Allein Danusia war nicht die einzige, die sich Zbyszko näherte. Die Fürstin, die Hofherren und die Hofdamen, die fahrenden Schüler und die Mönche, alle wollten den Jüngling genauer sehen. Die masurischen Mädchen schauten zugleich prüfend und bedauernd auf die glänzende Erscheinung Zbyszkos, eine jede sichtlich schmerzlich davon berührt, daß er sie nicht zu seiner Auserkorenen erwählt hatte – die älteren Frauen bewunderten seine kostbare Gewandung, kurz, rings um ihn her stand ein Kreis von Neugierigen. Zbyszko aber, mit einem herausfordernden Lächeln auf seinem jugendlichen Antlitz, drehte sich unwillkürlich hin und her, damit man ihn besser sehen konnte.
»Wer ist das?« fragte einer der Mönche.
»Das ist ein Ritter, der Bruderssohn dieses Edelmannes,« erwiderte die Fürstin, auf Macko zeigend, »der sich dem Dienste Danusias gelobt hat.«
Der Mönch zeigte keinerlei Verwunderung über diesen Ausspruch, denn ein solcher Dienst verpflichtete zu nichts. Ein Ritter diente häufig einer verheirateten Frau, und in den hervorragenden Geschlechtern, unter welchen die abendländischen Sitten gäng und gäbe waren, hatte thatsächlich eine jede Dame ihren Ritter. Diente indessen ein Ritter einer unverheirateten Frau, so harrte diese nicht bei ihm aus, nein, im Gegenteile, sie nahm meistens einen andern Gatten, während er ihr, sofern er die Tugend der Standhaftigkeit besaß, die Treue bewahrte, auch wenn er sich mit einer andern vermählte.
Selbst die große Jugend Danusias setzte die Mönche nicht allzusehr in Staunen, bekleideten doch in jener Zeit sechzehnjährige junge Leute schon das Amt eines Burgvogts. Ja, die hohe Königin Jadwiga zählte bei ihrer Ankunft aus Ungarn erst fünfzehn Jahre, und es gehörte nicht zu den Seltenheiten, daß sich dreizehnjährige Mädchen schon verheirateten. Zbyszko erregte indessen in diesem Augenblicke weit mehr das Interesse als Danusia, und alle lauschten gespannt den Worten des Macko, der, voll Stolz auf den Bruderssohn, erzählte, auf welche Weise der Jüngling zu der prächtigen Gewandung gekommen war.
»Es mag wohl jetzt ein Jahr und neun Monate her sein,« so sprach Macko, »da waren wir zu Gast gebeten bei sächsischen Rittern. Unter ihnen befand sich ein Ritter aus dem Stamme der Friesen, die gar weit an dem Meere wohnen, und der hatte einen Sohn bei sich. Letzterer war drei Jahre älter als Zbyszko. Einmal nach dem Mahle hänselte der junge Friese meinen Bruderssohn fortwährend darüber, daß er weder Schnurrbart noch Knebelbart habe. Zbyszko, der stets rasch entschlossen ist, hörte dies nicht lange ruhig an, sondern packte ihn sofort am Kinn und riß ihm alle Barthaare heraus – später aber schlugen wir uns auf Tod oder auf Knechtschaft.«
»Wie, Ihr schlugt Euch?« fragte der Herr aus Dlugolas.
»Ja. Denn auf der Seite des Sohnes kämpfte der Vater, und ich stritt auf der Seite Zbyszkos: folglich kämpften wir zu vieren, inmitten der Gäste, auf der festgetretenen Erde. Solchergestalt lautete indessen die Abmachung: wer siegte, der sollte die Wagen, die Pferde und die Diener des Besiegten erhalten. Und Gott ließ uns seinen Schutz angedeihen. Wir trugen den Sieg über die Friesen davon, wenn schon mit Aufbietung aller Kraft, denn es fehlte ihnen weder an Tapferkeit, noch an Stärke. Gar beträchtliche Beute war unser Lohn. Nicht weniger als vier Wagen, an jedem ein Paar Klepper, vier kräftige Hengste, etliche Diener und zwei Rüstungen, so auserwählt, wie man sie bei uns kaum kennt, fielen uns zu. Vom Kopf bis zu den Füßen konnten wir uns durch die Beute nach dem Kampfe wappnen, allein, außerdem bedachte uns der Herr Jesus mit gar mancherlei, denn kostbare Gewänder fanden sich in einem zierlich beschlagenen Schrein, und auch die, welche Zbyszko jetzt trägt, waren darin.«
Auf diese Worte hin blickten die beiden Krakauer und alle Masuren mit noch größerer Hochachtung auf den Ohm und dessen Bruderssohn, der Herr aus Dlugolas, genannt Obuch, hingegen bemerkte: »Ihr seid nicht saumselig, das sehe ich, vor Euch kann man Respekt haben. Wir glauben jetzt, daß jener Grünschnabel drei Büsche Pfauenfedern erbeutet.«
Wohl zog nun ein Lächeln über Mackos Antlitz, doch in seinen ungeschlachten Zügen drückte sich große Habgier aus.
Jetzt erschienen wieder Klosterbedienstete mit Lastkörben voll Wein und allerlei Leckerbissen, und ihnen folgten Dienerinnen, die Schüsseln voll Rühreier und Bratwürste trugen. Bald duftete die ganze Stube nach wohlriechendem Schweinefett. In allen Anwesenden regte sich die Lust zum Essen, und flugs eilte man zu Tisch.
Doch keines ließ sich nieder, ehe die Fürstin in der Mitte der Tafel Platz genommen hatte. Diese aber befahl Zbyszko und Danusia, sich nebeneinander zu setzen, und sagte hierauf zu Zbyszko: »Wohl ziemt es sich, daß Ihr aus einer Schüssel mit Danusia speist, doch hütet Euch wohl, damit Ihr nicht auf ihre Füße unter dem Tische tretet, wie dies andere Ritter zu thun pflegen, denn sie ist noch zu jung dazu.«
Darauf erwiderte Zbyszko: »Dies thue ich nicht, es sei denn in zwei oder drei Jahren, wenn diese Knospe erblüht sein wird, und so mir der Herr Jesus gestattet, ihr weiter zu dienen. Abgesehen davon aber, könnte ich ihr ja gar nicht auf die Füße treten, wenn ich auch wollte, denn ihre Füße berühren noch gar nicht den Boden.«
»Das ist wahr!« entgegnete die Fürstin. »Es ist mir indessen lieb, zu sehen, daß Ihr der Sitte Rechnung tragt.«
Bald trat tiefes Schweigen ein, da alle mit Essen beschäftigt waren. Zbyszko schnitt die besten Stücke von den Schweinewürsten und reichte sie Danusia, zuweilen jedoch steckte er sie ihr direkt in den Mund. Das holde Kind aber, glücklich darüber, daß ihr ein so prächtig gekleideter Ritter diente, aß mit vollen Wangen, bald ihm, bald der Fürstin zuwinkend und zulächelnd.
Nachdem die Schüsseln hinweggeräumt worden waren, gossen die Klosterbediensteten den Männern unaufhörlich, den Frauen in angemessenen Zwischenräumen süßen, herrlich duftenden Wein ein. Die Ritterlichkeit Zbyszkos trat aber dann erst so recht zu Tage, als aus dem Kloster Gefäße, ganz mit Nüssen gefüllt, gebracht wurden. Wie ließen sich die Schmausenden die Walnüsse, besonders aber die Haselnüsse schmecken, eine große Seltenheit damals, weil sie aus weiter Ferne geschickt werden mußten. Mehrere Minuten hindurch ließ sich in der Stube nichts hören als das Krachen der zwischen den Kinnladen zermalmten Schalen. Der aber irrte sich, der glaubte, Zbyszko denke nur an sich. Ihm war hauptsächlich darum zu thun, der Fürstin sowohl wie Danusia seine ritterliche Kraft, seine Enthaltsamkeit zu zeigen und sich nicht durch sichtliche Gier nach dem seltenen Leckerbissen in ihren Augen zu erniedrigen. Wohl nahm er von Zeit zu Zeit eine Handvoll Nüsse, teils Haselnüsse, teils Walnüsse, allein er steckte sie nicht zwischen die Zähne, wie es die andern thaten, sondern zerdrückte sie in seinen eisernen Fingern und reichte dann Danusia den aus der Schale herausgenommenen Kern. Doch nicht genug damit, er sorgte auch für ihre Unterhaltung, denn indem er die geschlossene Hand an die Lippen führte, blies er mit seinem kräftigen Atem die Schalen bis zur Decke. Danusia lachte dermaßen, daß die Fürstin aus Furcht, das Mägdlein könne ersticken, dem jungen Ritter Einhalt gebieten mußte. Selbst erfreut aber über das Vergnügen Danusias, fragte sie: »Nun, Danusia, bist Du froh darüber, einen solchen Ritter zu haben?«
»Oh, wie froh!« rief das Jungfräulein. Dann streckte sie ihre rosigen Fingerchen aus, berührte die weißseidene Jacke Zbyszkos, und meinte, indem sie das Händchen rasch wieder zurückzog: »Aber wird er auch morgen noch mein sein?«
»Morgen und am Sonntag, und ewig, bis zum Tode!« entgegnete Zbyszko.
Das Essen zog sich sehr lange hinaus, denn nach den Nüssen wurden süße Kuchen, voll mit Rosinen, aufgetragen. Etliche von dem Hofstaate wollten tanzen, andere wollten die fahrenden Schüler oder Danusia singen hören; allein Danusias Augen fielen schließlich zu, und ihr Köpfchen schwankte hin und her. Ein oder zweimal raffte sie sich wieder empor, blickte mit großen Augen bald auf die Fürstin, bald auf Zbyszko, ein-oder zweimal rieb sie mit den Händchen die Augenlider – dann aber lehnte sie vertrauensvoll