angekommen. Aber …« Erich fiel nichts mehr ein.

      »Vorschlag zur Güte: Deine Frau holt dir einen von ihrem wunderbaren Kaffee und du schüttest mir dein Herz aus. Ich halte unterdessen die Schnauze. Versprochen.«

      »Nee. Muss sofort weiter. Ein Kollege wartet auf mich. Wollte nur diese Papiere hier abwerfen. Tschüss Sigi. Andermal.«

      Im Nu war Erich verschwunden.

      »Der ist aber durch den Wind. Nimmt er das mit nach Hause?«

      Möhrchen nickte. »Und ob. Kaum wiederzuerkennen, mein Mann.«

      »Ich will dann mal. Wir bleiben in Kontakt. Deine Handynummer habe ich ja. Falls mir etwas einfällt oder ganz zufällig vor die Füße klatscht.«

      »Ist wohl besser, wenn du gehst. Sollten möglichst wenige mitkriegen, dass du hier warst.«

      Wir standen im selben Moment auf und nahmen uns vorm Kopf der Schreibtische in die Arme.

      Ich drückte Möhrchen etwas fester als es mir eigentlich zustand an mich.

      »Arme Kleine. Arbeitsstress mit nach Haus zu bringen, ist für die anderen immer eine blöde Situation. Lotte kann bestimmt ein Lied davon trällern.«

      »Das darfst du laut sagen. Sei bitte vorsichtig, Sigi. Versprich mir das.«

      »Versprochen. Bis demnächst.«

      Ich gab die kleine Rote frei und verließ das Büro, in dem ich so viele Stunden verbracht und etliche Fälle gelöst hatte. Ein wenig sentimentaler, als ich hergekommen war.

      Einen Moment zögerte ich, weitere Ex-Kollegen im Polizeipräsidium aufzusuchen. Ein Besuch bei unserem Spuren-As Hartmut Dreute war letztlich zu verlockend. Ich wusste genau, dass er seine Quizleidenschaft bei der Weitergabe von Informationen gegenüber einem aus dem Dienst Ausgeschiedenen noch extremer ausleben würde. Zu aktiven Zeiten hatte er mich regelmäßig mit seiner Eigenheit, Fakten nie direkt, sondern in einer Art Ratespiel auf den Tisch zu bringen, genervt. Nun ja, es lagen Jahre dazwischen. Vielleicht waren meine Nervenstränge im Ruhestand dicker geworden. Die Geduld mit diesem Knispel würde sich bestimmt lohnen.

      Ich traf Hartmut in seinem Kellergelass an. Sein Haarkranz war in den letzten Jahren vollständig ergraut. Durch die Aschenbechergläser seiner Brille musterte er mich beim Hereinkommen, als wäre ich eine übersinnliche Erscheinung. Wie ein Uhu sah er aus.

      »Ich schmeiß mich weg. Der Sigi!«

      »Tag Hartmut. Ich komme gerade zufällig hier vorbei und denke mir so: Wie mag es den alten Kollegen gehen? Bei Erich und Möhrchen war ich schon. Mein Nachfolger ist mächtig im Stress wegen dieser Sache in Werden. Keine Minute hatte der Zeit für mich. Da dachte ich mir: Besuch den Hartmut, der ist wesentlich gelassener in seinem Job. Wie geht es denn so?«

      Der Überrumpelte schüttelte seine Überraschung schnell ab.

      Er reagierte sofort auf den hingehaltenen Knochen.

      »Ja, ja. Die Tote in Werden. Du hast bestimmt Zeitung gelesen? Ihren Macker mussten sie laufen lassen.«

      Ich überlegte kurz, ob ich erwähnen sollte, dass ich Arnfried Nußbaum kannte, ließ es jedoch bleiben. Ich war hier, um den Kollegen anzuzapfen, nicht, um ihn in meine Pläne einzuweihen.

      »Erich schwimmt scheußlich, was?«

      »Das zu beurteilen, steht mir nicht zu. Ich mache hier meine Arbeit, die da oben ihre.«

      Kam mir bekannt vor. So hatte es Hartmut immer gehalten.

      »Warst du am Tatort?« Hoffentlich bemerkte er mein Lauern nicht.

      Das Spuren-As wechselte unvermittelt das Thema. Das gehörte zu seiner Spielart des Quiz dazu. »Wie geht es Lotte? Und Lucy?«

      »Danke der Nachfrage. Beiden geht es prächtig.«

      »Hat Lucy denn jetzt ihren Doktor?«

      »Ja. Tatsächlich. Unsere kleine Lucy. Sie hat kurz darauf eine Stelle an der Uni ergattert. Am Lehrstuhl für Kunstgeschichte. In vier Wochen zieht sie mit ihrem Freund in eine größere Wohnung.«

      »Da ist Papa bestimmt eingeplant. Auf so einen Top-Handwerker können sie bei einem Umzug bestimmt nicht verzichten.«

      Hartmut spielte mit dieser Bemerkung ironisch auf meine beiden linken Hände an. Dass ich so Etliches damit vermasselt hatte, war bis ins Polizeipräsidium vorgedrungen. Leider.

      »Natürlich werde ich den beiden helfen. Ehrensache.«

      »Wann hört Lotte auf mit Arbeiten?«

      »Ein gutes Jährchen hat sie noch. Dann wird sie mit dreiundsechzig vorzeitig in Rente gehen. Die Abzüge nimmt sie in Kauf. Irgendwann ist es genug. Wie lange musst du deine Kniften noch zum Dienst tragen?«

      »Das dauert. Auf alle Fälle bleibe ich bis zum Schluss.«

      Hörte ich da ein wenig Frust heraus?

      Hartmut Dreute war vor ewigen Zeiten die Frau weggelaufen. Nicht zuletzt wegen seiner Vorliebe für aufgespießte, tote Schmetterlinge. Seine Frau hatte es wahrscheinlich nicht mehr ausgehalten in seinem Schmetterlings-Mausoleum. In seiner Bude hing oberhalb der Türen Glaskasten neben Glaskasten. Außer im Bad. Eine neue Partnerin würde beim ersten Betreten dieser Höhle bestimmt auf dem Absatz kehrtmachen.

      Die Einsamkeit setzte Hartmut wahrscheinlich zu und sein Leben zwischen den Schmetterlingsleichen machte ihn noch kauziger, als er es von Natur aus schon war. Ein armer Tropf. Aber einer, wie man ihn sich kaum besser für einen Spurensicherer vorstellen konnte.

      Ich unternahm einen Versuch, das Gespräch auf mein Thema zurückzulenken: »Wie geht es dir denn? Hast du viel Arbeit mit eurem aktuellen Fall?«

      Harmut stieg in mein Spielchen ein. »Was meinst du wohl, wie es Wochen nach der Verhaftung bei mir aussieht?«

      »Also steht es eher mau mit Arbeit.«

      »Das will ich nicht sagen …«

      »Gibt es denn noch anstehende Untersuchungen?«

      »Nicht unbedingt.«

      Ich spielte den Gelangweilten. »Aha. Dich beschäftigt etwas. Ein Umstand, eine Spur, die du nicht deuten kannst. Lass mich damit zufrieden. Solche Dinge sind für mich Geschichte.«

      Mein vorgetäuschtes Desinteresse traf ins Schwarze.

      »Ich kann mir einfach nicht erklären, wie ein Mörder einen Tatort absolut spurlos verlassen kann. Irgendetwas muss ich übersehen haben.«

      »Wenn es doch der war, den sie gestern rausgeschmissen haben, dann ist für mich sonnenklar, dass hauptsächlich er und das Opfer die Wohnung mit Spuren eingedeckt haben.«

      »Der war es aber nicht. Keine noch so winzige Schmauchspur haben wir auf seiner Haut und an seinen Klamotten gefunden. Außerdem haben wir bis heute keine Tatwaffe entdeckt. In der Wohnung nicht, im Haus nicht, auf dem Grundstück nicht, in der näheren Umgebung nicht.