DIE REGELN DER RACHE (Black Shuck 2). Ian Graham. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ian Graham
Издательство: Bookwire
Серия: Black Shuck
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352964
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ist deshalb nicht drin.«

      »Warum kann das denn nicht warten? Oder verschieb es doch einfach. Jemand sucht nach dir und will dich umbringen, Declan, aber du glaubst, in einen Flieger steigen und dich mit Politikern treffen zu müssen. Wir bekommen bald ein Baby! Das kann einfach nicht so weitergehen. So zu leben ertrage ich nicht!« Ihre Stimme wurde langsam leiser, und sie biss sich auf die Zähne. »Das will ich einfach nicht.« Nachdem sie aufgestanden und zum Fenster gegangen war, drehte sie sich bewusst nicht zu ihm um.

      Declan runzelte seine Stirn und beim Ausatmen fühlte er sich, als ob ihn eine gewaltige Last niederdrücken würde. Warum begriff sie es denn nicht einfach? Warum verstand sie den Grund nicht, warum er sich so verhielt, wie er es eben tat? Ihm ging es doch stets nur um sie.

      »Hör mir mal gut zu.« Er sprach nun mit tieferer Stimme und wesentlich eindringlicher, während er vorwurfsvoll einen Zeigefinger auf Constance richtete und in der Luft herumwedelte. »Die Sowjets haben mir bestimmt nicht beigebracht, dass ich weglaufen soll, weißt du? Ich wurde dazu ausgebildet, den Feind mit Krieg zu überziehen – keine Gefangenen, und solange kämpfen, bis der letzte Mann gefallen ist. Was das ganze Rennen und Verstecken angeht? Das geschah nur deinetwegen und für unser Baby, bestimmt nicht für mich.« Er musste eine kurze Pause machen, um die nächsten Worte zu finden.

      »Ich fliege nicht zu diesem Treffen, weil ich es will oder wegen Allardyce. Ich tu's für dich. Wenn wir klären können, was passiert ist und wie ich daran beteiligt war, schaffen wir es vielleicht, einen endgültigen Schlussstrich unter alledem ziehen zu können. Danach können wir endlich wieder nach Hause zurückkehren und unser altes Leben weiterführen.«

      »Während die IRA dich ermorden will?«, schrie sie im Gegenzug und fuhr endlich wieder herum, um ihn anzuschauen. »Denn genau so weit wird es irgendwann kommen. Hör doch auf, mich zu belügen!«

      Declan presste sein Gesicht einen Moment lang in seine Hände und rieb sich dann die Müdigkeit aus den Augen. Belügen … Ihre Formulierung und der kalte Unterton hallten in seinem Kopf wider. Seines Empfindens nach war das Ganze nicht gelogen – oder vielleicht doch? Immerhin tat er dies schon so lange, dass es ihm irgendwann in Fleisch und Blut übergegangen war, weshalb er mitunter das Gefühl hatte, die Wahrheit kaum noch von Geschichten unterscheiden zu können, die er so oft erfunden hatte, um zu verhindern, dass ihre wacklige Beziehung vollständig zerbrach.

      »Ist überhaupt noch etwas übrig, wofür es sich lohnt, nach Hause zurückzukehren?«, fragte sie in demselben gefühllosen und entrückten Tonfall und mit halb geschlossenen Lidern. »Ich habe meine Arbeit verloren, dein Geschäft ist weg, und nicht einmal unser Hund ist noch da.«

      Declan blickte auf und ging kurz in sich, um ruhiger zu werden und Verständnis dafür aufzubringen, was Constance gerade durchmachte. »Dann schlagen wir einfach woanders auf und fangen noch einmal ganz von vorne an. Für mich wäre es bestimmt nicht das erste Mal. Als ich damals nach Amerika kam, hatte ich genau sechsundzwanzig Pfund in der Tasche und nichts außer der Kleidung, die ich am Körper trug.« Die Erinnerung daran brachte ihn beinahe zum Lachen. »Wir werden verglichen damit um ein Vielfaches besser dastehen.«

      »Nein.« Sie hielt ihre Hände hoch und schüttelte vehement den Kopf, als sei sie gerade zu einer wichtigen Erkenntnis gelangt. »Nein!«

      Declan bemerkte selbst, dass er seine Augen weit aufriss, und spürte plötzlich eine Furcht vor dem, was als Nächstes kommen würde, in sich aufsteigen.

      »Nein«, wiederholte sie. »Wenn du schon so viel für mich tust, was hältst du dann davon … Ich mache zur Abwechslung mal etwas für mich selbst! Ich buche mir einen Flug in die Staaten und verzieh mich einfach nach Hause! Nach Hause, Declan, zu meiner Mom und meinem Dad!«

      Er erhob sich und machte unbewusst ein flehendes Gesicht.

      »Fang gar nicht erst an!« Sie dämpfte ihre Stimme zu einem lauten Wispern. »Wenn du meinst, den Weltreisenden mimen zu müssen, dann kann ich das auch. Es ist aus zwischen uns.«

      Der letzte Satz traf ihn wie ein Hammer auf den Kopf. Er sank auf die Bettkante und starrte auf den Boden. Während er die Augen schloss, konzentrierte er sich darauf, durch die Nase zu atmen. Er war wütend, obwohl er es nicht wollte. Am liebsten hätte er auf den Putz gehauen und etwas ganz und gar Gemeines gesagt. Allerdings widerstand er der Versuchung, denn am besten, so redete er es sich zumindest ein, sei ein Rückzug. Gib ihr ein wenig Freiraum. Sie meint es doch nicht so. Das ist bloß emotionaler Aufruhr. Sie wird schon darüber hinwegkommen.

      Während er langsam wieder aufstand, merkte er, dass seine Beine taub waren, was er sich nicht erklären konnte. Dann schaute er seiner Frau lange ins Gesicht, das so ausdruckslos war, als warte sie förmlich darauf, alles zu kontern, was er zu seiner Rechtfertigung hervorbringen könnte. Er öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton hervor. Stattdessen nahm er einen weißen Umschlag aus der Gesäßtasche seiner Hose und legte ihn auf den Nachttisch.

      »Ich habe ein paar Vorkehrungen für den Notfall getroffen und die Erklärung dazu nach Zürich geschickt«, sagte er, während er um die richtigen Worte und seine Selbstbeherrschung rang. »Das ist nur für dich. Falls etwas schiefgeht, werde ich auf diese Weise zurückkommen.«

      Nun verließ er den Raum, und er hörte, wie Constance über den Teppich lief. Kurz darauf, als er sich nach seiner Tasche bückte, traf ihn das Papier am Rücken. Er drehte sich um, als es auf den Boden fiel.

      »Vielleicht beruhigt es dich ja, wenn ich dir sage, dass ich mir nicht einmal sicher bin, ob die IRA mich tö…«

      »Du kapierst es einfach nicht!«, kreischte sie. »Mir ist es egal, wer dich töten will. Das ist seine Sache, wer auch immer es sein mag – und deine.« Sie hielt inne und verstummte dann. Ihr Blick irrte durch das Zimmer, so als könne sie selbst kaum fassen, was sie da gerade von sich gegeben hatte. »Ich will mich von dir scheiden lassen!«

      Kapitel 16

       16:51 Uhr Ortszeit, British Airways Flug #0718 irgendwo über Südengland

      »Lassen Sie die Cola weg und behalten Sie den Rest«, sagte Declan leise, während er einen 20-Pfund-Schein für die Stewardess hochhielt, die ihm gerade eine Miniflasche Johnnie Walker Black Label und einen Becher voller Eis gegeben hatte. Die Frau suchte seinen Blick, und er hielt zwei Finger hoch. Daraufhin steckte sie das Geld ein und griff lächelnd, als seien ihre Züge so erstarrt, nach unten in ihr Wägelchen. Nachdem sie noch zwei Fläschchen genommen hatte, reichte sie diese seiner Platznachbarin und ging weiter.

      »Bleiben Sie auf jeden Fall in der Nähe.« Er drehte den Verschluss von seinem Whiskey, beachtete den Becher Eis nicht weiter und trank kurzerhand direkt aus der Flasche.

      »Ist heute wieder so ein Tag?«, fragte die Frau auf dem Nebensitz.

      Der gelbbraune Alkohol brannte den gesamten Weg, bis er schließlich in seinem Magen landete. Es war zwar nicht Glenmorangie oder Glenfiddich, die er normalerweise bevorzugte, aber es erfüllte seinen Zweck. Declan schaute seine Nachbarin erneut an. Sie war zierlich, rothaarig und hellhäutig. Deshalb sah sie Constance sehr ähnlich, aber das dachte er irgendwie von jeder Frau, die ihm begegnet war, seit er das Hotel verlassen hatte. War es ein Fehler gewesen, zu verschwinden? Er schüttelte seinen Kopf, um wieder klare Gedanken zu bekommen.

      Die Fremde strahlte ihn weiterhin freundlich an, während er noch ein paar Sekunden zu ihr schaute. Als er seine Verzweiflung verdrängte, erkannte er, dass sie noch recht jung war – vielleicht Ende zwanzig – und glatte Haare bis zu den Schultern und ein kindliches Gesicht hatte. Nein, sie ähnelte Constance in Wirklichkeit überhaupt nicht.

      »Aye, ich schätze schon.« Er trank noch einen Schluck und wandte sich dann ab.

      »Das ist aber schade, denn anscheinend jedes Mal, wenn ich neben einem Mann sitze, der auf eine raue Art attraktiv ist, stellt er sich irgendwann entweder als Schwuler oder als Säufer heraus.«

      Declan kippte den Rest von dem Whiskey hinunter und öffnete sofort die nächste Flasche. Warum musste