»Es kommt doch auch nicht auf den Namen der Frau an, sondern darauf, worüber sie redet. Ich gehe auf jeden Fall hin.«
»Klar«, meinte Konstantin. »Die Arbeit der Hilfsorganisationen in Afrika ist schließlich das Thema deiner Doktorarbeit.«
»Eben. Nicht, dass ich mir wesentliche neue Erkenntnisse erhoffe, aber interessant ist es bestimmt.«
»Wann ist der Vortrag?«
»Nächste Woche. Gehst du mit?«
»Ja, ich denke schon. Irgendwie muss ich auch mal wieder raus aus meiner Bude. Und am Mittwoch bin ich hoffentlich schon ein ganzes Stück weiter als jetzt mit diesem verflixten Manuskript.« Konstantin unterdrückte einen Seufzer.
»Du siehst ziemlich fertig aus«, stellte Moritz fest.
»Wundert dich das? Ich arbeite einfach zu viel – aber es lässt sich nun einmal nicht ändern.« Konstantin war kurz davor, sein drittes Buch über Afrika zu veröffentlichen – der schwarze Kontinent war seine Leidenschaft, seit er als Kind mehrere Jahre dort gelebt hatte. Sein Vater war Diplomat, so hatte die Familie oft umziehen müssen. Die Jahre in Afrika gehörten für Konstantin zu den prägendsten.
Er hatte Afrikanistik studiert, beherrschte mehrere afrikanische Sprachen und hielt sich jedes Jahr einige Monate in Afrika auf, wo er Studien für seine Bücher betrieb. Von denen konnte er zum Glück recht gut leben. Er brauchte nicht viel, um sich wohl zu fühlen, sein Lebensstil war bescheiden.
»Wann musst du das Manuskript denn abliefern?«, fragte Moritz. »Ich dachte, du hättest noch ein bisschen Zeit?«
»Habe ich ja auch, aber in einem der Kapitel steckt ein Fehler – ich muss es komplett überarbeiten.«
»Du und ein Fehler? Das glaube ich dir nicht.«
»Ist aber so«, brummte Konstantin. »Du weißt doch: Kein Mensch ist perfekt. Ich habe etwas übersehen – eine wichtige Information. Traurig, aber wahr, und jetzt muss ich dafür büßen.«
»Schade, ich wollte dich eigentlich überreden, endlich mal wieder mit mir ein Bier trinken zu gehen heute Abend.«
»Vergiss es«, sagte Konrad. »Vergiss es mindestens bis zur Abgabe meines Manuskripts – dann können wir darüber reden. Aber den Mittwoch schaufele ich mir irgendwie frei, das verspreche ich dir.«
»Es ist schwer, dein Freund zu sein!«
»Ich weiß, und ich danke dir, dass du so hartnäckig bist und noch nicht aufgegeben hast.«
Sie verabschiedeten sich mit einer herzlichen Umarmung voneinander. »Bis Mittwoch dann«, sagte Moritz. »Solltest du vielleicht vorher doch das Bedürfnis verspüren, deine Arbeit mal eine Stunde lang allein zu lassen – sag mir bitte Bescheid.«
Konstantin nickte, aber sie wussten beide, dass dieser Fall nicht eintreten würde.
*
»Alles in Ordnung, Marie?«, erkundigte sich Eberhard Hagedorn, der schon seit langen Jahren Butler auf Schloss Sternberg war. Er stand in der Tür zur weitläufigen Küche.
Die junge Köchin Marie-Luise Falkner hatte ihn offenbar nicht kommen hören, denn sie fuhr erschrocken herum. »Meine Güte, Herr Hagedorn – wo kommen Sie denn so plötzlich her?«
»Gar nicht plötzlich, ich stehe hier schon eine ganze Weile und sehe Ihnen zu, wie Sie den neuen Herd betrachten.«
»Ja, jetzt ist er da, und ich würde ihn gern ausprobieren, aber ausgerechnet an diesem Wochenende ist der Herr Baron ganz allein. Ich gebe mir natürlich auch für eine einzelne Person die größte Mühe, aber es frustriert mich trotzdem, falls Sie das verstehen können.«
»Ich verstehe es, aber das wird ja nicht lange so bleiben, Marie. Morgen kommen doch die Herrschaften schon wieder!«
»Ich rede aber von heute! Und heute bin ich frustriert, Herr Hagedorn. Die Küche ist neu, der Herd ist neu – und die Köchin ist praktisch arbeitslos. Eine Tragödie.«
»Sie übertreiben. Eine Tragödie hätte dieser Brand werden können …«
Wenige Wochen zuvor war in der Schlossküche ein Brand ausgebrochen. Marie-Luise war in letzter Minute von einem beherzten Gast und dem kleinen Fürsten gerettet worden – sie hatte eine Kohlenmonoxydvergiftung davongetragen. Von dem Brand war nichts mehr zu sehen, und nicht nur die junge Köchin war der Ansicht, dass dieser Brand sich letzten Endes segensreich ausgewirkt hatte: Die Küche erstrahlte in neuem Glanz, nicht nur der Herd war ausgetauscht worden, sondern auch noch ein paar andere veraltete Geräte.
»Erinnern Sie mich nicht an den Brand«, bat Marie-Luise. »Bevor ich ohnmächtig geworden bin, glaubte ich sicher zu wissen, dass ich sterben würde – ausgerechnet hier, wo ich mich so gern aufhalte, Herr Hagedorn.«
»Das muss schrecklich gewesen sein«, erwiderte der alte Butler mitfühlend.
Sie nickte stumm, und er erkannte, dass es besser wäre, das Thema zu wechseln. »Sie könnten sich für morgen ein ausgefallenes Menü ausdenken«, schlug er vor. »Das würde bestimmt gut ankommen. Es müssen doch nicht immer Gäste anwesend sein, wenn Sie etwas Besonderes auf den Tisch bringen, Marie.«
»Da haben Sie aber wirklich Recht!« Ihre Miene hellte sich auf. »Und das Thema wird ›Frankfurt‹ sein, Herr Hagedorn.«
Er betrachtete sie zweifelnd. »Sie wollen aber wohl doch keine Frankfurter Würstchen servieren, Marie?«
Sie lachte schallend, plötzlich war ihre gute Laune zurückgekehrt. »Lassen Sie mich nur machen, Herr Hagedorn – und nun raus aus meiner Küche, wenn ich bitten darf, ich habe zu arbeiten.«
Schmunzelnd zog er sich zurück. Endlich war sie wieder die tatkräftige junge Frau, die er kannte!
*
»Ganz schön hoch!«, stellte der kleine Fürst fest, und Anna setzte hinzu: »So klein, wie Alexa behauptet hat, ist Frankfurt gar nicht.«
Sie waren auf der Aussichtsplattform eines der Frankfurter Hochhäuser – es hieß ›Maintower‹. Außer ihnen waren nur wenige Besucher hier oben, das diesige Wetter hatte die Leute wohl abgeschreckt.
Mit einem Stadtplan bewaffnet waren Anna und Christian allein losgezogen, obwohl die Baronin zahlreiche Bedenken geäußert hatte. »Aber es gibt doch so viele Kriminelle in Frankfurt!«
Alexa hatte sich jedoch auf die Seite der beiden Teenager geschlagen: »Es ist heller Tag, Sofia, außerdem sind die beiden ja keine kleinen Kinder mehr. Sie werden nicht auffällig mit großen Geldscheinen herumwedeln, sie tragen keinen Schmuck, ihre Handys zeigen sie nicht – und deshalb sieht nichts an ihnen so aus, als könnte es sich lohnen, sie zu überfallen.«
Sofia war skeptisch geblieben, aber sie hatte nachgegeben, als Anna sie noch einmal nachdrücklich daran erinnerte, dass Christian und sie sogar schon einmal ganz allein verreist waren. »Und da sind auch keine Katastrophen passiert, Mama!«
Sie hatte zwar noch gesagt: »Da wart ihr auch nicht in einer Großstadt«, doch das war nur das letzte Aufbäumen gewesen. Sie wusste selbst, dass Anna und Christian vernünftig und auch vorsichtig waren – sie würden sich mit Sicherheit nicht in gefährliche Situationen begeben. Außerdem wollten Alexa und sie einigen eleganten Geschäften in der Goethestraße einen Besuch abstatten, und dabei hätten die Teenager nur gestört.
»Fahren wir wieder runter?«, fragte Anna.
Christian nickte, und wenige Minuten später standen sie unten auf der Straße, die vor allem eine Autoschneise war. Zu sehen gab es hier praktisch nichts, aber die Alte Oper war nicht weit, und das war ihr nächstes Ziel. Auf dem Opernplatz gab es nämlich eine Open-Air-Veranstaltung mit Live-Musik, die sie sich anhören wollten.
»Das ist schon was anderes hier als bei uns zu Hause«, sagte Anna. »Bisschen wenig Natur,