GRIMWEAVE – Das Monster der grünen Hölle. Tim Curran. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tim Curran
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Ужасы и Мистика
Год издания: 0
isbn: 9783958353848
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Saigon. Aus irgendeinem Grund fand er aber, dass sie doch anders aussahen. Er stopfte sie in seinen Rucksack.

      »Komm schon, Gunny«, meinte er. »Ich bin jetzt seit acht Monaten in dem Land und bin keine Jungfrau mehr.«

      Gunny lachte. »Acht Monate? Acht verdammte Monate? Du bist so frisch wie dein kleiner Pimmel mein Junge. Du hast noch nicht mal richtig Blut geleckt geschweige denn angefangen. Das hier ist meine dritte Tour. Wenn du drei Touren gemacht hast, du Scheißhausfliege, dann weißt du, was echte Scheiße ist. Es braucht allein drei Monate, um deine Eier abzukochen. Nach verdammten drei Scheißtouren weißt du, wie es ist, vom System so richtig gefickt zu werden.«

      Spiers seufzte und zündete sich eine Zigarette an. Ja klar, jetzt geht es wieder los. 30 Jahre im Corps Bougainville und so weiter … »Alles schon gehört, Gunny, alles Scheiße und du bist der Held, wenn du schon nicht John Wayne bist.«

      »John Wayne? Jetzt beleidige mich hier nicht und vergleiche mich mit dieser Hollywood-Schwuchtel, die nie gedient hat. John Wayne kann nicht das eine Ende eines Sturmgewehrs vom anderen unterscheiden. Der setzt sich doch zum Pissen.«

      »War doch nur Spaß, Gunny.«

      »Versuch das noch mal, und dann haben wir alle was zu lachen.«

      »Schon gut.«

      Carmody grinste wieder. »Das gefällt mir an dir, Cherry. Du hast vor niemandem Respekt. Was für ein Marine bist du eigentlich? Ich hab so das Gefühl, dass da ein Hippie in dir steckt, der versucht auszubrechen. Dass du dir deinen Arsch mit der Flagge abwischst und deinen BH verbrennst, wenn ich dich lassen würde.«

      »Na, meine Titten sind hier in der Hitze schon verschwitzt genug, Gunny.«

      Carmody machte ein finsteres Gesicht. Nun lachte Spiers. Das trauten sich nicht viele. Carmody war extrem bissig. Er mochte es, Leute zu zerfleischen. Er war gut darin. Wenn man aber mal hinter seine Fassade geblickt hatte, dann war er nicht ganz so schlimm. Man musste eben nur die Leichen übersehen, die er wie eine gezähmte Schlange hinterließ, und aufpassen, ihm nicht den Rücken zuzudrehen.

      Spiers seufzte. »Die Waffen hier sind völlig wertlos, Gunny.« Er kickte nach einem Berg AK-47, die er den Leichen abgenommen hatte. »Noch nicht mal eine SKS drunter. Ich würde mein rechtes Ei für eine SKS tauschen. Jedes Mal, wenn wir hier draußen sind, denke ich, wir finden eine. Aber bis jetzt kein Glück.«

      Eine SKS war eine halbautomatische Sturmwaffe, nach der er sich seit Monaten umschaute. Er war sich nicht mal sicher warum, nur der Tatsache, dass er noch keine bekommen hatte.

      Carmody blickte in Richtung Baumgrenze. »Ja, ja, du und deine verdammte SKS. Und wer hat dir gesagt, du kannst dir einen Glimmstängel anmachen? Mach das Scheißding aus. Die Typen hier riechen den amerikanischen Tabak meilenweit.«

      »Ich bin eh fertig.« Spiers zertrat die Zigarette mit seinem Stiefel in der feuchten Erde, sodass niemand einen amerikanischen Zigarettenstummel finden konnte.

      Carmody zog sich die Mütze vom Kopf und schlug damit nach den Fliegen. Mit der anderen Hand kratze er sich seinen grauen stoppeligen Schädel. Mit dem Fernglas suchte er den Dschungel in alle Richtungen ab. Er fluchte und schüttelte den Kopf.

      »Wenn dieser schlitzäugige Offizier angeschossen ist, dann hat er eine ziemlich gute Distanz gemacht.«

      »Er stirbt sowieso, soll er. Den finden wir eh nie. Du weißt doch, wie die alle umfallen.«

      »Halt‘s Maul, SuzieQ, und kümmere dich um die Waffen!«

      Spiers machte sich daran, die AK‘s zu demontieren. Das war Standardverfahren. Was nicht mitgenommen werden konnte, musste für den Feind unbrauchbar gemacht werden. Im Falle von Sturmgewehren wurden diese so manipuliert, dass sie beim nächsten Gebrauch explodierten. Dem Feind etwas verweigern ging bis ins äußerste Extrem, wie alles in diesem Krieg. Die Infanterie zerstörte prinzipiell alles, was nicht mitgenommen werden konnte – sie verbrannten Hütten, sprengten Munitionslager, bauten Sprengfallen. Haustiere wie Schweine, Hühner und Hunde wurden erschossen und man brannte die Felder nieder. Es war eine regelrechte Kunst der völligen Zerstörung und es gab kein gefährlicheres Tier als einen losgelassenen amerikanischen 19-jährigen Jungen. Spiers hatte von SEALS und Berets gehört, die Giftflaschen in Brunnen schütteten oder Vieh mit Krankheitserregern infizierten. Vielleicht war das alles nur Schwachsinn, vielleicht aber auch nicht. Solche Geschichten jedenfalls machten die Runde und man versuchte nicht so viel darüber nachzudenken.

      Spiers und Carmody waren ein Scharfschützen-Team, Kundschafter und Schütze, aber sie machten beide anteilig beides. Viel gab es nicht, was sie taten, außer dem Gegner Kugeln in die Köpfe zu ballern. Heute war es ein guter Überfall gewesen. Sechs Viet-Cong-Pioniere. Ein Kinderspiel. Sie hatten sie an einem trockenen Flussbett überrascht und einen nach dem anderen hochgenommen. Beide hatten sie den Feind verfolgt. Sie hatten oben auf einem Hügel in einem Bambusdickicht gehockt und geschossen, bevor die VC überhaupt kapierten, was los war. Es war fast schon zu einfach gewesen. Glatte Kopfschüsse in den meisten Fällen. Und jedes Mal hatte es Spiers gepackt: Sobald Köpfe fielen, drehte sein Verstand durch und die Schießerei fuhr wie ein elektrischer Nerv an ihm herunter. Es war fast schon obszön, einen Menschen so sterben zu sehen, zappelnd und windend und doch … faszinierend. Ein Nebenkriegsschauplatz, der einen anekelte, und doch musste man hinschauen. Keiner wünschte sich so einen Tod.

      Carmody hatte schon ein paar Typen auf diese Weise hochgehen lassen. Die Schlitzaugen wollten es ja nicht anders, als sich so überwältigen zu lassen, während sie ihren Reis und Fisch verzehrten. Eigentlich sollte Uncle Ho ihnen dankbar sein für die Entsorgung der Bastarde. Nach der Schießerei hatte Carmody noch eine Granate ins Wasser geworfen, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten. War zwar nicht unbedingt nötig gewesen, doch Carmody war eben sorgfältig. Trotz alledem war ihnen ein Offizier entkommen. Diese Viets konnten ganz schön hartnäckig sein, wenn sie wollten.

      Spiers hatte ihn gut sehen können mit seinem Leinengürtel und dem roten Stern auf der quadratischen Alugürtelschnalle. Jawohl, ein Offizier. Er hatte ihn deutlich fallen sehen, als die Salve von Carmody ihn in den Bauch getroffen hatte, und doch war er entkommen. Verrückt. Nicht zum ersten Mal war Spiers vom Überlebenswillen der Menschen beeindruckt.

      »Wir sollten unsere Ärsche besser hier rausbringen, Gunny«, sagte er mit einem unguten Gefühl. Die Sonne, die Hitze und der Gestank nach verfaultem Unterholz verunsicherten ihn. »Wir sollten nicht hier draußen bleiben.«

      Doch Carmody hatte seinen typischen Blick.

      »Ich denke, wir sollten diesen Offizier verfolgen, Cherry.«

      Scheiße, dachte Spiers, da geht mein Feierabendbier flöten. Carmody, du verdammter Schlitzaugen-Jim-Jäger.

      Er leckte sich das Salz von den Lippen. »Vielleicht sollten wir es jetzt dabei belassen, Gunny. Der Typ hat sich bestimmt in Richtung Basislager davongemacht. Wir sind nicht in der Lage, es heute noch mit einer ganzen VC-Kompanie aufzunehmen.«

      »Sei nicht so ein Waschweib, Cherry. Da draußen ist kein Camp. Da ist gar nichts. Keine Charlies, noch nicht mal Tarzan. Nur ein Schlitzauge mit einem Bauchschuss, das ich endgültig erledigen will. Auch wenn der Hurensohn tot sein sollte, wenn wir ihn finden.«

      Spiers schüttelte den Kopf. »Mann, der ist in Richtung Osten abgehauen, verdammt nochmal. Möglicherweise zur Grenze, nach Kambodscha, zu seiner Einheit. Verdammte Scheiße, wir sind wahrscheinlich selbst nicht weit weg davon. Wir sollen nicht über die Grenze, das weißt du so gut wie ich.«

      »Sagt wer?«

      »Die Vorschriften. Unser Auftrag.«

      »Fick die Regeln, Cherry«, fluchte Carmody. »Ich will den Affenarsch. Ich will seinen dämlichen Schädel an meine Wand nageln. Außerdem sind wir gut zwölf Stunden von der Grenze entfernt und der liegt wahrscheinlich schon tot im Gebüsch. Ich sage, wir greifen uns den Hurensohn.«

      Spiers spuckte aus. »Das sind keine zwölf Stunden, Gunny, wir sind viel näher dran. So weit draußen waren wir noch nie. Die Grenze ist garantiert hinter diesem Hügel, und dann werden wir