Die wichtigsten von allen neueren paläontologischen Entdeckungen, welche die Stammesgeschichte der Zottentiere aufgeklärt haben, betreffen unseren eigenen Stamm, die Legion der Herrentiere (Primates). Früher waren versteinerte Reste derselben äußerst selten. Noch Cuvier, der große Gründer der Paläontologie, behauptete bis zu seinem Tode (1832), daß es keine Versteinerungen von Primaten gäbe; zwar hatte er selbst schon den Schädel eines eozänen Halbaffen (Adapis) beschrieben, ihn aber irrtümlich für ein Huftier gehalten. In den letzten Dezennien sind aber gut erhaltene, versteinerte Skelette von Halbaffen und Affen in ziemlicher Zahl entdeckt worden; darunter befinden sich alle die wichtigen Zwischenglieder, welche eine zusammenhängende Ahnenkette von den ältesten Halbaffen bis zum Menschen hinauf darstellen.
Der berühmteste und interessanteste von diesen fossilen Funden ist der versteinerte Affenmensch von Java, welchen der holländische Militärarzt Eugen Dubois 1891 entdeckt hat, der vielbesprochene Pithecanthropus erectus. Er ist in der Tat das vielgesuchte »Missing link«, das angeblich »fehlende Glied« in der Primatenkette, welche sich ununterbrochen vom niedersten Affen bis zum höchst entwickelten Menschen hinaufzieht. Ich habe die hohe Bedeutung, welche dieser merkwürdige Fund besitzt, ausführlich erörtert in dem Vortrage »Über unsere gegenwärtige Kenntnis vom Ursprung des Menschen«, welchen ich am 26. August 1898 auf dem vierten internationalen Zoologenkongreß in Cambridge gehalten habe. Der Paläontologe, welcher die Bedingungen für Bildung und Erhaltung von Versteinerungen kennt, wird die Entdeckung des Pithecanthropus als einen besonders glücklichen Zufall betrachten. Denn als Baumbewohner kommen die Affen nach ihrem Tode (wenn sie nicht zufällig ins Wasser fallen) nur selten unter Verhältnisse, welche die Erhaltung und Versteinerung ihres Knochengerüstes gestatten. Durch den Fund dieses fossilen Affenmenschen von Java ist also auch von seiten der Paläontologie die »Abstammung des Menschen vom Affen« ebenso klar und sicher bewiesen, wie es früher schon durch die Urkunden der vergleichenden Anatomie und Ontogenie geschehen war; wir besitzen jetzt in der Tat alle wesentlichen Urkunden unserer Stammesgeschichte.
Zusatz (1908). Die dreißig Hauptstufen, die sich gegenwärtig in der Stammeskette unserer tierischen Vorfahren unterscheiden und auf sechs Strecken verteilen lassen, habe ich übersichtlich zusammengestellt in meiner Festschrift über: »Unsere Ahnenreihe (Prognotaxis hominis)«. Jena 1908.
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