Der Musikkritiker sitzt ganz rückwärts. Er hat das Ohr mit seinen Labyrinthen. Ein Ariadnefaden führt zum Welt-Geist!
Alle sagen: "bravo – – –."
Er fühlt: "Ein Kind ist gestorben – – –."
"Sie müssen Helgoland sehen – – –", sagt die junge Frau zu dem Herrn, "das wünsche ich Ihnen – –."
"Sie sind wie eine Meermuschel", sagt er, "in der das Meer noch singt, wenn längst – – –."
Da begann ein neues Musikstück.
Das Klavier sagte: "wenn längst, wenn längst – –." und tanzte einen Matrosentanz. Das Cello griff ins Herz hinein, eigentlich drückte es das Herz zusammen und ließ es wieder los. Da wurde es weit oder es schien nur so – – –.
"Es ist ein Meerbad – –", fühlt die Dame, "kurz wie Helgoland und wie der Sommer und wie eine Herde gelber Schafe, die durch ein sonniges Dorf getrieben wird, und wie der Duft von Kartoffelfeldern am Abend, wie Hühner-Bouillon, wenn man krank war, wie 'bittersüß' und wie ,da bist du endlich' – –."
Das Fräulein träumte: "Habe ich jemand – –?!"
Der Herr blickt die Helgoländerin an: "bitte, nummeriere diesen Blick nicht – –."
"Nein – –", antwortet sie sanft mit ihren Augen, "ich lege ein eigenes Konto an – – –."
"Und wirf das Schlüsselchen nicht ins Meer – –!"
"Und werfe das Schlüsselchen nicht ins Meer – –."
Klavier, Violino primo, Violino secondo, Cello, Viola sangen: "Wirf es ins Meer, ins Meer, ins Meer – – –."
Aber es war nur das Klavierquintett von G., zweiter Satz, Andante.
Das Fräulein in maron purée dachte: "Diese Stelle klingt wirklich wie 'Ich habe niemand, niemand, niemand' – – –!"
Der Grieche
Griechenland! Diese schwere dumpfe Sinnlichkeit, ganz gasförmig gelöst in ästhetischem Empfinden! Die Materie überwunden durch das, was sie ausstrahlt – Schönheit! In Bewegung befreit! In Grazie verzaubert!
Er saß in einem Parke. Um ihn herum, auf den Wegen, in den Alleen, schwerfällige Organisationen – – – Menschen!
Ein weißes Batistkleid fliegt heran –. Aschblonde, lange, offene, seidene Haare. Schlanke zarte Beine in schwarzen Strümpfen. Sie ist dreizehn Jahre alt. Man sieht oberhalb des Knies die weißen Unterhöschen. Sie fliegt über den Weg mit ihrem Reifen. Alles federt. Olympische Spiele – – –!
Er starrt ihr nach. Sie wendet und fliegt vorbei, "Ah, schön – – –!", haucht er. "Du bist ein Mensch", fühlt er, "du bewegst dich."
Sie kehrt langsam, in Kurven, zurück. Der Reifen tanzt – – – tanzt.
"Ah, dich, nackt, ganz nackt, auf einer duftenden samtenen Wiese im Abendschatten Reifen schlagen sehen und fliegen – – – fliegen! Und dann stehst du da und wirfst in runder Bewegung die blonden Haare zurück und wir trinken mit den Augen, diesem Liebesorgane der Künstlerseele, deinen schlanken weißen Leib – – – in Schönheits-Liebe!"
Er sagte: "Fräulein, der Reifen ist ein edles Instrument – – –."
"Wieso?!", sagte das Kind-Jungfrau, "ein gebogenes Holz – – –. Es geht ganz leicht."
Er sah sie an, wie man eine Edeltanne im Hochwald anschaut, das herrliche Schweben des Hühnergeiers auf einem Punkt über dem abendlichen Walde, einen Schwan auf einem See und ein Künstlerantlitz, wenn der Gedanke auf ihm liegt. Er sah sie an, wie man das Freie, Edle, Natürliche anschaut – – in Schönheits-Liebe!
Sie flog um die große Wiese herum und blieb in seiner Nähe.
Sie wurde müde. Sie stand da, die Holde, leise auf ihren Reifen gestützt – – – und blickte ihn an.
Diana – – –!
Er sagte: "Sie werden sich verkühlen. Sie sind ganz nass. Sie werden bleich vom Laufen."
"Ich bin immer blass", sagte sie.
"Und doch scheint Bewegung Ihre Natur zu sein."
"Ich liebe die Bewegung", sagte sie.
Sie setzte sich auf die Bank neben ihn.
Er hatte die Empfindung: "Du bist ein Werdendes." Er war in Schönheits-Liebe versunken –.
Mit den Augen trank er die Schönheit dieses Menschen und berauschte sich.
Ihr Kleid duftete nach dem heißen kindlichen Leibe Die Haare dufteten – – –.
Der süße Atem schwamm ihm entgegen – –. In den Linden dufteten die gelblich-grünen Blüten. Zwei Atem der Natur!
Sie saß regungslos – – –.
Er zog sie an sich und küsste sie auf die Stirne.
Sie saß regungslos.
Dann stand sie auf und sagte: "Adieu. Kommen Sie morgen wieder?!"
Und Griechenland entschwand in den nebelgrauen Wiesen – – –.
Er blickte ihr nach: "Dich, dich, nackt, ganz nackt, auf einer duftenden Wiese im Abendschatten Reifenschlagen sehen und fliegen – – fliegen, und, wenn du müde bist, neben dir zu sitzen, am Waldessaum, im Abendschatten und den Duft der feuchten Walderde und der Wiese und deines Leibes einzuatmen und die Schönheit der Welt in sich einzusaugen und in diesen Schönheitskräften, die durch tausend Strahlen ins Auge, durch tausend Atome ins Gehirn dringen, zu wachsen, und voll, übervoll zu werden und diese konzentrierten latenten Spannkräfte in Reichtum zu empfinden und diesen Reichtum in Liebe, in Gedanken umzuwandeln und diese in Bewegung umgesetzten Kräfte neue Kraft zeugen zu lassen – – unerschöpfliche, das ist ,ein Lebendiger' sein! Das!!
Aber wir – – wir leben nicht!!"
Dialog
Er und sie sitzen auf der Bank in einer Linden-Allee. Sie: Möchten Sie mich küssen?!
Er: ja, Fräulein – – –.
Sie: Auf die Hand – –?!
Er: Nein, Fräulein.
Sie: Auf den Mund –?!
Er: Nein, Fräulein.
Sie: O, Sie sind unanständig – –!
Er: Ich meinte "auf den Saum Ihres Kleides!"
Sie erbleicht – – –.
De Amore
Ich liebe dich
Ich liebe dich. Ich liebe deine hellblauen seidenen Socken. Ich liebe deine zarten weißen Batistkleidchen. Ich liebe deine seidenen Gürtel mit den langen wunderbaren Schleifen. Ich liebe dich.
Ich liebe deine drei von dir geliebten Puppen, Mildred, Baby und Dorothy, welche du an dein Herz drückst und zu welchen du sagst: "lhr macht mir viel Kummer, meine Lieben, wisst ihr das?! Immer gleich verdrückt und schiefe Hüte – – –!"
Ich liebe dich. Ich liebe den Duft deines Zimmers, deines Kleiderschrankes, deines Bettes. So duften die Rinden der Bäume im Vorfrühling, wenn noch kein Laub ist und alle Kraft im Baume drinnen liegt. Ich liebe dich.
Ich liebe dich, wenn du gestraft wirst und du eine Träne