Hier begann eine Kapitulation, welche ich weglasse, weil ich mich nicht verbunden erachte, solche der Länge nach anzuführen. Genug, daß eine ganze Viertelstunde über ihrer Schließung hingebracht wurde, worauf sich die Parteien in den dicksten Teil des Wäldchens begaben.
Einige von meinen Lesern mögen geneigt sein diesen Vorfall für unnatürlich zu halten. Gleichwohl hat die Sache ihre Richtigkeit und vielleicht läßt sie sich hinlänglich erklären, wenn man annimmt, daß Jones wahrscheinlicherweise dachte, ein Frauenzimmer sei besser als gar keins, und Molly ebenso wahrscheinlicherweise der Meinung war, zwei Männer wären besser als nur einer. Der Leser wird auch die Güte haben, zum besten unsers Jones sich zu erinnern, daß außer den vorangeführten Beweggründen seiner jetzigen Aufführung er auch wirklich in diesem Augenblicke nicht Herr von der wundermächtigen Gewalt der Vernunft war, welche weise und ernsthafte Männer so geschickt macht, ihre unbändigen Leidenschaften zu bezähmen und alle Anwandlungen von dergleichen verbotenen Gelüsten von sich abzulehnen. Der Wein hatte jetzt alle dergleichen Macht und Gewalt in unserm Jones weggeschwemmt, wie in allgewaltigen Wassern der Sintflut! Er war wirklich in einem Zustande, worin die Vernunft, hätte sie sich obgleich nur als Ratgeberin ins Mittel legen wollen, leicht eben die Antwort erhalten können, welche ein gewisser Kleostratus bereits vor vielen Jahren einem einfältigen Gesellen gab, der ihn fragte: ob er sich nicht schäme, betrunken zu sein? »Schämst du dich nicht,« sagte Kleostratus, »einem betrunkenen Menschen etwas vorzuwerfen?« – Die Wahrheit zu sagen, muß zwar in bürgerlichen Gerichten Betrunkenheit für keine Entschuldigung gelten; dennoch ist es eine vor dem Gerichte des Gewissens. Deswegen denn Aristoteles, welcher die Gesetze des Pittakus lobt, nach welchen ein Betrunkener doppelte Strafe für sein Verbrechen erlitt, dennoch eingesteht, daß dieses Gesetz sich mehr auf Polizei als auf Gerechtigkeit gründe. Da nun aber manche Vergehungen der Trunkenheit wegen zu entschuldigen sind, so gehören gewiß diejenigen darunter, in welche jetzt unser Jones verfiel; über welchen Satz ich eine große Menge von Gelehrsamkeit auskramen könnte, wenn ich dächte, daß solches meine Leser belustigen oder irgend etwas lehren könnte, was sie nicht bereits wissen. Ihretwegen also will ich meine Gelehrsamkeit lieber nicht auspacken und wieder auf meine Geschichte kommen.
Man hat die Beobachtung gemacht, daß das Glück eine Sache selten nur halb thue: und es ist wahr, ist es einmal in der Laune, jemand etwas zu Gefallen oder zuwider zu thun, so nimmt es mit seinem Hisse Bissen kein Ende. Nicht so bald also hatte sich unser Held mit seiner Dido auf die Seite begeben,
Speluncam Blifil, dux et divinus eandem
Deveniunt –
Wo mit dem göttlichen Helden auch Blifil zu eben derselben Höhle gelangte – –
als der geistliche Herr Schwöger und der Junker Blifil, welche einen ernsthaften Spaziergang zusammen machten, bei der Höhe ankamen, über welche man steigen mußte, um in das Wäldchen zu kommen, und der letzte einen Blick von den Verliebten erhaschte, gerade als sie aus dem Gesichtskreise verschwinden wollten.
Blifil erkannte seinen Jones sehr gut, obgleich in einer Entfernung von ein paar hundert Schritten; und ebenso gewiß war er in Ansehung des Geschlechts seiner Begleiterin, obwohl nicht in Ansehung ihrer eigentlichen Person. Er stutzte, entsetzte sich und sagte ein paar Stoßgebete vor sich hin.
Schwöger bezeigte sein Verwundern über diese plötzliche Gemütsbewegung und fragte nach ihrer Veranlassung. Worauf Blifil antwortete: er sei gewiß, er habe einen Kerl und ein Weibsbild ins Gebüsch schleichen sehen, und zweifle nicht, daß solche auf bösen Wegen gingen. Was Jones' seinen Namen anbetrifft, so hielt er für ratsam den zu verschweigen, und das warum? müssen wir dem Urteil des einsichtsvollen Lesers überlassen; denn wir mögen nicht gern Ursachen für die Handlungen der Menschen anführen, solange noch die geringste Möglichkeit vorhanden ist, daß wir uns dabei irren können.
Ehrn Herr Schwöger, der nicht nur sehr streng keusch für seine eigene Person, sondern auch ein großer Feind des entgegengesetzten Lasters bei andern war, geriet bei dieser Nachricht in Feuer und Flammen. Er begehrte, Herr Blifil solle ihn augenblicks zu dem Platze hinführen: und so wie sie hingingen, stieß er Schmähreden und Klaglieder aus; auch enthielt er sich nicht auf den Herrn Alwerth einige Seitenhiebe fallen zu lassen, indem er zu verstehen gab, das Sittenverderbnis des Landes sei hauptsächlich eine Folge davon, daß er die Gottlosen in ihrer Bosheit dadurch bestärkte, daß er einem Bastarde so liebreich begegnet sei und die heilsame Strenge des Gesetzes gemildert habe, welches den unzüchtigen Weibsbildern eine harte Züchtigung auferlegt.
Der Weg, den unsre Jäger nehmen mußten, um ihr Wildbret zu verfolgen, war dergestalt mit Dorngesträuchen verwachsen, daß es ihnen sehr beschwerlich fiel, hindurchzukommen, und nebenher machten sie auch ein solches Geräusch, daß Jones dadurch hinlänglich von ihrer Annäherung Warnung erhielt, ehe sie ihn überrumpeln konnten; ja, Schwöger war auch wirklich so wenig fähig, seinen heiligen Eifer zu verbergen, und solche Rache drohte er bei jedwedem Schritte mit vernehmlicher Stimme, daß Jones dadurch überflüssig überzeugt werden mußte, man habe ihn (nach Weidmannssprache) im Kessel gerahmt.
Elftes Kapitel.
Ein Gleichnis in einer von Popens meilenlangen Perioden als Vorbereitung zu einer so blutigen Schlacht, als nur jemals ohne Beihilfe des Stahls oder kalten Eisens ausgefochten werden kann.
Zur Zeit der Brunft (ein hartes Wort, jedoch der wahre und ehrenvolle Kunstausdruck, um das süße Liebeln und Lübeln unter den edelsten Bewohnern der hohen Wälder zu bezeichnen, welches der gemeine Mann, auf Gefahr des Weidmessers, Brunst zu nennen pflegt) wenn der hochgekrönte Hirsch auf seine sultanischen Freuden ausgeht und sich ein paar Stöber oder andre Tiere von feindseligem Rufe dem Tempel der Venus Ferina so weit nähern sollten, daß die schöne Hindin, gerührt von dem etwas, sei es Furcht oder Schalkheit, Scheu oder Schamhaftigkeit, womit die Natur jedes weibliche Geschöpf geschmückt, oder wenigstens es gelehrt hat, sich damit zu zieren, damit nicht wegen des Ungestüms des Männleins die Sameanischen Mysterien von unheiligen Augen belauscht werden: denn bei Feierung dieser Gebräuche pflegt die Priesterin mit jener beim Virgil (welche damals nach aller Wahrscheinlichkeit eben in voller Arbeit war, die heiligen Mysterien zu feiern) auszurufen:
– Procul, o procul este profani;
Proclamat vates, totoque absistite luco.
– Fern, fern, hinweg von hier, Profane!
Hinweg den Blick von diesem Wäldchen! schrie laut die Sybille.
– Ich sage, wenn diese heilige Feier, welche von allem, was lebt und liebt, und liebt und lebt, als allgemein heilig begangen wird, eben zwischen dem hochendigen Hirsch und seiner Geliebten gerade im Werke ist und ein feindseliges Tier sich zu nahe hinzuwagen sollte und die zartscheue Hindin das geringste Zeichen des Schreckens darüber merken läßt, stolz und furchtbar stürzt er hervor, der hochgekrönte Edelhirsch, hin bis an die äußerste Grenze des Brunstplatzes; da steht er kühn und wacht über seine Liebe, stampft den Boden mit seinen Läufen, schwingt sein Geweihe in der Luft und fordert mutbeseelt den von seiner Geliebten gefürchteten Feind zum tötlichen Kampf heraus.
So, und fürchterlicher noch, sprang unser Held hervor, als er die Annäherung des Feindes vermerkte. Manchen Schritt that er vorwärts, um die scheue Hindin zu verhehlen und womöglich ihren Rückzug zu decken. Und nun, nachdem Schwöger erst einige schwefelgelbe Blitze aus seinen stieren Augen geschossen, begann er loszudonnern. »Pfui, pfui, junger Herr! Ist es möglich, daß ich Sie so antreffe!« – »Sie sehen,« antwortete Jones, »daß es möglich ist, denn ich bin hier.« – »Und wer,« sagte Schwöger, »ist das gottlose Weibsstück, das Sie da bei sich haben?« – »Wenn ich ein gottloses Weibstück bei mir habe,« schrie Jones, »so ist's möglich, daß ich Sie's nicht wissen lasse, wer sie ist!« – »Ich befehl' Ihnen, es mir den Augenblick zu sagen,« sagte Schwöger, »und Sie müssen sich nicht einbilden, junger Mensch, daß Ihr Alter, ob es gleich den Zwang des Unterrichts nicht so viel mehr bedarf, Sie aller Macht und Ansehens des Lehrers entzieht. Das Verhältnis des Lehrers und Schülers ist unzerstörbar, so gut wie alle