»Genießt dieser Ritter ein gewisses Ansehen?«
»So viel ich weiß, ist dies der Fall.«
Kaum hatte indessen de Lorche den Namen des Herrn de Bergow vernommen, so erkundigte er sich genau über alles, was vorgegangen war, und erklärte schließlich: »Es ist ein Blutsverwandter des Gebieters über Geldripa, eines großen Wohlthäters des Ordens, und entstammt daher einem Geschlechte, das sich unendliche Verdienste um die Ordensbrüder erworben hat.«
»Ja, ja, so ist es,« ließ sich jetzt der Herr aus Dlugolas vernehmen, indem er den Anwesenden die Worte de Lorches verdolmetschte. »Gar viele Mitglieder der Familie de Bergow haben hohe Würdenstellen in dem Orden bekleidet.«
»Deshalb haben Danveld und de Löwe immer wieder in höchster Erregung dessen Namen genannt!« warf der Fürst ein. »So oft sie auch nur den Mund öffneten, forderten sie die Freilassung de Bergows. Bei Gott im Himmel, sie haben sich des Mädchens nur deshalb bemächtigt, um de Bergows Freilassung zu erwirken.«
»Und sie werden Danusia unverweilt ausliefern!« ergriff nun der Priester das Wort.
»Vor allem müssen wir aber wissen, wo sich das Mägdlein befindet,« sagte der Herr aus Dlugolas. »Denn angenommen, der Meister frägt: ›Wem soll ich befehlen, daß er die Geraubte ausliefere?‹ Was können wir ihm antworten?«
»Wo Danusia ist?« bemerkte Jurand in dumpfem Tone. »Gewiß ist sie über die Grenze gebracht worden, aus Furcht, sie könne befreit werden, wenn sie nicht an der fernen Weichsel oder am Meere in Gefangenschaft weilt.«
»Ich finde sie! Ich befreie sie!« rief nun Zbyszko.
Der Fürst aber, der sich nicht langer bezwingen konnte, brach in wildem Zorne los: »Von meinem Jagdhofe hinweg haben sie sie geraubt! Schimpf haben sie mir angethan, und das verzeihe ich ihnen nicht, so lange ich lebe! Genug der Treulosigkeit, genug der Verräterei! Jeder Wärwolf wäre mir als Nachbar willkommener! Doch der Meister muß die Komture bestrafen, er muß das Mädchen ausliefern und meine Verzeihung durch Gesandte erflehen. Sonst mag er sich vorsehen!«
Und mit der Faust auf den Tisch schlagend, fuhr er fort: »Traun, er sehe sich vor! Mein Bruder aus Plock steht hinter mir, sowie Witold und der mächtige König Jagiello! Genug der Langmut! Weg mit der frommen Geduld, ich habe genug davon!«
Die Beratung stockte, verstummten doch alle bei diesem Zornesausbruch des Fürsten. Anna Danuta aber gewährten diese Worte großen Trost, denn nun wußte sie, wie sehr ihm das Schicksal Danusias am Herzen lag, nun wußte sie, daß Janusz, der ebenso hartnäckig wie geduldig war, nicht eher Ruhe gebe, als bis er sein Ziel erreicht haben werde.
Das herrschende Schweigen wurde schließlich durch die Worte des Paters Wyszoniek unterbrochen.
»Einstens zeichnete sich der Orden durch große Zucht aus,« sagte er, »und kein Komtur wagte auf eigene Hand, ohne Erlaubnis des Kapitels oder des Meisters etwas zu unternehmen. Deshalb verlieh ihnen auch unser Herr und Gott so große Gewalt, daß ihre Macht über weite Länderstrecken reicht. Jetzt aber ist bei ihnen alles ganz anders geworden. Weder Zucht noch Recht kennen sie, weder Ehrbarkeit noch Glaube. Nichts ist ihnen heilig. Voll Tücke und Bosheit, gleichen sie weit eher Wölfen als Menschen. Wie sollten sie auf die Gebote des Meisters oder des Kapitels hören, so sie nicht einmal die göttlichen Gebote achten? Ein jeder von ihnen sitzt gleich einem unabhängigen Fürsten auf seiner Burg, einer unterstützt den andern in seinen schlimmen Thaten. Sobald dem Meister eine Beschwerde vorgebracht wird, wissen sie sich weiß zu waschen. Angenommen nun, der Meister befiehlt ihnen, das Mägdlein auszuliefern, sie aber leisten dem Befehle keine Folge, sondern sprechen also: ›Die Gesuchte befindet sich nicht bei uns, wir haben sie nicht geraubt!‹ Was bleibt uns dann zu thun übrig?«
»Was zu thun ist?« ließ sich der Herr aus Dlugolas vernehmen. »Jurand mag nach Spychow zurückkehren. Wenn sie das Mägdlein des Lösegeldes wegen geraubt haben, oder wenn er für Herrn de Bergow ausgeliefert werden soll, so müssen sie doch jemand davon benachrichtigen, und kein anderer wie Jurand kann dies sein.«
»Die, welche auf den Jagdhof gekommen sind, haben Danusia geraubt!« meinte der Priester.
»Dafür wird sie der Meister vor Gericht fordern oder ihnen befehlen, daß sie sich Jurand zum Kampfe stellen.«
»Mir müssen sie sich stellen!« rief nun Zbyszko, »mir muß dies Recht vor allen andern eingeräumt werden.«
Jurand aber richtete sein Antlitz, das er in die Hände verborgen hatte, empor und fragte: »Wer von den Kreuzrittern ist auf dem Jagdhofe gewesen?«
»Danveld, der alte de Löwe und die beiden Brüder Godfryd und Rotgier,« entgegnete Pater Wyszoniek. »Sie führten Klage und verlangten, der Fürst möge Euch befehlen, de Bergow in Freiheit zu setzen. Der Fürst aber, der von de Fourcy hörte, daß die Deutschen die Angreifer waren, wies sie ab, gestand ihnen kein Recht zur Klage zu.«
»Begebt Euch nach Spychow,« ergriff nun auch Janusz das Wort, »denn dort werden sie ihre Ansprüche geltend machen. Wenn der Knappe des jungen Ritters hier dem de Danveld nicht das Handgelenk verrenkt hätte, wäre dies schon längst geschehen. Begebt Euch nach Spychow, und so sie eine Meldung schicken, laßt es mich wissen. Wohl mögen sie Euch das Mägdlein für de Bergow ausliefern, meiner Rache werden sie jedoch nicht entgehen. Schmach haben sie mir angethan, denn aus meinem Jagdhofe haben sie das Mägdlein hinweggeführt.«
Hier übermannte ihn der Zorn abermals derart, daß er nicht weiter zu reden vermochte. Erst nach Verlauf einiger Minuten setzte er hinzu: »Hei! Sie blasen und blasen so lange ins Feuer, bis sie ihre Schnauzen verbrennen.«
»Sie werden sich weißzuwaschen verstehen!« wiederholte der Priester Wyszoniek.
»Sobald Jurand erklärt, das Mägdlein werde von ihnen festgehalten, können sie sich nicht mehr rechtfertigen!« entgegnete Mikolaj aus Dlugolas etwas ungeduldig. »Ich glaube auch, daß sie über die Grenze entführt worden ist. Jurand hat, wie mich dünkt, recht, wenn er behauptet, sie sei in einer fernen Burg oder am einsamen Meeresgestade zu suchen. Nur muß der Beweis noch geliefert werden, dann wird sich der Meister nicht so leicht hinters Licht führen lassen.«
Mit einer gar seltsamen und geradezu Schrecken erregenden Stimme begann nun Jurand aber und abermals die Namen zu wiederholen: »De Löwe, Danveld, Godfryd und Rotgier!«
Einem entfesselten Orkane gleich machte sich seine wilde Verzweiflung Luft.
Dann jedoch ergriff Mikolaj aus Dlugolas von neuem das Wort. Er erteilte den Rat, man solle sofort umsichtige, gewandte Leute nach Preußen schicken, die könnten in Szeytno und Johannesburg in Erfahrung bringen, ob die Tochter Jurands sich dort befinde, oder, so dies nicht der Fall, wo sie gefangen gehalten werde. Unverweilt verließ nun der Fürst, den elfenbeinernen Stab in der Hand, die Stube, um die nötigen Weisungen zu erteilen, während die Fürstin sich in der Absicht zu Jurand wandte, ihn durch freundlichen Zuspruch aufzurichten.
»Wie ist Euch?« fragte sie.
Gerade als ob Jurand die Frage gar nicht vernommen habe, antwortete er anfänglich kein Wort, dann aber rief er plötzlich: »Die alten Wunden sind aufs neue aufgerissen worden!«
»Vertraut auf die Barmherzigkeit Gottes! Danusia kehrt zu Euch zurück, sobald Ihr de Bergow ausgeliefert habt.«
»Des eigenen Lebens will ich nicht schonen.«
Die Fürstin schwankte, ob sie Jurand nicht jetzt von der Trauung Mitteilung machen solle, allein sie konnte sich doch nicht dazu entschließen. Sollte sie dein ohnehin schon so unglücklichen Vater neuen Kummer bereiten? Nein, das vermochte sie nicht, und zudem hielt sie auch eine gewisse Furcht davon ab. »Gemeinsam mit Zbyszko wird er ja sein geliebtes Kind suchen, möge ihm dieser alles auseinandersetzen,« sagte sie sich. »Jetzt würde der Bedauernswerte vielleicht durch eine solche Kunde vollends darnieder gebeugt werden.« So gab sie denn dem Gespräche eine andere Wendung.
»Ihr werdet uns gewiß nicht verantwortlich machen wollen,« hub sie an. »Die Leute trugen