SKULL MOON. Tim Curran. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tim Curran
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351387
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den Nacken. »Morgen«, sagte er, sank wieder zu Boden und schloss die Augen.

      Kapitel 4

      Ein starker Wind wehte, als er Bad River erreichte.

      Viel machte die Stadt nicht her. Eine zerfurchte Straße, die aus Dreck und getrocknetem Matsch bestand, wand sich zwischen Reihen von verwitterten Bretterhäusern entlang. Wo vorne über den Geschäften Schilder hingen, war dank Wind, Regen und Sonne nichts mehr zu lesen. Es gab einen Stall, einen Schmied und ein graues, mit Brettern zugenageltes Gebäude, das man vielleicht für ein Hotel halten konnte. Es gab keine Gesetzeshüter und kein Gefängnis. Das, weswegen Longtree gekommen war, würde er alleine erledigen müssen.

      Sein Gesicht war staubig und schmutzig. Der Wind wimmerte zwischen den Häusern, als er das Pferd, das Swift Fox ihm geliehen hatte, draußen vor dem Stall anband. Das Pferd, ein alter Grauschimmel, war alles andere als froh darüber, draußen im Wind gelassen zu werden.

      »Wird nicht lange dauern«, versprach Longtree.

      Er öffnete die abgesägte Flinte, die ihm der alte Flathead mitgegeben hatte, lud sie und betrat den verrottenden Brettersteig, den der Frost jeden Winter auf dem Boden verschob. Seine Armeesporen klapperten, als er lief. Swift Fox war etwas kundschaften gegangen und hatte herausgefunden, dass die Männer, nach denen Longtree suchte, oft im Corner Saloon von Bad River zu finden waren.

      Longtree befand sich nun auf dem Weg dahin.

      Damit er nicht den umhergewehten Sand einatmete, hatte er sich das Halstuch über Mund und Nase gezogen. Die Flinte hielt er fest in den Händen und hatte die Augen zu Schlitzen verengt. Seine dunkle Kleidung war jetzt grau vor Staub. Vor dem Saloon hielt er inne. Das Gebäude war am Verrotten, einstöckig, die Bretterverkleidung verzogen und mit Farbresten bedeckt, und über dem schiefen Türrahmen hing eine daran genagelte Armeedecke.

      Langsam trat Longtree ein, die Flinte schussbereit in den Händen. Drinnen war es düster; das einzige Licht kam von flackernden Öllampen. Der unebene Boden war mit streng riechenden Sägespänen bedeckt. Die stickige Luft stank nach billigem Alkohol, Rauch und Schweiß. Ausgemergelte Männer saßen an der Bar, einige an Tischen. Ein übergewichtiges, zahnloses Barweib, das speckig vor Schweiß und Schmutz glänzte, grinste Longtree mit gelbem Zahnfleisch entgegen.

      »Was darf's sein?«, fragte der Bartender. Er war kahlköpfig und hatte nur einen Arm. Ein leerer Ärmel war an seiner Körperseite befestigt.

      Longtree beachtete ihn nicht und ließ sein Halstuch über dem Gesicht, damit ihn die Männer am hinteren Tisch nicht erkannten.

      Sie waren alle da. Brickley, dürr und verhutzelt, den Hut fast bis über die Augen gezogen. Weiss, mollig und klein, grinste seine Partner an. Hannion, ein muskulöser Riese, hatte quer auf einer Wange eine Messernarbe.

      Longtree ging auf sie zu.

      »Willst du was?«, fragte Weiss. In seinem Unterkiefer steckte ein einziger Goldzahn.

      »Ich habe einen Haftbefehl für euch«, sagte Longtree. »Wegen Mordes.«

      Sie sahen ihn mit großen hasserfüllten Augen an.

      Longtree zeigte kurz sein Dienstabzeichen und zog sein Halstuch herunter.

      »Oh Gott«, stammelte Weiss. »Gott im Himmel … du bist tot …« Er fiel nach hinten vom Stuhl, während Brickley und Hannion nach ihren Revolvern griffen. Longtree schoss Brickley ins Gesicht und pulverisierte seinen Kopf in einem Sprühregen aus Blut und Knochen. Hannion zog seinen Revolver und bekam eine Kugel in die Brust, schlug auf dem Boden auf und zuckte wild, pisste ganze Bäche von Rot.

      Longtree öffnete die Flinte, nahm die Hülsen heraus und lud nach. Er trat über die Leichen und baute sich über Weiss auf. Der zitterte am ganzen Leib. Seine Hose war nass, wo er sich bepisst hatte. Blut der anderen beiden Männer klebte an ihm.

      »Wo ist mein Pferd?«, fragte Longtree. »Und meine Revolver?«

      Weiss erschauderte, konnte nicht reden.

      Longtree trat ihn ins Gesicht. Die Sporen schnitten ihm die Nasenspitze ab und er wurde gegen die Leiche von Hannion geschleudert. Weiss, dessen linker Arm bis zum Ellbogen im blutigen Krater von Hannions Brustkorb steckte, schrie auf. Longtree packte ihn bei den Haaren und zerrte ihn auf die Beine.

      »Meine Sachen«, sagte er mit trockener Stimme. »Und zwar sofort.«

      Kaum imstande, sich auf den Beinen zu halten, führte Weiss ihn aus dem Saloon und durch den brüllenden Sturm zum Stall. Eine Lampe brannte und ein grauhaariger alter Mann ölte Zaumzeug ein. Er sah das Blut an Weiss kleben, sah Longtrees Dienstabzeichen, und ergriff die Flucht.

      Weiss deutete auf Longtrees Pferd und Satteltaschen, seine zusammengerollten Decken und Waffen, die in der Ecke lagen. Dann fiel er wimmernd auf die Knie. Sabber lief ihm das Kinn hinunter.

      »Töten Sie mich nicht, Marshal! Oh, Gott im Himmel, töten Sie mich nicht!«, brabbelte er mit gebrochener, lispelnder Stimme. »Bitte! Die andern hatten mich dazu gezwungen! Sie hatten mich gezwungen!«

      Erneut trat Longtree ihm ins Gesicht. Der Mann heulte auf vor Schmerzen.

      Seufzend wandte sich Longtree seinen Sachen zu und durchsuchte sie. Alles war noch da, abgesehen von den Haftbefehlen und den Steckbriefen mit Beschreibungen der Männer – das fehlte. Seine Revolvergürtel und mit Nickel beschlagenen Colts waren unversehrt. Sein Winchester-Gewehr war entladen worden. Ansonsten war alles unberührt.

      Er hörte, wie sich Weiss hinter ihm stolpernd davonzumachen versuchte.

      Blitzschnell drehte sich Longtree um und ließ ihn die Ladungen aus beiden Läufen spüren. Die Schüsse katapultierten Weiss durch die Tür; sein Brustkorb und Bauch wurden zerfetzt. Er fiel als Leiche zu Boden, wurde nur noch von ein paar zerfaserten Streifen Fleisch zusammengehalten.

      Nachdem das Töten nun erledigt war, setzte sich Longtree hin und rauchte.

      Kapitel 5

      Später, als er die Toten zum Leichenbestatter gebracht und mit den Pferden und Waffen der Outlaws als Bezahlung eine Beerdigung arrangiert hatte, machte sich Longtree wieder auf den Weg. Er ritt zum Lager der Flathead und gab Swift Fox das Pferd und die Flinte zurück, bedankte sich.

      Dann machte er sich davon.

      Longtree gefiel Bad River nicht. Es stank nach Tod und Korruption. Doch wenn man ganz ehrlich sein wollte, gab es kaum Orte im Grenzgebiet, bei denen das anders war. Diese Wahrheit ließ ihn in tiefe Niedergeschlagenheit verfallen.

      Und so ritt er weiter.

      Er wendete sich nach Osten, in Richtung Fort Phil Kearny, wo ihn neue Befehle des U.S. Marshals Office erwarten würden.

      Und in dieser Nacht stank die Luft nach vergossenem Blut.

      Kapitel 6

      Der Weichensteller war ein großer Kerl.

      Er wog fast dreihundert Pfund, und obwohl einiges davon Fett war, bestand er hauptsächlich aus langen harten Muskeln, die sich in einem Leben voller schwerer Arbeit gebildet hatten. Er hieß Abe Runyon, war über Fünfzig und hatte schon so gut wie alles gemacht. Er hatte Pferdegespanne gelenkt und im Colorado Territory Postkutschen bewacht. Er war ein Vorarbeiter der irischen Arbeitstrupps gewesen, die für die Kansas Pacific Railroad Schienen von Kansas City nach Denver verlegt hatten. Er hatte Holz geschlagen und war Trapper gewesen.

      Die Arbeit bei der Eisenbahn gefiel ihm von allem am besten.

      Ganz besonders an diesem Abend. Das südwestliche Montana wurde schwer von einem Sturm gebeutelt. Schnee erstickte den Himmel, wurde von Windböen in Orkanstärke vorangetrieben, die aus den Tobacco Root Mountains herunterpeitschten. Fast zwanzig Zentimeter Schnee waren bereits gefallen.

      Er saß in seinem Stellwärterhäuschen