Oberheudorfer Buben- und Mädelgeschichten: Sechszehn heitere Erzählungen. Siebe Josephine. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Siebe Josephine
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 4064066114428
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viel glaubwürdiger als der andere, und er sagte ruhig und bestimmt: „Wer jetzt noch ein Wort spricht, der muß eine Woche lang jeden Tag eine Stunde dableiben!“

      Da wurden die Kinder alle still, denn sie wußten, wenn der Herr Lehrer den Ton anschlug, hatte der Spaß ein Ende. Aber ein Spaß war es auch nicht, daß der fremde Herr wirklich der Schulrat war; der lustige junge Mann vor drei Tagen hatte des Wirtes Irrtum benutzt und aus Übermut die Rolle des Schulrates gespielt.

      Ein klein wenig lachte der echte Schulrat, als er die Geschichte erfuhr, ans Freigeben aber dachte er nicht, sondern er schickte sich an, eine strenge Prüfung abzuhalten. Mit ernster Miene, die Hände auf den Rücken gelegt, spazierte er vor dem Katheder auf und ab und musterte scharf die Buben und Mädel. Denen wurde angst und bange bei diesen forschenden Blicken, das Lachen verging ihnen ganz und gar, und sie bekamen rote Köpfe vor Verlegenheit.

      „Sage mir mal,“ fing der Herr Schulrat an und sah auf Schulzens Jakob, „wer war Karl der Große?“

      Nun kannte Jakob jedes Pferd, jede Kuh und jedes Schaf im Dorfe, aber von den deutschen Kaisern hatte er keine Ahnung. Er sperrte denn auch seinen Mund auf, daß man ganz gut ein Dreierbrot hätte hineinstecken können; das war das Zeichen, daß Schulzens Jakob nachdachte. Auf einmal aber verklärte sich sein Gesicht, und mit strahlenden Augen rief er: „Windmüllers Ältester ist das!“

      „Wer?“ fragte der Herr Schulrat verdutzt, der natürlich nicht wissen konnte, daß Windmüllers Ältester seiner ungewöhnlichen Länge wegen „der große Karl“ genannt wurde. Ärgerlich runzelte er daher die Stirn und rief: „Höre mal, mein Sohn, du bist“ – – – schiiih ging das da plötzlich draußen, und schwapp kam ein dicker Wasserstrahl durch das offene Fenster und überflutete den Schulrat und die Kinder. Schulzens Jakob bekam so viel Wasser in den Mund, daß er ihn vor Schreck schloß.

      „Na, was soll denn das bedeuten?“ schrie der Schulrat prustend. „Das ist doch“ – – schiiih – kam ein zweiter Wasserstrahl in das Schulzimmer und traf gerade auf die Mädel, die quiekend unter die Tische krochen.

      „Die neue Spritze,“ riefen der Lehrer und die Kinder ahnungsvoll, „sie probieren“ – – schiiih kam ein dritter Strahl und überschwemmte das Schulzimmer so gründlich, daß sich der Herr Schulrat auf das Katheder flüchten mußte, während die Kinder auf Tische und Bänke kletterten. Der Herr Lehrer aber rannte hinaus, und flugs folgten ihm einige Buben. Draußen auf dem freien Platz vor dem Schulhaus stand die neue Feuerspritze, und mehrere Bauern arbeiteten aufgeregt an ihr herum. Aufgedreht war die Spritze, aber zudrehen konnte sie niemand, und da sie außerdem mit einem Rad in ein tiefes Loch geraten war, konnte sie nicht einmal zur Seite gefahren werden. – Schiiih, schiiih, schoß das Wasser ins Schulzimmer hinein, und triefend, weinend und lachend, wie Fröschlein im Sumpfe hopsend, flohen die Schulkinder.

      „Jetzt hab' ich's,“ rief der dicke Bäckermeister und drehte mit einem Ruck die Spritze zu.

      Und der Schulze, der vor Aufregung rot geworden war wie ein Ziegeldach, sagte: „Ach, ach, Herr Lehrer, mir scheint, 's ist Wasser ins Schulzimmer gekommen!“

      „Na, mir scheint auch,“ riefen der Schulrat und der Lehrer wie aus einem Munde; sie trieften alle beide, als hätten sie in einer Badewanne gelegen.

      „Huhuhu, ich bin naß,“ heulte Mariele, und „Huhuhu, ich auch, ich auch,“ schrien einige andere Kinder.

      „Geht doch nach Hause, Kinder,“ rief der Herr Schulrat, „mit der Schule ist es jetzt doch nichts!“

       Das war ein Wort! Einige Kinder quiekten vor Freude, und Buben und Mädel vergaßen auf einmal ihre nassen Kleider so vollständig, daß sie gar nicht daran dachten, nach Hause zu gehen. Wie eine Mauer standen sie um die neue Spritze herum, während der Schulrat und der Lehrer in das Haus gingen. Der Schulze ärgerte sich zwar sehr über das neugierige Kindervolk, aber was half es? Die Kinder waren da und blieben da, soviel er auch darüber brummte.

      Die Schulstube sah aus wie ein See, einzelne Hefte, die bei der hastigen Flucht zu Boden gefallen waren, schwammen wie blaue Fische im Wasser. Ein Glück war es, wie Anton Friedlich sagte, daß das Wasser auch in die Nebenstube gelaufen war, es konnte auch darin am Nachmittag keine Stunde abgehalten werden. Also hatten die Oberheudorfer Kinder wieder einen schulfreien Tag, was sie ungemein vergnüglich fanden. Der Herr Schulrat war liebenswürdig genug, über die Spritzengeschichte mehr zu lachen als sich zu ärgern. Er blieb im Pfarrhause als Gast, und am nächsten Tag hielt er die Schulprüfung ab, die ohne jeden Zwischenfall verlief. Und um die Wahrheit zu sagen, die Kinder wußten mehr, als der Schulrat erwartet hatte. Schulzens Jakob behauptete zwar kühnlich, es gebe sieben Erdteile, und Bäckermeisters Mariele sagte, China sei eine Provinz von Deutschland, auch verwechselte sie die Mark Brandenburg mit Afrika, und Heine Peterle versicherte, 10 × 7 sei 90 und die Hälfte von 100 sei 200: na, aber das schadete weiter nichts, – so etwas kann schon vorkommen.

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