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doch dann ließ sie sich nicht mehr länger darin halten. Sie drängte hinaus voll Ungeduld.

      »Na schön, steh auf«, gab Philchen nach. »Aber wehe, wenn du schlapp machst, dann kennt mein Zorn keine Grenzen!«

      Allein Silje machte durchaus nicht schlapp. Sie fühlte sich im Gegenteil so gekräftigt, daß Philchen sich entschloß, ihren Schützling jetzt endlich mit nach unten zu nehmen. Wohlweislich verschwieg sie dem Mädchen, was es erwartete. Ganz ohne Vorurteil sollte es in den Kreis derer treten, zu denen es fortan gehören sollte.

      Also trat Silje Berledes am Sonntagvormittag in das Wohngemach, in dem die Familie Hadebrecht versammelt war.

      Es herrschte an diesem Novembertag ein fahles Licht in dem weiten Raum. Aber schien es nicht plötzlich heller zu werden, als das fremde Mädchen auftauchte? Woran mochte das liegen? An dem zartfarbenen Kleid, den leuchtendblauen Augen, dem lichtbraunen Haar über das Goldfunken gestreut zu sein schienen? Es mußte wohl so sein. Denn die Miene Siljes war gewiß nicht strahlend. Es lag im Gegenteil etwas stolz Abweisendes auf dem jungen Antlitz, das noch immer ein wenig blaß war.

      Hier bringe ich euch meinen bisher so streng behüteten Schatz«, sprach Philchen munter in die beklemmende Stille hinein. Die Herren erhoben sich von ihrem Sitz und schauten ebenso gespannt wie die anderen auf Silje, die zögernd auf die Frau des Hauses zuging.

      »Willkommen bei uns!« bemühte sich die Dame einen herzlichen Ton anzuschlagen, was jedoch nicht ganz gelang. Denn sie war durch die Erscheinung des Mädchens so überrascht, ja geradezu befremdet. Sie hatte ein kümmerliches, hilfloses Wesen erwartet – und nicht eine solche Schönheit mit dem selbstsicheren Auftreten und der stolzen Abwehr.

      »Danke –«, entgegnete Silje leise wäh­­rend sie sich artig über die feine Frauenhand neigte. Die Bewegung hatte etwas Zwangloses und Natürliches, wie es nur junge Mädchen haben können, die sich von Kindheit an in der besten Gesellschaft bewegten.

      »Der Anfang wäre ja nun mit der Frau des Hauses gemacht«, bemerkte Philchen trocken. »Nun weiter, mein Herz. Das ist meine Nichte, Frau Grotner, dies die Frau meines Neffen, hier er selber – na, und den Herrn vom Ganzen kennst du ja schon. Und nachdem nun alles geklärt ist, wollen wir uns gemütlich hinsetzen.«

      Damit drückte sie Silje in einen der tiefen Sessel, setzte sich in den danebenstehenden, und nun nahmen auch die beiden Herren ihre Plätze wieder ein.

      »Potztausend, Marjellchen, du hast dich in der einen Woche ganz wunderbar herausgemacht!« blinzelte der Senior sein Mündel vergnügt an. »Da hat dich unser Philchen ja ganz nett aufgepäppelt –«

      »Ja – und deshalb bitte ich dich um Arbeit, Onkel Philipp«, warf sie hastig ein. »Du versprachst mir doch – –«

      »Man immer sachte mit den jungen Pferdchen!« unterbrach er sie nun seinerseits. »So weit bist du wohl noch lange nicht – oder – – ?«

      »Doch, frag nur Tante Philchen!« ging der Blick der wunderschönen Blauaugen flehend zu der Genannten hin, die ihr ermunternd zunickte.

      »Also, Philipp, tu ihr den Gefallen. Anders gibt sie ja doch keine Ruhe.«

      »Hm – wollen mal sehen. Was meinst du dazu, Eike?«

      »Das überlasse ich dir, Vater«, klang nun eine sonore Männerstimme auf, der Silje nachlauschte wie einem Ton in Moll.

      Ihr Blick streifte den Mann, der zwanglos im Sessel lehnte und die Fingerspitzen gegeneinander tippte.

      Er hat Ähnlichkeit mit Paps – stellte sie rasch fest. Nur seine Gestalt ist höher und sportgestählt, das Gesicht härter geschnitten, hauptsächlich der Mund, die Augen sind blauer und kühler, das Haar blonder. Es haftet ihm etwas von einem Herrenmenschen an, während der Paps ein wenig sensibel wirkte – –

      Weiter kam sie nicht in ihren verstohlenen Betrachtungen, denn die beiden Kinder traten ein. Doch ehe einer von den Erwachsenen noch zu Wort kommen konnte, sprach schon das altkluge Töchterlein Theas:

      »Sie sitzen mit hier, Fräulein? Aber wir wollen Sie doch gar nicht haben –«

      »Anka!« rief der Großvater streng dazwischen. »Was redest du denn da für einen Unsinn zusammen?!«

      »Aber Mami sagt das doch – und auch Tante Ilona«, wurde das vorher so kecke Stimmchen ganz kläglich. Sie eilte zur Mutter und schmiegte sich ängstlich an sie, die sie wie schützend umfaßte.

      »So ist’s richtig«, grollte der Senior. »Hätschle das vorlaute Gör nur noch, anstatt ihm den Schnabel zu beklopfen!«

      »Aber Papa, Anka ist doch ein Kind!«

      »Eben – und daher muß es erzogen werden.«

      »Ute is aber atig«, bemerkte jetzt die noch nicht ganz Dreijährige. »Nis, Opa?«

      »Na hoffentlich!« zwinkerte er dem reizenden Mägdlein zu, das sich zutraulich zwischen seine Knie schob. »Dein Schnäbelchen kann manchmal auch recht fürwitzig sein.«

      »Dann tieg ich eins dauf, sagt Papi…«

      Über diese trockene Bemerkung mußten die Erwachsenen lachen.

      Und sie taten es gern, um die Peinlichkeit zu überbrücken, welche die Bemerkung der vorlauten Anka hervorgerufen hatte.

      Man quälte sich noch ungefähr eine Viertelstunde mit einem nichtssagenden Gespräch ab, dann sagte Philchen:

      »Hopp, mein Mädchen, nach oben mit dir! Dein Antrittsbesuch ist beendet. Mehr kann man deinen immer noch angegriffenen Nerven nicht zumuten.«

      Gehorsam erhob sich Silje. Eine leichte, zwanglose Verneigung, dann verließ sie mit Philchen das Zimmer. Und kaum daß sie außer Hörweite waren, lachte Thea verärgert auf.

      »Lieber Himmel, die tut ja so, als wäre sie Majestät in Person!«

      »Was deine ungezogene Tochter sehr interessieren wird«, fuhr der Senior unwirsch dazwischen. »Raus mit euch, ihr Kleinzeug! «

      Eingeschüchtert trollten die Kinder ab und nun wandte sich der gereizte Mann an Tochter und Schwiegertochter.

      »Ihr sollt euch mal was schämen!Wenn ihr eure spitzen Zungen durchaus wetzen wollt, dann tut es wenigstens nicht in Gegenwart der Kinder. Was hat euch denn das Mädchen getan, daß ihr es so anfeinden müßt?«

      »Wir feinden es ja gar nicht an«, antwortete Ilona schnippisch, während Thea die gekränkte Miene aufsetzte, die man so gut an ihr kannte. »Wir sind nur der Ansicht, daß es hier nichts zu suchen hat.«

      »Ach, sieh doch mal einer an!« kniff der Mann die Augen zu und betrachtete das kapriziöse Persönchen ironisch. »Dann werdet ihr euch wohl zu einer anderen Ansicht bekehren müssen. Vorläufig bin nämlich ich immer noch der Herr im Hause und kann darin aufnehmen, wen ich will. Und wenn ihr da noch so sehr Gift und Galle speit – das Mädchen bleibt! Es hat nämlich ganz genau dasselbe Recht, hier zu sein, wie ihr beiden Mißgünstigen.«

      »Na, hör mal, Papa, das ist nun wohl ein Irrtum!« widersprach Ilona aufgebracht. »Ich bin die junge Herrin hier und Thea die Tochter des Hauses –«

      »Und Silje Berledes ist die Stieftochter meines ältesten Sohnes«, klang es hart dazwischen. »Also rechtlich gesehen meine Stiefenkelin. Noch etwas?«

      »Ach, es hat ja gar keinen Zweck, mit dir darüber zu reden«, trotzte Ilona, und ihr Schwiegervater lachte grimmig.

      »Eben darum laß es gefälligst bleiben. Schweigen soll ja Gold sein, wie ein Sprichwort sagt. Also beherzigt es in allem, was Silje Berledes betrifft.«

      Damit wandte er sich dem Sohn zu, der dem allen schweigend gefolgt war.

      »Hör zu, Eike. Ich habe mich entschlossen, die junge Dame in unserem Betrieb zu beschäftigen. Und zwar zuerst einmal als Hilfe meiner Sekretärin, die eine solche gut gebrauchen kann, weil ihr die Arbeit oft zuviel wird.«

      »Mir schon recht, Vater«, entgegnete der Sohn ruhig. »Da