»Glaubt Ihr?« fragte Zbyszko mit der Schlaftrunkenheit der Jugend und schlummerte, vom Ritte ermüdet, sich der Wand zukehrend, ruhig ein.
Am nächsten Tage begaben sich die beiden Edelleute aus Bogdaniec gemeinschaftlich mit Powala zur Frühmesse in den Dom, einesteils der Andacht wegen, andernteils aber auch, um den königlichen Hof und die Gäste zu sehen, die sich im Schlosse zusammengefunden hatten. Auf dem Wege traf Powala gar viele Menschen, die ihm bekannt waren, und unter ihnen eine große Anzahl von Rittern, weithin berühmt im In- und im Auslande. Zbyszko schaute voll Bewunderung auf alle, insgeheim das Gelübde ablegend, daß wenn seine Angelegenheit mit Lichtenstein glücklich ablaufen werde, er sich Mühe geben wolle, diesen an Tapferkeit und an allen andern Tugenden gleichzukommen. Einer von diesen Rittern, ein Verwandter des Kastellans von Krakau, kündigte ihnen die Neuigkeit an, daß ein Domherr, der zum Papste Bonifacius IX. mit einem königlichen Schreiben abgesandt worden war, um denselben zur Taufe nach Krakau einzuladen, von Rom mit der Kunde zurückgekehrt sei, der Papst wisse zwar noch nicht, ob er persönlich der Feier beiwohnen könne, doch werde er jedenfalls einen Gesandten bevollmächtigen, in seinem Namen das Kind, welches das Licht der Welt erblicken sollte, über die Taufe zu halten. Der Ritter habe auch dem Wunsche des Papstes Ausdruck verliehen, daß als Beweis von dessen besonderen Liebe für die königlichen Eltern dem Kinde der Name »Bonifacius« gegeben werde. Die baldige Ankunft des Königs Sigismund wurde auch besprochen. Man erwartete ihn mit Bestimmtheit, denn Sigismund kam stets geladen oder ungeladen an, sobald sich ihm die Gelegenheit zu einem Besuche, zu einem Gastmahle oder zu einem Turniere bot, da er in der Welt nicht nur als Herrscher, sondern auch als Sänger und Ritter bekannt sein wollte.
Powala, Zawisza aus Garbow, Dobko aus Olesnica, Naszam und noch viele andere erinnerten sich gegenseitig mit Lächeln daran, wie bei den früheren Besuchen des Sigismund der König Wladislaw sie im Geheimen gebeten hatte, im Turniere nicht gar zu heftig anzugreifen, sondern Rücksicht zu nehmen auf den Gast aus Ungarn, dessen in der ganzen Welt bekannte Eitelkeit so groß war, daß ihm jede Niederlage Thränen in die Augen trieb. Voll Interesse unterhielten sich auch die Ritter über Witold. Man erzählte sich Wunder von der Pracht der aus reinem Silber getriebenen Wiege, die von Witold und seiner Frau Anna durch die litauischen Fürsten und Bojaren zum Geschenk überbracht worden war. Es bildeten sich nach und nach, wie gewöhnlich vor der Messe, einzelne Gruppen, die sich allerlei Neuigkeiten mitteilten, und auch Macko schilderte den ihn Umstehenden die Kostbarkeit des Geschenkes und erzählte ausführlich von dem geplanten Kriegszuge Witolds gegen die Tataren, da er von allen Seiten mit Fragen bestürmt wurde. Wie er berichtete, hatten sich die Heere schon gegen den Osten von Rußland gewendet, und wenn der Plan Witolds gelingen sollte, so trug er dazu bei, die Herrschaft des Königs Jagiello fast über die halbe Welt bis zu den Grenzen Persiens und bis zu den Ufern des Arals auszudehnen. Macko, der ja bei Witold gewesen war und daher dessen Absichten genau kannte, wußte alles so beredt auseinanderzusetzen, daß sich der Kreis der Neugierigen um ihn vor der Treppe des Doms immer mehr vergrößerte. Es handelt sich hier, erklärte Macko, einfach um einen Kreuzzug. Witold selbst regiert, obwohl er sich Großfürst nennt, doch Litauen nur im Namen Jagiellos und ist nur Statthalter. Das Verdienst um den Kreuzzug wird also dem König zufallen. Welch ein Lob wird es aber dem kurz getauften Litauer eintragen, und wie förderlich wird es für die Macht Polens sein, wenn die vereinten Heere das Kreuz in solche Gegenden tragen werden, wo der Name des Erlösers nur zum Spotte genannt wird, und wo bis jetzt der Fuß des Polen und des Litauers noch nicht hingekommen ist. Der verjagte Tochtamysz, den die vereinten polnischen und litauischen Heere von neuem auf den verlorenen Thron zu setzen gedenken, wird sich als »Sohn« des Königs Wladislaw bekennen und seinem Versprechen gemäß mit der ganzen Goldenen Horde dem Kreuze huldigen.
Voll Spannung lauschten die Hörer diesen Worten, viele aber, die nicht genau wußten, um was es sich handelte, wem Witold helfen, gegen wen der Krieg geführt werden solle, fingen zu fragen an: »Sagt uns erst, gegen wen der Krieg geführt werden soll.«
»Gegen Timur den Lahmen!« antwortete Macko.
Jetzt trat einen Augenblick Schweigen ein. Wohl hatten die Ritter aus dem Westen schon die Namen der Goldenen, der Blauen und der Assowischen Horden vernommen, aber was wußten sie von den tatarischen Angelegenheiten, von den Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Horden? Dagegen gab es kaum einen Menschen in Europa, der nichts von dem schrecklichen Timur dem Lahmen oder Tamerlan gehört hatte, dessen Namen mit nicht geringerem Schrecken genannt wurde wie seiner Zeit der Name Attilas. War doch Tamerlan der »Herr der Welt« und der »Herr der Zeiten« – ein Herrscher über siebenundzwanzig unterjochte Reiche, der Herrscher über das Moskauische Rußland, der Herrscher von Sibirien, der Herrscher von China und Indien, der über Ispahan, über Haleb und über Damaskus regierte, dessen mächtige Hand über die Arabische Wüste bis nach Aegypten reichte und über den Bosporus bis an das Griechische Kaiserreich – war doch Tamerlan – der Zerstörer des Menschengeschlechtes – der Erbauer ungeheurer Pyramiden aus Menschenschädeln – ein Sieger in allen Schlachten, der niemals besiegte »Herr über Seele und Körper«.
Als sich Tochtamysz, der von ihm auf den Thron der Goldenen und der Blauen Horde erhoben und als »Sohn« anerkannt worden war, seiner Macht bewußt, sich unabhängig zu machen gesucht hatte, wurde er durch eine einzige Handbewegung des schrecklichen »Vaters« vom Throne gestürzt, und hatte sich, um Hilfe flehend, zu dem litauischen Statthalter geflüchtet. Witold beabsichtigte auch, ihm wieder zu dem Throne zu verhelfen; um dies zu ermöglichen, war es indessen vor allem nötig, sich mit dem weltbeherrschenden Lahmen zu messen.
Das war auch der Grund, weshalb sich alle so sehr für den geplanten Kriegszug interessierten, und nach kurzem Schweigen sagte einer der ältesten Ritter, Kazko aus Jaglow: »Ei, wir werden nicht mit dem ersten besten zu thun bekommen.«
»Und doch kommt bei uns nicht viel heraus,« bemerkte in weisem Tone Mikolaj aus Dlugolas, »denn ist es für uns nicht gleichgiltig, ob am Ende der Welt ein Tochtamisz oder irgend ein Kutluk über die Söhne des Belial herrschen wird?«
»Tochtamisz würde sicherlich Christ werden,« antwortete Macko.
»Das ist noch fraglich. Kann man denn den Hundsseelen trauen, die nicht an Christus glauben?«
»Um des Namens Christi willen lohnt es sich indessen schon zu sterben,« sagte Powala.
»Und der Ritterehre wegen,« fügte ein anderer Ritter hinzu; »ich kenne gar manche unter uns, die mitziehen werden. Herr Zbytko aus Mielsztyn hat eine junge und vielgeliebte Frau, und ist doch schon zu Witold gegangen.«
»Daran ist gar nichts Wunderbares,« bemerkte nun Jasko Naszam. »Denn wenn einer auch die größte Sünde auf dem Gewissen hat, so ist doch der Ablaß sicher vor einem solchen Kriege und somit die Rettung jedes Sünders.«
»Geschweige des Ruhmes in der Ewigkeit,« ergriff Powala aus Taczew wieder das Wort. »Mir soll es recht sein, wenn der Kriegszug ausgeführt wird, denn, in der That, es ist nicht der erste beste, gegen den wir ziehen werden. Timur besiegte die ganze Welt und herrscht über siebenundzwanzig Königreiche. Welch ein Lob wäre es für unser Volk, wenn wir seine Macht vernichten würden.«
»Das will ich meinen!« rief einer der Ritter. »Wenn er auch hundert Königreiche besäße, wir fürchteten ihn nicht. Mögen dies andere thun! Ihr könnt mir glauben, wenn wir nur zehntausend Bogenschützen zusammenbringen, können wir es mit der ganzen Welt aufnehmen.«
»Welches Volk soll denn den Lahmen besiegen, wenn nicht das unsrige!«
So sprachen die Ritter untereinander, und Zbyszko war jetzt ganz verwundert darüber, daß ihn niemals zuvor die Lust angewandelt hatte, mit Witold in die wilden Steppen zu ziehen. Als er in Wilna gewesen war, da hatte er sich darnach gesehnt, Krakau mit seinem königlichen Hofe zu sehen und an den ritterlichen Spielen teilzunehmen, jetzt aber dünkte es ihn, er könne dabei wenig Ruhm gewinnen. Ihm drohte außerdem ein strenger Urteilsspruch, bei Witold hätte er dagegen vielleicht einen ruhmreichen Tod gefunden.