„Dieses elende Dreckschwein“, murmelte Patrick Evarts. „Den sollte man in einen dreckigen Lappen einwickeln und den Haien zum Fraß vorwerfen.“
„Den würden sie garantiert wieder ausspucken“, sagte Mac Pellew.
Das Murren der Leute wurde lauter. Jeder von ihnen hatte gesehen, daß das Wasser in der Karaffe um einiges sauberer gewesen war als das, was ihnen vorgesetzt wurde, und dieser hochnäsige Affe schüttete es dem jungen Drake in die Fresse und erklärte, er würde sich nicht mal mit dem Wasser, das die Mannschaft trinken mußte, waschen!
Carberry spürte die Wut, die seine Leute ergriffen hatte, fast körperlich. Wenn er nichts unternahm, würde es eine Meuterei geben. Zu lange hielt die Windstille sie schon in diesen Breiten. Die Untätigkeit trieb die Männer zu Handlungen, die sie unter normalen Umständen niemals begehen würden.
„Wer noch einmal behauptet, daß der ehrenwerte Sir Thomas ein elendes Schwein ist, wird ausgepeitscht, bis ihm die Haut in Fetzen herunterhängt!“ brüllte Carberry aus vollem Hals. „Ich werde euch zeigen, was sich für einen ehrlichen englischen Seemann gehört! Alle Mann in die Wanten! Überprüft sämtliche Spieren und Stags! Auf, ihr Himmelhunde, oder ich jage euch mit dem Belegnagel die Masten hoch!“
Das Schiff dröhnte unter den stampfenden Füßen der Männer. Ihre angespannten, vor Wut verzerrten Gesichter hatten sich gelöst. Mit grinsenden Gesichtern befolgten sie Carberrys Befehle, und die Seitenblicke, die sie zum Quarterdeck hinüberwarfen, waren eher offen als versteckt.
Sir Thomas Doughtys Gesicht war noch eine Idee bleicher als gewöhnlich. Voller Zorn starrte er den breitschultrigen Profos an, der seine Mütze vom Kopf gerissen hatte und sich ehrerbietig vor ihm verneigte, als hätte er ihm einen Ehrendienst erwiesen.
Sir Thomas durchschaute den Riesen, der den harmlosen Tölpel spielte, aber er würde ihm nichts nachweisen können. Der Profos hatte ihn lächerlich gemacht und seinen Plan, die. Männer zu einer Meuterei zu bewegen, ins Gegenteil gekehrt. Durch seine Bemerkung hatte der Profos alle Männer auf seine Seite gebracht.
Die Tür unter dem Achterdeck schwang auf.
Francis Drake kniff die Augen ein wenig zusammen und blickte in die Takelage, in der seine Männer wie Affen herumturnten. Er ging zu Doughty hinüber und blickte ihn eine Weile nachdenklich an.
„Sie sollten sich etwas zusammennehmen, Mister Doughty“, sagte er leise. „Die Männer sind schon nervös genug.“
„Das kann ich ihnen nicht verdenken“, sagte Doughty heftiger, als er es beabsichtigt hatte. „Statt mit den Afrikanern Handel zu treiben und Geld zu verdienen, lassen Sie sich auf ein Abenteuer ein, an dessem Ende nichts anderes als der Tod steht. Ich habe genausowenig Lust wie Ihre Leute, an einer fremden Küste von Eingeborenen getötet zu werden oder in einem Sturm mit dem Schiff unterzugehen.“
Francis Drake lächelte.
„Vor einem Sturm brauchen Sie im Moment wirklich keine Angst zu haben“, sagte er.
Er wandte sich von Doughty ab, um Carberry nach dem Grund zu fragen, weshalb er die Leute in der Takelage herumklettern ließ, als ein heller Schrei eines Mannes aus dem Großmars über das Schiff gellte.
„Schiff in Sicht! Backbord voraus!“
2.
Philip Hasard Killigrew glaubte nicht an Geister und Dämonen. Aber dieser schwarze Kasten, auf den seine Männer zupullten, jagte auch ihm einen leichten Schauer über den Rücken.
Die See war immer noch bleiern. Hasard fragte sich, wann diese verdammte Flaute endlich ein Ende nehmen wollte. Er hatte so etwas noch nie erlebt. Aus den alten Berichten der ersten Männer, die den Atlantik überquert hatten, ging hervor, daß ein ständiger, kräftiger Wind sie vorwärtsgetrieben hätte. Doch Nuno da Silva, der portugiesische Lotse, den Drake bei sich an Bord hatte, behauptete, diese Winde seien nördlicher anzutreffen. Hier, nur ein paar Grade nördlich des Äquators, sei eine windlose Zone, die die Portugiesen und Spanier möglichst mieden.
Hasard fragte sich, warum Drake in diese Zone gesteuert war. Hatte er den Worten des portugiesischen Lotsen keinen Glauben geschenkt? Hasard mußte zugeben, daß auch er nicht an diese windlose Zone geglaubt hätte, wenn er sie jetzt nicht selbst erlebt hätte.
Die schwarze Galeone war immer noch eine Kabellänge von ihnen entfernt. Hasard trieb seine Männer nicht an. Sie hatten Zeit. Es sah nicht so aus, als würde sich die Wetterlage in den nächsten Stunden ändern.
Die schwarze Galeone war voll getakelt, und doch hatte es den Anschein, als hätte sich seit Tagen niemand mehr um die Segel gekümmert. Nirgends war ein Zeichen von Leben zu entdecken. Falls es Menschen auf der schwarzen Galeone gab, dann mußten sie die anderen Schiffe doch ebenfalls gesehen haben!
Hasard schüttelte sich bei dem Gedanken daran, daß die Mannschaft der Galeone vielleicht von einer Krankheit dahingerafft worden war. Sie mußten sehr vorsichtig sein, sonst holten sie sich die Pest noch auf das eigene Schiff.
Die „Pelican“ war neben der „Isabella II.“ am dichtesten zur schwarzen Galeone aufgeschlossen. Hasard hörte die mächtige Stimme Carberrys, der die Rudergasten anbrüllte, sie sollen gleichmäßiger pullen. Nur langsam schoben sich die Schiffe, die an den Schleppleinen der Boote hingen, durch das glatte Wasser, das die Farbe einer saftigen Wiese hatte.
Hasard kniff die Augen zusammen. Drakes Auftrag, die schwarze Galeone zu entern, behagte ihm immer weniger. Vielleicht hätten sie lieber mit der „Isabella II.“ dicht an die schwarze Galeone heranfahren sollen, um von den Masten aus auf das Deck des unheimlichen Schiffes blicken zu können.
Sechs Männer hatte Hasard in seinem Boot. An Steuerbord saßen Batuti, Stenmark und Matt Davies, an Backbord Dan O’Flynn, Smoky und Ferris Tucker. Im Gegensatz zu Hasard, der steuerte, mußten sie den Kopf wenden, um zur Galeone hinüberblicken zu können.
Hasard erkannte an ihren angespannten Gesichtern, daß sie mit dem Befehl Drakes, die schwarze Galeone zu entern, genauso unzufrieden waren wie er selbst. Andererseits schienen sie froh zu sein, daß endlich wieder einmal etwas los war, das sie aus dem ewigen Einerlei herausriß.
Hasard war froh, diese Männer um sich zu wissen. Die Zeit, die sie zusammen an Bord ihrer ersten „Isabella“ verbracht hatten, hatte sie zu einer Gemeinschaft zusammengeschweißt, die auch nicht zerbrach, wenn sie dem Tod von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.
Hasard wußte von Tim Brewer, was auf den anderen Schiffen des kleinen Geschwaders vor sich ging. Die Männer wurden langsam verrückt vor Angst. Sie hatten beim Auslaufen in der Heimat geglaubt, sie würden zu einer Handelsreise nach Ägypten aufbrechen, und nun segelte Francis Drake mit ihnen in eine unbekannte Welt, in der Dämonen und Ungeheuer nur darauf warteten, sie zu verschlingen.
Philip Hasard Killigrew hatte seine Mannschaft darauf eingestellt, daß dieses Unternehmen alles andere als eine Vergnügungsreise werden würde. Sie gingen ein großes Risiko ein, doch dieses Risiko war kalkuliert.
Gewiß, sie konnten einem Sturm zum Opfer fallen oder von feindlichen Eingeborenen, die bereits mit den Spaniern oder Portugiesen üble Erfahrungen gesammelt hatten, getötet werden. Vermutlich würden sie auch Kämpfe mit spanischen Schiffen auszufechten haben, aber das war schließlich der Sinn der Reise. Und eins war auch klar: Wer diese Reise lebend überstand, würde als reicher Mann nach England heimkehren.
Tim Brewer, der junge Trompeter Drakes, hatte Hasard von Sir Thomas Doughtys Stänkereien an Bord der „Pelican“ berichtet. Es hatte Hasard nicht überrascht. Er ahnte, daß Doughty nur aus einem bestimmten Grund an dieser Reise teilgenommen hatte: um sie zu verhindern. Aber wie sollte er seine Vermutung beweisen? Konnte er vor Francis Drake treten und Sir Thomas verdächtigen? Nein, Drake würde ihn einen Narren nennen. Dabei wußte Drake so gut wie jeder andere, daß Thomas Doughty enge Beziehungen zu Lord Burghley hatte, und der Lordschatzkanzler gehörte zu denen, die der Königin immer wieder davon abrieten, Spanien zu verärgern.
Drakes Reise war mehr