Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: О. Генри
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788075834942
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getrieben hat... und wie seine Rosen stehen und daß er den alten Weiblein im Spital ein Mittagessen spendiert hat mit seinen besten Weinen. Jeden Tag irgend etwas derart. Und dann freuen sie sich aneinander. Und dabei überlegt er sich, was er ihr noch alles tun kann. Du wirst sehen, wie er dich treibt. So friedlich und freundlich geht es zu, und nichts hindert uns. daß wir auch daneben sitzen und es mit anhören. Aber ich kann es nicht. Das, was er heut mit dir ausgemacht, beweist mir deutlich, daß er ebensogut weiß, wie es steht, wie ich. Nein, ich kann es nicht so abmachen... so herbstabendmäßig, so geläutert, ergeben... So, nun das ist keine Temperatur für mich. Ich muß in die Wälder laufen und mich dort austoben, daß ich dann den Tag über den liebevoll besorgten Gatten darstellen kann. Wer weiß denn auf der Welt, was ich verliere! Ich wollte, ich hätte dann meine alte Ruine noch, daß ich mich darin vergraben könnte. Mein ganzes Haus ist dann nur ein Hohn. Was habe ich da alles hineingelebt! Meinen Festsaal mit seinen Fresken haben sie mir zu einem Ort der Schrecken, einem Vorhof der Hölle gemacht. Ich kann ihn nie wieder betreten, die letzte Wand bleibt leer... Sie sagen mir, ich sollte nicht an die Zukunft denken... ich sollte nur den jetzigen Tag annehmen. Wenn ich das könnte! Ich hätte die schönsten Tage... und ich habe auch Stunden dazwischen hinein, daß ich meine, alle Süßigkeit des Lebens sei hineingepreßt und werde mir jetzt mit einemmal geboten in einem Wunderbecher. Aber dann darf nur eine Uhr schlagen, oder ich muß sehen, wie das Leiden doch nicht ganz zu verbergen ist, und es sind alle Furien wieder da. Hans, ich überlebe es nicht, du wirst sehen. Ich gehe daran zugrund. Nicht wie ich selbst möchte, auf einmal, sondern wie es die Gottheit will: langsam. Zuerst meine Kunst. Dann so langsam, was an dem übrigen Menschen war. Ich werde wie meine Tante sagt, zu einem fürstlich Brauneckschen Pensionär.«

      »Harro,« rief der Künstler, »du hast dein Kind, du hast...« Der Fürst rief vom Zimmer aus: »Harro, bist du im Garten?«

      »Ja, Vater.«

      »Ich habe gute Nacht gesagt.« Die beiden Herren begleiteten ihn zu seinem Wagen, den er selbst kutschierte. Als er schon oben saß und die Zügel ergriffen hatte, sagte er: »Ich glaube, Rosmarie möchte noch ihren Gast begrüßen.«

      »Wir gehen jetzt hinein, Vater... wir waren noch auf der Terrasse.«

      Harro blieb noch im Hofe stehen, bis die Räder verhallt waren, dann schüttelte er sich und sagte: »Sieh mich an, ob ich abgeklärt aussehe.« Hans Friedrich schaute zu ihm hinauf in der Empfangshalle und nickte. Er dachte, in seine Augen darf die junge Frau nicht sehen.

      »Du bist nicht ganz überzeugt, Hans.«

      »Wenn man deine Augen ausnimmt.«

      Er faßte ihn am Arm. »Hör, geh du hinein! Sage, ich komme gleich, ich wollte etwas nachsehen.« Er schob ihn zur Tür hin und entschwand.

      Die alte Dame führte ihn in das Musikzimmer. An der großen Wand unter dem Bild von Dolce Aqua lag die Frau vom Thorstein und streckte ihm ihre Hand entgegen. Sie erschien ihm von so unsäglicher Lieblichkeit und Hoheit, daß er einen Augenblick ganz den furchtbaren Schatten vergaß, der über ihr schwebte. Ihr goldenes Haupt lag, wie es sich für eine junge Königin schickte, auf dem schönsten Seidenkissen von einem wunderbaren tiefen, glühenden und satten Rot, zu dem ihr Haar und ihre zarten Farben den wundervollsten Gegensatz bildeten. Ihr Gewand war von der weichsten Seide, von einer blaugrünen Farbe, die ihn wieder an Wasser erinnerte. Ihre Haare trug sie nur in zwei breiten, schweren Flechten, deren Enden unter ihrem Kleide verschwanden. An ihrem Hals, dessen schimmerndes Weiß alles andere Weiß der Erde grau zu machen schien, glänzte an einem dünnen Kettchen ein großer Smaragd, von Diamanten umgeben.

      Hans Friedrich sah das alles in einer Sekunde und versorgte es im Bilderschrein seiner Seele, noch ehe er ihr die Hand geküßt hatte.

      »Ich habe mich so auf Sie gefreut,« sagte sie. »Harro läßt sich entschuldigen,« stammelt er, »er hatte noch etwas zu erledigen.«

      Die Tante zog die Augenbrauen in die Höhe und ging mit leisen Schritten hinaus.

      »Wie bin ich froh für meinen Mann, daß Sie da sind, Herr Friedrich,« begann sie wieder. »Er hat jetzt schlimme Tage, kann nicht arbeiten, und das macht ihn unglücklich.« Sie sah ihn mit ihren großen grauen Augen an, als ob sie neben ihnen auf der Veranda gestanden hätte.

      Hans Friedrich wurde dunkelrot. Der Schmerz um die beiden zog ihm die Brust zusammen und es fielen ihm so gar keine anständigen und freundlichen Lügen ein.

      »Ich hoffe auf Ihre Musik, Herr Friedrich. Es ist so stumm bei uns.«

      »Wenn ich Durchlaucht damit eine Freude machen kann und Harro.«

      »Ich hoffe schon auf heute abend, aber wir müssen erst versuchen, wie ich es ertragen kann. Sie dürfen mir nur ganz sanfte einfache Dinge spielen. Ich habe es durchgesetzt, daß ich hier liegen darf und nicht drüben, wie sie wollten.« Sie lächelte. »Sie wissen, ich bin sehr hartnäckig und muß meinen Willen haben.«

      Hans Friedrich verneigte sich. »Soll ich jetzt gleich?«

      »Nein, wir wollen noch ein wenig plaudern. Das Chorwerk haben Sie mitgebracht und auch daraus dürfen wir hören?«

      Hans Friedrich wurde es bänglich und er dachte an Harros Viervierteltakt und daß er ohne ihn auf verbotenen Grund geraten könnte. Er wehrte ab und sagte: »Ich werde es morgen auspacken, und dann einiges daraus andeuten... es verlangt ja ganz andere Mittel als nur ein Klavier.«

      Rosmarie seufzte. »Ja – und das ist nun für immer begraben gewesen, das ist fort... Ach, ich habe so viel auf dem Herzen, Herr Friedrich, was ich mit Ihnen besprechen möchte. Und Sie bitten...«

      Der Künstler sah sie an: »Was ich tun kann..., wie dankbar bin ich, wenn ich es darf... ich wage es kaum zu sagen.«

      »Waren Sie schon einmal in Italien, Herr Friedrich?« Er sah sie sehr überrascht an: »Nein, Durchlaucht, dazu hat es nie reichen wollen, immerhin, die Hoffnung lebt noch.«

      »Ach, das ist schön, wie freue ich mich! Sie sollen nach Italien gehen, nach Rom, und dort mit meinem Mann den Winter zubringen. Können Sie sich wohl freimachen?«

      »Ich werde es können – aber...«

      »Ach, abern müssen Sie nicht. Ich bin hartnäckig und habe mir das nun einmal ausgedacht. Eine Wohnung auf dem Monte Pincio, wo man ganz Rom überschaut, und ein kleines Gärtchen mit einem Marmorbrunnen. Ihren Flügel nehmen Sie mit.«

      »Ich besitze gar keinen,« warf er ganz verwirrt ein.

      »Ach, dann diesen hier.« Sie deutet nach dem kostbaren Bechstein. »Er steht ja hier nur stumm. Aber dies ist unser großes Geheimnis. Nicht einen Laut davon an meinen Mann! Aber nicht wahr?« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Sie nehmen nichts anderes für den Winter an. Bis Sie von uns hören... und oh, ich bitte so sehr darum...ich möchte so gerne darüber beruhigt sein. Und nicht wahr!« – sie deutete auf das blaue Männlein am Flügel.

      Man hörte Harro schon kommen, er konnte nur noch die feine Hand ergreifen und seine Augen in den ihrigen landen lassen, dann begann sie schnell von dem Chorwert zu sprechen, denn Harro war hereingekommen. Er nickte ihr zu und hob ihren Kopf ein wenig auf und zog das Kissen höher, dann legte er ihre Flechten wieder schön zurecht und ordnete die Falten ihres Kleides, die die seinen Füße in den blauen Seidenschuhen nicht verhüllten. Er tat das alles halb mechanisch, man sah aber seinen Künstlerhänden an, daß sie an ihr wie an einem Kunstwerk herum arbeiteten.

      »Liegst du nun gut?«

      »Sehr gut, ich danke dir... wir bekommen zu hören. Was sagten Sie, Herr Friedrich? Ein Schumann-Adagio?«

      »Hans, ich bitte dich ... wir müssen vorsichtig sein ...«

      Hans Friedrich öffnete den Flügel, unmöglich hätte er ein Wort sagen können. Hoffte er sie wirklich mit dieser scheinbaren Ruhe zu betrügen... wo blieb die Schöne, die Königin, wenn sie beide nach Rom gingen?

      Er spielte das sanfteste, zarteste Wiegenliedchen, das ihm einfallen wollte, in jedem Augenblick gewärtig, unterbrochen zu werden. Dann sah er hinüber. Ihre Augen strahlten zu ihm herüber.