Henry Fielding
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings
Impressum
Covergestaltung: Steve Lippold
Digitalisierung: Gunter Pirntke
ISBN: 9783955012229
2014 andersseitig.de
andersseitig Verlag
Dresden
www.andersseitig.de
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Erstes Buch.
Enthält von der Geburt des Findelkindes so viel als nötig und schicklich war, zum Beginn dieser Geschichte dem Leser bekannt zu machen.
Erstes Kapitel.
Einleitung in das Werk, oder Küchenzettel zum Gastmahle.
Ein Schriftsteller muß sich nicht sowohl als einen wohlhabenden Mann betrachten, der ein häusliches oder mildthätiges Gastmahl ausrichtet, sondern vielmehr als einen Mann, der einen öffentlichen Speisetisch hält, an dem jedermann für sein Geld willkommen ist. Im ersten Falle gibt, wie bekannt, der Herr Patron des Gastmahls, was ihm selbst gefällt; und wäre das auch schlecht und nichts weniger als nach dem Geschmack seiner Gesellschaft, so dürfen seine Gäste doch nicht klagen; vielmehr zwingt sie die gute Lebensart, alles, was ihnen vorgesetzt wird, zu loben und gut zu finden. Bei einem öffentlichen Gastwirt aber verhält sich das Ding ganz umgekehrt. Leute, welche ihre Mahlzeit bezahlen, wollen ein für allemal ihren Gaumen befriedigen, so lecker und verwöhnt der auch sein mag; und wenn sie nicht ein jedes Gericht nach ihrem Geschmacke befinden, so wollen sie sich das Recht nicht nehmen lassen, zu tadeln und auf Wirt und Koch zu schelten und zu schimpfen.
Um also ihren Kunden keine Gelegenheit zu solchem Mißvergnügen zu geben, haben die ehrlichen und vorsichtigen Gastwirte den Gebrauch eingeführt, daß jeder Gast, wie er ankommt, auf einem Küchenzettel die Gerichte angezeigt findet, welche zu haben sind, damit er, nachdem er weiß, was die Küche vermag, entweder bleiben und sich mit dem, was da ist, gütlich thun, oder sich einem andern Tische, wo sich seine Zunge und sein Magen mehr Behagen versprechen, umsehen kann.
Da wir nicht zu stolz sind, von irgend einem Menschen Witz oder Weisheit zu borgen, der im stande ist, uns dergleichen zu leihen, so haben wir uns ganz bescheidentlich entschlossen, es diesen ehrlichen Speisewirten nachzumachen, und wollen nicht nur einen allgemeinen Küchenzettel von unserm ganzen Traktament im voraus geben, sondern wollen auch dem Leser von jedem Gange, so wie er in diesem und den folgenden Bänden zur Tafel gebracht wird, einen zur Uebersicht vorlegen.
Der Vorrat also, den wir hier zusammengebracht haben, ist nichts Anderes, als menschliche Natur. Auch fürchte ich nicht, daß mein verständiger Leser, wäre sein Geschmack auch noch so verwöhnt, darüber stutzig, mißvergnügt oder mir abspenstig werden wird, daß ich nur einen Artikel genannt habe. Die Schildkröte, wie der hoch-eß-weise Ratsherr von Bristoll aus vieler Erfahrung bezeugen kann, enthält, außer den höchst deliziösen Calipash und Calipee1 noch mancherlei Arten von genießbaren Gerichten; auch kann es einem geehrten Leser nicht unbekannt sein, daß in der menschlichen Natur, so wie solche hier unter einem allgemeinen Namen begriffen ist, sich eine solche unendliche Verschiedenheit befindet, daß ein Koch viel eher durch alle verschiedenen Gerichte aus dem Tier- und Pflanzenreiche sich hindurchkochen, als ein Schriftsteller diesen so reichen und mannigfaltigen Vorrat erschöpfen könnte.
Vielleicht sieht von dem zartest-gewöhnten Leser der Einwurf zu besorgen, daß diese Schüssel gar zu gemein und alltäglich sei; denn, was sonst anders ist der Gegenstand aller der Romane, Dramen und Gedichte, womit die Höckerbuden angefüllt sind? Der epikuräische Esser könnte manches vortreffliche Stück Essen verwerfen, wenn es, als gemein und alltäglich zu verrufen, schon damit genug wäre, daß es auch bei den elendesten Gar- und Sudel-Köchen unter eben dem Namen zu haben sei. In der That ist wahre Natur bei Schriftstellern ebenso rar und ebenso selten zu haben, als Bajonner Schinken und Bologneser Socisgen bei den Schlächtern.
Die Hauptsache aber, um bei einerlei Metapher zu bleiben, besteht in der Kochkunst des Autors, anzurichten; denn, wie Pope sagt: