Bon Camino - Mit 70 auf dem Jakobsweg. Reinhold Heers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhold Heers
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783990648544
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17.00 Uhr waren wir am Ziel in einer privaten Herberge. San Nicolas verfügt über 40 Betten in 8 Zimmern. Das Haus sehr gepflegt, und da nicht voll belegt, waren auch ausreichend Duschmöglichkeiten vorhanden. Bis zum gemeinsamen Abendessen habe ich mich auf der Terrasse aufgehalten. Dabei konnte ich beobachten, wie eine jüngere Frau ihre gymnastischen Übungen, einschließlich Yoga, auf einer Matte machte. Das wirkte irgendwie befremdlich auf mich. In gemütlicher Runde wurde das

      Pilgermenü eingenommen. Das Essen war gut und reichhaltig, es hat wirklich prima geschmeckt. Trotz Mischmasch an Kulturen, irgendwie ging die Verständigung. Ich bin sicher, der Wein trug auch zum guten Gelingen bei. Dabei stellte sich heraus, dass Pola, meine Yoga-Dame, eine Künstlerin aus Berlin ist, die ansonsten im Gespräch sehr nett war. Wir haben uns dann noch zweimal wieder getroffen. Sie hatte sich mit einem Pilger aus Holland zusammengetan.

      Aber dann kam wieder die Nacht: drei Italiener, Bernd und ich. Zum Glück hatte ich diesmal das Unterbett. Ich war mir sicher, Schnarchen aus allen Betten. Sicher habe ich auch ein wenig geschlafen – vielleicht auch geschnarcht, aber am Morgen war ich nicht richtig frisch.

      Der Gedanke kreiste erneut: Warum tue ich mir das an?

      Tag 5 – 28.05.2018

      Larrasoaña–Zabaldika–Arre–Pamplona

      Unterkunft: Albergue de Peregrinos Casa Paderborn

      Strecke: 16 km, 190 Höhenmeter, auf und ab, 4 Stdn.

      Bei der Vorbereitung der Pilgerreise hatte ich mir vorgenommen, nicht das morgendliche frühe Gehetze mitzumachen, sondern in aller Ruhe aufstehen, fertig machen und lospilgern. Aber das war überhaupt nicht möglich. Allein durch das frühe Aufstehen der anderen Pilger war die Ruhe vorbei, und ich wurde förmlich mitgezogen. Heute waren es die Italiener, die sehr früh anfingen, ihre Sachen zu packen. Und ganz ohne Reden geht es ja auch nicht. Was blieb anderes übrig, als sich auch fertig zu machen? Frühstück gab es in dieser Herberge nicht, nur einen Kaffeeautomaten. Also: Pappbecher gezogen und wenigstens etwas Warmes in den Magen bekommen. Und dann noch das Wetter: dunkle Wolken und Regen!

      Im Poncho ging es los. Der Weg führte mal bergauf, mal bergab, an einem Fluss entlang, durch enge, verwachsene Fußwege, steinige Abschnitte, also alles, was so kommen kann. Allerdings war der Blick für die Natur unter dem Poncho nicht sehr ausgeprägt.

      Nach etwa einer Stunde Pilgern kam dann der aufhellende Teil: eine Bar zum Frühstücken. Rucksack runter und Kaffee, Bocadillo, Banane bestellt. Bei schönem Wetter sicher ein romantischer Ort: am Fluss gelegen, Hügel im Hintergrund. Aber heute: grau in grau. Wobei das Wetter langsam besser wurde.

      So gestärkt konnte es zum Tagesziel Pamplona weitergehen.

      Der Weg durch die Vororte und nur auf Pflaster war nicht so prickelnd. Aber es lässt sich nicht vermeiden, wenn man ans Ziel kommen will. Und das war die Casa Paderborn, eine öffentliche Herberge, die vom Freundeskreis der Jakobspilger in Paderborn geführt wird und in der in monatlichen Abständen erfahrene Jakobspilger aus Paderborn freiwillig ihren Dienst verrichten, in der Regel Ehepaare. Allein das Wort „deutsch“ war ausschlaggebend, dorthin zu gehen. Die Begrüßung war überaus freundlich. Bernd und mir wurde wegen des „Alters“ ein unteres Bett in einem 6-Bett-Zimmer zugewiesen. Und hier trafen wir dann wieder auf Stephan, den Flugbegleiter. Weitere Gäste waren ein Pastor aus Norwegen und zwei junge Frauen. Bereits kurz nach unserer Ankunft war die Herberge ausgebucht, und Pilger mussten auf andere Herbergen verwiesen werden. Es ging wirklich familiär zu; die Wäsche konnten wir abgeben, und sie wurde gegen Entgelt gewaschen und getrocknet. Da mir ein kleiner Bart gewachsen war (ich hatte bewusst weder E-Rasierer noch Klingen mitgenommen), suchte mir der Herbergsvater einen Barbier raus. Allerdings stellte sich später heraus, dass ohne Termin ein Bartschneiden nicht möglich war. Aber auch nicht so schlimm.

      Nach dem Duschen (drei Kabinen und Toiletten, 26 Betten) habe ich mein Telefon ausprobiert und mit Maren gesprochen. Es war mir schon aufgefallen, dass es mir doch nicht so leichtfiel, das Smartphone nicht dabeizuhaben. Ständig war irgendein Pilger mit seinem Gerät beschäftigt. Nein, ich wollte es nicht, und es ging auch ohne!

      Bernd und ich haben dann eine kleine Stadtbesichtigung gemacht. Leider war das Wetter zwar trocken, aber windig und kalt, sodass ein ruhiges Sitzen im Freien nicht möglich war. Aber es gab einige nette, alte Cafés, die zur Pause einluden. Die Straße, durch die die Stiere getrieben werden, und die Arena haben wir gesehen, ebenso das alte Rathaus, die Kathedrale, die Gassen und Plätze und weitere schöne Gebäude. Um uns zu stärken, haben wir dann das Pilgermenü in einem Restaurant in der Innenstadt auf Empfehlung der Herbergseltern eingenommen, und es war prima: Auswahl an Speisen, eine Flasche Wein für uns zwei, und das alles für 10 €!

      So weit war alles gut – aber dann kam wieder das dicke Ende: die Nacht. Drei Schnarcher und eine Schnarcherin. Und wie immer: Da ich nicht schnell einschlafe, bekomme ich das ganze Konzert ab. Diesmal sogar mit einer Oberstimme! Zusätzlich wurde die Luft immer schlechter, da vor den Fenstern Holzklappen waren (Erdgeschoss, das Haus lag zwar wunderschön im Grünen, aber eine Straße führte vorbei). Ich habe den Morgen herbeigesehnt.

      Nun ja, irgendwann war die Nacht vorbei, und wir wurden um 06.00 Uhr mit Musik im ganzen Haus geweckt.

      Tag 6 – 29.05.2018

      Pamplona–Zariquiegui–Alto del Perdon–Uterga–Puente la Reina

      Unterkunft: Hotel El Cerco

      Strecke: 25 km, 340 Höhenmeter,

       Aufstieg auf 740 m, 7 Stdn.

      Inzwischen waren das Einpacken und Fertigmachen ja schon zur Routine geworden, und so war ich schnell beim Frühstück. Auch wenn es nur einfach war, so wurden wir alle von den Herbergseltern bedient. Kein Gerenne, kein Abräumen: sehr bequem.

      Um 06.50 Uhr ging es dann zusammen mit Bernd auf den Weg. Zunächst natürlich durch die Stadt. Aber zu dieser frühen Zeit hatte das auch seinen Reiz: frische Luft, wenig Autos, insbesondere die Altstadt konnte ich noch mal bewundern. Nach drei Kilometern in Höhe der Universität haben wir die Stadt dann hinter uns gelassen.

      Kurz darauf hat Bernd mich allein weiterpilgern lassen. Er habe Probleme mit dem Rucksack. Allerdings war mir schon aufgefallen, dass er sehr schnell außer Atem war. Bei den vorherigen Etappen ging es ja immer bergauf und bergab. Insofern konnte ich auch nicht so schnell gehen. Aber jetzt in dem Bereich mit flachen Abschnitten fiel der Unterschied zwischen uns auf. Ich hatte ja immer wieder gelesen und gehört, dass jeder seine Geschwindigkeit selber finden muss, um auch durchzuhalten. Und ich war im Flachland einfach schneller.

      Das Wetter war heute ideal zum Pilgern: trocken, mal Sonne, mal Wolken. Es ging über steinige Wege, durch riesige Kornfelder, über mit Bäumen gesäumte Wege. Aber immer wieder auch heftig bergauf: Nur so war der Puerto del Perdón zu bezwingen. Ein Bergrücken von 740 m Höhe. Ein großer Windpark zu beiden Seiten des Weges. Oben auf dem Kamm ein Denkmal zur Erinnerung an ermordete Dorfbewohner der Umgebung während der Franco-Zeit. Der Abstieg über 3,5 km war wieder sehr anstrengend: steil und steinig, Furchen durch das Regenwasser. Um die Landschaft zu genießen, waren immer wieder kleine Stopps notwendig. Nach etwa 7 Stunden hatte ich mein Ziel erreicht und auch mein ausgesuchtes Hotel gefunden. Es lag günstig in dem Ort, fast direkt am Jakobsweg, sauberes Zimmer, große Dusche, und ich war allein.

      Nach der notwendigen Körperpflege habe ich den Ort erkundet. Puente la Reine verdankt seinen Namen der mittelalterlichen Brücke über den Fluss Arga, die im 11. Jahrhundert bewusst mit dem Ziel erbaut wurde, den Pilgern das Überqueren des Flusses zu erleichtern. Und sie steht immer noch und trägt weiterhin die Pilger Richtung Westen.

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