Durch das Leistungsfähigkeitsprinzip soll eine gerechte Besteuerung erfolgen und jeder nach seiner Zahlungsfähigkeit belastet werden. Dabei stellt die finanzielle Leistungsfähigkeit einen Maßstab für eine materiell gerechte Besteuerung dar[3].
Um der Leistungsfähigkeit Ausdruck zu verleihen, können von steuerbaren und steuerpflichtigen Einnahmen bestimmte Ausgaben abgezogen werden:
Betriebsausgaben,
Werbungskosten,
Sonderausgaben und
außergewöhnliche Belastungen.
Für einkommensteuerliche Zwecke sind nur die Einnahmen (als erste Kenngröße der individuellen Leistungsfähigkeit [4]) relevant, die einer der sieben Einkunftsarten zugeordnet werden können. Zwar erhöhen auch private Einnahmen die individuelle Leistungsfähigkeit; soweit aber nicht steuerbare Einnahmen vorliegen, werden sie i. R. d. Einkommensteuer nicht betrachtet.
Um eine gleichmäßige und gerechte Einkommensbesteuerung zu gewährleisten, ist nicht nur prüfen, welche Einnahmen und Ausgaben die steuerliche Bemessungsgrundlage beeinflussen dürfen, sondern auch, welcher Einkunftsart diese Zahlungen zuzuordnen sind. So macht es einen Unterschied, ob eine Einnahme den gewerblichen Einkünften oder einer selbständigen Tätigkeit zugeordnet wird: Gewerbliche Einkünfte unterliegen zusätzlich der Gewerbesteuer, die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nicht. Auch die Zuordnung von z. B. Zinsen zu verschiedenen Einkunftsarten führt zu unterschiedlichen einkommensteuerlichen Lösungen.
Zwar wird ein Kreditinstitut für Kapitalerträge Kapitalertragsteuer einbehalten; dieser Steuerabzug hat aber nur eine abgeltende steuerliche Wirkung, wenn die Kapitalerträge im Privatvermögen zufließen. Zusätzlich sind bestimmte Kapitalerträge, die in einem Betriebsvermögen zufließen, nur zu 60 Prozent steuerpflichtig.
Die Veräußerung von Wirtschaftsgütern kann ebenfalls zu fehlerhaften Steuerfestsetzungen führen, wenn das Rechtsgeschäft fälschlicherweise dem Betriebsvermögen statt dem Privatvermögen zugeordnet wird.
Neben der Frage, welche Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt werden dürfen, muss auch geklärt werden, wie die Einkunftsarten voneinander abzugrenzen sind. Neben grundlegenden Bemerkungen zur Steuerpflicht, Einnahmen und Ausgaben sowie den Gewinnermittlungsarten in den ersten beiden Kapiteln, gibt dieses Buch ab Kapitel drei grundlegende Abgrenzungsmerkmale der Einkunftsarten wieder. Es konzentriert sich dabei vor allem auf die Einnahmeseite und die eigentliche Abgrenzung der Einkunftsarten; die Ausgabeseite wird nur kurz beleuchtet.
[1] Tipke , Steuergerechtigkeit, 57.; Lang, Joachim (Hrsg.): Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion. Festschrift für Klaus Tipke zum 70. Geburtstag, S.16/17, Verlag Dr. Otto Schmidt Köln 1995.
[2] Birk, Dieter: Steuerrecht, 7., neu bearbeitete Auflage, Rz. 53 m. w. N, C. F. Müller Verlag Heidelberg 2004.; derselbe: Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen. Ein Beitrag zu den Grundfragen des Verhältnisses Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 20, Dr. Peter Deubner Verlag GmbH Köln 1983.
[3] Wernsmann, Rainer : Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 2005. (Beiträge zum Öffentlichen Recht, Jus Publicum Band 135), S.266, 287.
[4] Die abzugsfähigen Ausgaben bilden entsprechend die zweite Kenngröße).
1.1. Steuerpflicht[5]
Bevor man sich näher mit der Ermittlung der zu zahlenden Einkommensteuer beschäftigt, sind viele Bearbeitungsschritte erforderlich. Die systematische Reihenfolge der Bearbeitung ergibt sich aus § 2 EStG.
Dabei erfolgt eine Unterteilung in die subjektive (persönliche) Steuerpflicht – wer ist steuerpflichtig - und die objektive (sachliche) Steuerpflicht – welche Einnahmen sind steuerpflichtig. Diese Prüfung erfolgt im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte.
[5] Dazu auch: Eifler, Michael: Einführung in die Einkommensteuer - Grundlagen für Bilanzbuchhalter und Steuerfachangestellte, Seite 4 ff., 3. Auflage, Mastering ConceptConsult 2018.
1.1.1 Subjektive Steuerpflicht
Die persönliche Steuerpflicht und damit die Frage, wer einkommensteuerpflichtig ist und damit Einkommensteuersubjekt wird, regelt § 1 EStG. Das Einkommensteuergesetz unterscheidet dabei zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht.
Alle Personen, die weder unbeschränkt noch beschränkt steuerpflichtig sind, sind in Deutschland nicht einkommensteuerpflichtig.
1.1.1.1. Unbeschränkte Steuerpflicht § 1 Abs.1 EStG
§ 1 Abs.1 EStG ist der Haupttatbestand der unbeschränkten Steuerpflicht. Alle natürlichen Personen, die im Inland einenWohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
Als Inland zählt gemäß § 1 Abs.1 S.2 EStG der Geltungsbereich des EStG und damit das Gebiet Deutschlands. Liegt eine unbeschränkte Steuerpflicht vor, gilt das Welteinkommensprinzip. Nach diesem Prinzip unterliegen nicht nur inländische Einkünfte der Einkommensteuer, sondern alle Einkünfte, unabhängig davon, ob sie im In- oder im Ausland erzielt worden sind. Mögliche Doppelbesteuerungen werden über bi- oder multilaterale Abkommen vermieden [6].
[6] Kußmaul, Heinz: Betriebswirtschaftliche Steuerlehre – Lehr- und Handbücher der Betriebswirtschaftslehre, Seite 267 f., 7., vollständig aktualisierte und erweiterte Auflage, Oldenbourg Verlag München 2014. Weiterführend z. B. Fischer, Lutz/Kleineidam, Hans Jochen/Warneke, Perygin: Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Seite 41 ff., 5. neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage, Erich Schmidt Verlag Berlin 2005.
1.1.1.2. § 1 Abs.2 EStG Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht
Unbeschränkt steuerpflichtig sind auch Personen,
die deutsche Staatsangehörige sind,
im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben,
zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen,
dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen und
im Wohnsitzstaat nur beschränkt steuerpflichtig sind.
Darunter fallen z. B. die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes an den Botschaften, Soldaten und Polizisten im Auslandseinsatz und die zum Haushalt gehörenden Angehörigen.
1.1.1.3. § 1 Abs.3 EStG fiktive unbeschränkte Steuerpflicht
Die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs.3 EStG liegt vor, wenn ein beschränkt Steuerpflichtiger dies bei einer inländischen Finanzbehörde beantragt. Dieser Antrag ist dabei nur unter der Voraussetzung möglich, dass
die Gesamteinkünfte des Antragstellers im Kalenderjahr zu mindestens 90% der deutschen Besteuerung unterliegen oder
die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünften nicht größer als der Grundfreibetrag in Höhe von 9.000 € (2018) ist [7].
Die Höhe der ausländischen