Das gute Weib fühlte nicht so bald das Gold in ihrer Faust, als sich ihr Zorn (so mächtig wirkend ist diese Panacee) zu mildern anfing. »Aber, Mann!« sagte sie, »warste ooch nicht 'en rechter Pinselstiel! nicht e'mal zu frag'n, was för'n Tienst 's war, eher'n für Tochter Molly annahmst? Wer weiß, ob's net in'ner Küch'n is? Wie's Tochter Mahry sagt'. Un, ja wahrhaftig, zem Aschenbröd'l iß se mir doch ooch ze saur geworden, uf te Welt ze setz'n. Tänn, so arm ich pin, so stammte 'ch toch von wohl kuter Vammilje. Obschons, weil mein Vatter, das ein geistlicher Djaknus war, mir keine große Brautschatzung nachließ; Gott hab'n selig! als er starb hatt er net so viel, taß mirr'n kaum unner de Erde pringen konnt'n – ja, so wollt' ich sag'n, taß ich mich so wegwerf'n mußt, 'en armen Schlucker von Jäger zu frei'n: so trag' ich mein' Nas' toch eb'n so hoch, als all solch vornehm Volks. Sieh doch, daß dich te Hunde nich peissen! Se thäte pesser, Vröle Western, wenn s' nich so dick thäte, und pedächt, wer tänn er Kroßvatter war. Kewisse Leute, von unser Vammilje sollt 'ch meenen, konnt'n wohl in Gutsch un Karreten fahren, wenn te Kroßvätter von andren, tie nun's krosse Maul hab'n, ver petz post lohren gingen. Je, meen Treu! meent, wohl Wunder, was se kethan hat, taß se uns tie alte Fahne von Kleed schickte. Mancher von mein'r Vamilje hätt solch'n Bettel nich von'r Kassen ufkehob'n; aber an armen Leut'n will all's die Füße wischen! – Tie Kirchleut brauchten's och nich so 'n Spektakel über Molly ufzehüb'n. – Hätts tem Pack wohl sagen könn'n, Kind, tas dein Frau Kroßmama viel pess're Kleeder trug; un alles bar von d'r Ellen. Sie dah!«
»Nun, gut!« schrie Jakob, »aber denk' nur drauf, was soll ich dem Fräulein für Antwort bringen?« »Antwort? hem, was ze Antwort da!« sagte sie; »ich wees keene! Er führt seine Vamilje immer so, taß te Ochsen an Berge stihn. Weist's noch, als du's Feldhuhn stipitztest? Riet ich tir nicht, sollst dich für Junker Westers Wildzahn hüten? Sagt' ich's tir net manch lebes Jahr voraus, wie's keh'n würd'? Aber da bestund 'r uf sein'n tummen sechs Sinnen! Ja, ja! that's du's nicht? Du – Lotterbub, du. –«
Der schwarze Jakob war, im ganzen genommen, eine friedliche Haut von Kerl, und gar nicht hastig oder jähzornig: doch trug er sich so mit etwas herum, das die Alten glubtückisch nannten; und welches seine Frau, wenn sie mit mehr Weisheit begabt gewesen wäre, gefürchtet haben würde. Er hatte aus langer Erfahrung bemerkt, daß, wenn der Sturm anfing heftig zu werden, alle seine vernünftigen Vorstellungen nur als Winde wirkten und ihn eher wütender machten, als daß sie ihn legen sollten. Er ließ sich deshalb selten ohne eine kleine Haselgerte finden, ein niederschlagendes Mittel, dessen wundervolle Kraft er aus öftern Versuchen kannte, und über dessen nötige Anwendung ihm das Wort Lotterbube einen Naturwink zu geben schien.
Dies Symptom hatte sich also nicht so bald hören lassen, als er unverzüglich zum Gegenmittel griff; es ging nun freilich damit wie mit allen sehr wirksamen Arzneien, und es schien das Uebel nur ärger zu machen; allein es brachte doch bald eine gänzliche Stille hervor und verhalf der Patientin zu einer völligen Ruhe.
Bei alledem ist dies doch so eine Art von Pferdekur; es gehört eine sehr starke Konstitution dazu, um sie an sich probieren zu lassen, und ist daher auch nur für den gemeinen Mann, es sei denn in dem einzigen Falle, wenn das Vornehmere von Herkunft zum Ausbruch käme. In einem solchen Kasu würde es nach unsrer Meinung mit Fug und Sicherheit von jedem Ehemanne, ohne Unterschied des Standes, anzuwenden sein, wenn nicht die Operation an sich selbst so niedrig wäre, daß sie (sowie gewisse andre, nach Verordnung des Arztes, von denen man nicht einmal gerne spricht) die Hände, die sich damit abgeben, so sehr erniedrigt, daß kein Mann, der auf Ehre hält, den bloßen Gedanken an etwas so Gemeines und Abscheuliches ausstehen kann.
Die ganze Familie war sehr bald wieder in einen völlig ruhigen Zustand versetzt; denn die Kraft dieser Medizin wird oft, gleichwie die Kraft der Elektrizität, durch eine Person vielen andern mitgeteilt, die selbst die Maschine nicht berührt haben. Die Wahrheit zu sagen, entsteht bei mir ein Zweifel, ob nicht beide Kräfte, da sie beide durch Friktionen operieren, etwas Analoges haben sollten? und Herr F. würde wohl thun, sich hiervon überzeugen zu lassen, bevor er die nächste Edition seines Buches über die Elektrizität herausgäbe.
Nunmehr ward der geheime Rat gehalten, in welchem, nach vielen Debatten, Molly darauf beharrte, daß sie nicht in Dienste gehen wollte, und also endlich der Schluß gefaßt wurde, Frau Seegrim sollte selbst Fräulein Western aufwarten und die Stelle für ihre älteste Tochter zu erhalten suchen, welche eine große Bereitwilligkeit bezeigte, sie anzunehmen. Aber das Glück, welches dieser kleinen Familie gar nicht günstig schien, schob nochmals einen Riegel vor ihre Beförderung.
Zehntes Kapitel.
Herr Schickelmann, der Pastor loci, erzählt eine Geschichte. Junker Westerns Scharfsinnigkeit. Seine große Liebe zu seiner Tochter und in was Maßen sie solche erwidert.
Den nächsten Morgen ritt Tom Jones mit Junker Western auf die Jagd, und ward, als sie wieder nach Hause kamen, von diesem Herrn zum Mittagessen gebeten.
Die liebenswürdige Sophie strahlte diesen Tag mit mehr Munterkeit und Witz hervor als gewöhnlich. Ihre Batterie war ganz gewiß auf unsern Helden gerichtet; wiewohl ich glaube, daß sie sich ihrer Absicht kaum selbst bewußt war; wenn sie aber jemals willens war ihn zu bezaubern, so glückte es ihr heute.
Herr Schickelmann, der Prediger an Herrn Allwerths Pfarrkirche, war mit von der Gesellschaft. Es war ein gutmütiger, würdiger Mann; besonders aber war er merkwürdig wegen seines tiefen Stillschweigens bei Tische, ob ihm dabei gleich niemals der Mund stillstand. Kurz, er hatte den herrlichsten Appetit von der Welt. Indessen ward der Nachtisch nicht so bald abgenommen, als er allemal sein Stillschweigen wieder reichlich gut machte; denn er war ein sehr herziger Gesell, und sein Gespräch war oft unterhaltend, niemals beleidigend.
Bei seiner Ankunft, welche gerade zutraf, da man den Rindsbraten aufsetzte, hatte er zu verstehen gegeben, daß er eine Neuigkeit mitbrächte, und war im Begriff zu erzählen, daß er eben von Herrn Alwerths Hause herkäme, als der Anblick des Rindsbratens ihn verstummen ließ und ihm bloß erlaubte das Tischgebet zu sprechen, und zu erklären, er müsse dem Herrn Baron (denn so nannte er das Lendenstück) seine Ehrfurcht bezeigen.
Als die Mahlzeit zu Ende ging und er von Fräulein Sophie an seine Neuigkeit erinnert ward, hub er folgendergestalt an: »Ich glaube, gnädiges Fräulein, Ihro Gnaden haben gestern, beim Gottesdienst in der Kirche, eine junge Dirne bemerkt, welche in einen Teil von Ihrem ausländischen Flitterstaat gekleidet war; ich meine, ich hätte Ihro Gnaden wohl ehedem in so einem gesehen, indessen sind solche Kleidungen auf dem Lande
rara avis in terris, nigroque simillima cygno;
das heißt, mein gnädiges Fräulein, so viel, als:
Ein seltner Vogel auf unsrer Erde, und sehr ähnlich einem schwarzen Schwane.
Der Vers steht im Juvenal; aber, wieder auf das zu kommen, was ich erzählen wollte. Ich wollte sagen, solcher Putzstaat ist auf dem Lande ein seltsamer Anblick, und vielleicht hielt man ihn wegen der Person, die ihn trug, noch für um so seltsamer; denn es ist, wie man mir sagte, die Tochter des schwarzen Jakob, des gnädigen Herrn Junkers Wildmeister, den, nach meiner Meinung, sein Kreuz und Leiden mehr gewitzigt haben sollte, als seine Dirnen so üppiglich herauszukleiden. Das Ding machte eine solche Verwirrung in der Versammlung meiner Gemeinde, daß der ganze Gottesdienst dadurch würde gestört worden sein, wenn nicht noch Herr Alwerth die Ruhe wieder hergestellt hätte; denn ich hätte fast mitten in der ersten Abteilung meiner Predigt gestockt. Unterdessen, nichts destoweniger, nachdem ich meine Amtsverrichtung geendigt und ich die Kirche verlassen hatte, um nach Hause zu gehen, veranlaßte es eine Schlägerei, wobei, unter andern Freveln, einem reisenden Musikanten der Kopf arg zerschlagen wurde. Diesen Morgen kam der Musikant zu meinem Herrn