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Ich möchte Unkraut jäten, umgraben, Pflanzen einsetzen und versetzen, Bäume und Sträucher beschneiden.“

      „Warum können Sie denn den Abend nicht so verbringen, wie Sie es möchten?“ Susan versuchte, Anne auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen.

      „Gilbert möchte, daß ich ihn begleite. Er will nach der armen alten Mrs. John Paxton sehen, sie liegt im Sterben. Er hat alles für sie getan, was in seiner Macht stand, aber es ist zu spät. Doch sie will unbedingt, daß er bei ihr vorbeischaut.“

      „Niemand möchte gern alleine sterben“, sagte Susan gedankenvoll. „Es ist ein schöner Abend für eine Ausfahrt. Ich denke, ich werde selber ins Dorf gehen und einkaufen, wenn ich die Zwillinge und Shirley ins Bett gebracht habe. Miss Blythe hat sich nach oben verzogen. Sie seufzt bei jedem Schritt und behauptet, sie bekäme gerade wieder einen ihrer Migräneanfälle. Wenigstens wird dann heute abend mal ein bißchen Ruhe herrschen. “Susan hatte das sehr düster gesagt, aber Anne ging nicht darauf ein.

      „Sieh zu, daß Jem rechtzeitig ins Bett kommt, ja?“ sagte sie noch im Weggehen. „Er ist wirklich übermüdet, aber man kriegt ihn einfach nicht in sein Zimmer. Walter kommt heute gar nicht; Leslie hat mich gebeten, daß er bei ihnen übernachten darf.“

      Jem saß mißmutig auf der Treppe vor dem Haus und warf mit finsteren Blicken um sich, besonders in Richtung Mond, der riesengroß hinter der Kirchturmspitze stand. Er konnte es nicht ausstehen, wenn der Mond so groß war.

      „Paß auf, daß du keinen Krampf kriegst, wenn du so böse dreinblickst“, hatte Tante Mary Maria ihn ermahnt, als sie an ihm vorbei ins Haus gegangen war.

      Jem blickte daraufhin finsterer denn je. Sollte er doch einen Krampf kriegen, um so besser. „Hau ab und lauf mir nicht dauernd hinterher“, fauchte er auch Nan an, die zu ihm herausgeschlichen kam, nachdem die Eltern gegangen waren.

      „Alter Brummbär!“ rief Nan erschrocken. Doch bevor sie davontrottete, legte sie den roten Zuckerlöwen neben ihn auf die Stufe, den sie ihm hatte bringen wollen.

      Jem ignorierte ihn. Noch nie war er so grausam behandelt worden. Alle hackten auf ihm herum. Heute morgen noch hatte Nan zu ihm gesagt: ‚Du bist nicht in Ingleside geboren, so wie wir.‘ Dann hatte Di seinen Schokoladenhasen aufgegessen, obwohl sie ganz genau wußte, daß es seiner war. Sogar Walter hatte ihn im Stich gelassen und war zu Ken und Persis Ford spielen gegangen. Wie gern wäre er mit Bertie zum Tätowieren gegangen! Es gab nichts, was er sich jemals sehnlicher gewünscht hätte als das. So gern hätte er das herrliche Segelschiff auf Captain Bills Kaminsims gesehen, von dem Bertie ihm erzählt hatte. Eine bodenlose Gemeinheit war das, jawohl! Er schlug sich mit der Faust aufs Knie.

      Susan brachte ihm nach einer Weile ein großes Stück Kuchen mit Nußglasur und Nüssen obendrauf, aber Jem sagte eisern „Nein danke“. Warum hatte sie ihm nichts von dem Pfefferkuchen mit Sahne aufgehoben? Womöglich hatten die anderen alles aufgegessen. Ha, diese Halunken! Seine Stimmung verdüsterte sich noch mehr. Jetzt waren die Jungen wohl gerade zum Hafen unterwegs; der Gedanke daran war fast unerträglich. Aber Rache ist süß! Angenommen, er würde Dis Giraffe aufschlitzen, damit sich das ganze Sägemehl auf dem Teppich verteilte? Da würde die alte Susan ganz schön aus dem Häuschen geraten… Oder angenommen, er würde dem Engel, der auf ihrem Kalender abgebildet war, einen Schnauzbart ins Gesicht malen? Dieser fette, schweinchenrosafarbene, grinsende Engel war ihm immer schon ein Dorn im Auge gewesen, weil er genauso aussah wie Sissy Flagg, die in der ganzen Schule herumposaunt hatte, Jem Blythe wäre ihr Verehrer. Ausgerechnet die! Sissy Flagg! Aber Susan fand diesen Engel entzückend.

      Er könnte natürlich auch Nans Puppe skalpieren. Oder Gog und Magog die Schnauze abschlagen. Dann würde seine Mutter schon sehen, daß er kein kleiner Junge mehr war. Oder warte nur bis zum nächsten Frühjahr! Bisher hatte er ihr jedes Jahr einen Strauß Maiblumen gepflückt, aber nächstes Jahr würde sie vergeblich darauf warten. Oder er könnte einen Haufen unreifer Äpfel essen und ordentlich krank werden! Da würden sie es bestimmt mit der Angst zu tun kriegen. Oder Tante Mary Maria eine Raupe in den Nacken setzen… eine große, gestreifte, haarige Raupe! Oder er könnte weglaufen und sich in Captain David Reeses Schiff verstecken und am nächsten Morgen heimlich mit nach Südafrika segeln! Ob es ihnen dann leid tun würde? Angenommen, er käme nie wieder zurück? Wenn er als Jaguarfänger nach Brasilien ginge, ob sie dann in sich gehen würden? Wahrscheinlich nicht. Niemand hatte ihn lieb. Das Loch in seiner Hosentasche – keiner hatte es geflickt. War ja auch egal. Dann würde er eben allen Leuten in Glen das Loch zeigen, damit sie sehen konnten, wie sehr man ihn vernachlässigte. Unrecht über Unrecht brach über ihn herein, als er so überlegte.

      Tick-tack… tick-tack… machte die alte Uhr im Flur, die nach Großvater Blythes Tod nach Ingleside gebracht worden war. Normalerweise gefiel Jem diese Uhr, aber jetzt haßte er sie. Sie schien ihn geradezu auszulachen. Haha, jetzt mußt du gleich ins Bett. Die anderen Jungen dürfen zum Hafen, aber du mußt ins Bett.

      Wieso mußte er jeden Abend ins Bett? Ja, wieso eigentlich?

      Susan blieb neben ihm stehen, bevor sie sich nach Glen aufmachte, und warf ihm einen zärtlichen Blick zu.

      „Du brauchst nicht ins Bett zu gehen, bevor ich zurück bin, Jem“, sagte sie freundlich.

      „Ich geh überhaupt nicht ins Bett heute abend“, rief Jem grimmig. „Ich werde weglaufen, ja genau, das werde ich, du alte Baker-Susan. In den Teich werd ich springen, jawohl, du alte Baker-Susan!“

      Daß man sie alt nannte, konnte Susan nun doch nicht verkraften, auch nicht aus Jems Mund. Wütend und ohne ein weiteres Wort stakste sie davon. Ein bißchen mehr Disziplin konnte ihm wirklich nicht schaden. Krabbe war ihr nach draußen gefolgt, weil er ein bißchen Gesellschaft suchte. Als er sich vor Jem hinsetzte, wurde er für seine Annäherungsversuche aber nur mit einem wilden Blick belohnt. „Hau ab! Was sitzt du da rum und starrst mich an wie Tante Mary Maria! Weg da! So, du willst also nicht! Na warte!“

      Jem packte Shirleys kleinen Blechschubkarren, der praktischerweise in der Nähe lag, und schleuderte ihn nach Krabbe. Dieser floh mit kläglichem Gejaule ins Gebüsch. Sieh einer an! Sogar der Kater haßte ihn! Was hatte das Leben eigentlich noch für einen Sinn?

      Jem hob den Zuckerlöwen auf. Nan hatte den Schwanz und das Hinterteil schon fast aufgegessen, aber man konnte immer noch erkennen, daß es ein Löwe war. Eigentlich konnte Jem ihn ruhig aufessen. Es war wahrscheinlich sowieso der letzte Löwe seines Lebens. Als Jem den Löwen aufgefuttert und sich die Finger abgeschleckt hatte, wußte er, was zu tun war. Es war die einzige Lösung, die in Frage kam, wenn einem alles verboten wurde.

      Kapitel 6

      „Wieso um alles in der Welt brennt überall Licht im Haus?“ wunderte sich Anne, als sie mit Gilbert um elf Uhr abends zurückkam. „Es muß jemand zu Besuch gekommen sein.“

      Aber es war weit und breit kein Besuch zu sehen. Es schien überhaupt niemand im Haus zu sein. In der Küche brannte Licht… im Wohnzimmer… im Eßzimmer… in Susans Zimmer und oben im Flur… aber niemand war zu sehen.

      „Was soll das —“ Anne wurde durch das Klingeln des Telefons unterbrochen.

      Gilbert nahm den Hörer ab, lauschte einen Augenblick und stieß dann einen Schreckensschrei aus. Als nächstes raste er hinaus, an Anne vorbei. Es mußte etwas Furchtbares passiert sein, wenn er noch nicht einmal Zeit Für eine Erklärung fand.

      Aber Anne war das ja schon gewöhnt als Frau eines Arztes, der jederzeit gerufen werden konnte. Mit einem gleichmütigen Schulterzucken legte sie Mantel und Hut ab. Allerdings ärgerte sie sich etwas über Susan; sie hätte doch wirklich die Lichter löschen und die Fenster schließen können, bevor sie ausging.

      „Frau Doktor“, war plötzlich hinter ihr eine Stimme zu vernehmen. Es war Susan, die aber ganz anders klang als sonst.

      Anne starrte sie entgeistert an. Wie sah sie denn aus: ohne Hut, ihr Haar voller Heuhalme, das bunte Kleid völlig verunstaltet. Und ihr Gesicht erst!

      „Susan! Was ist passiert?“ rief Anne.

      „Klein-Jem ist verschwunden.“

      „Verschwunden?“ Anne stand