Der aus der Küche aufsteigende Geruch von Fett und Safran verbreitete sich auch thatsächlich mit einem Male bis zu den um das Feuer Lagernden. Einen Einblick in den hell erleuchteten Flur gewährend, öffnete sich dann plötzlich knirschend das Hauptthor, und ein Mann trat auf die Schwelle, in dem Zbyszko auf den ersten Blick einen der fahrenden Schüler erkannte, die er seiner Zeit in dem fürstlichen Gefolge in Krakau gesehen hatte. Ohne irgendwelche Rücksicht auf Macko aus Turoboje oder auf de Lorche zu nehmen, sprang nun Zbyszko so eilig auf das Thor zu, daß der darüber erstaunte Lothringer fragte: »Was ist denn diesem jungen Ritter zugestoßen?«
»Nichts ist ihm zugestoßen,« erwiderte Macko aus Turoboje. »Er liebt eines der Mägdlein, die zum Hofstaate der Fürstin gehören, und möchte es so rasch wie möglich sehen.«
»Ah!« rief de Lorche aus, indem er beide Hände aufs Herz drückte und, die Augen gen Himmel erhebend, einmal ums andere so tief seufzte, daß sich Macko insgeheim fragte: »Ob er wohl nach seiner alten Geliebten so seufzt, oder ob er wohl nicht völlig bei Verstand sein mag?«
Er geleitete indessen den Lothringer in den Jagdhof und betrat gemeinsam mit ihm die geräumige Halle, die mit Geweihen von Auerochsen, Elentieren und Hirschen geschmückt war und durch die Flamme der dürren, in dem mächtigen Kamine brennenden Holzscheite erhellt ward. In der Mitte der Halle stand ein mit einem groben Tuche bedeckter Tisch, auf dem bereits die zum Essen nötigen Schüsseln prangten. Nur wenige Hofherren waren bis jetzt anwesend. Zbyszko unterhielt sich mit ihnen, und Macko aus Turoboje stellte ihnen den Herrn de Lorche vor. Da sie aber nicht gut deutsch sprechen konnten, mußte jener dem Lothringer nach wie vor Gesellschaft leisten. Allmählich vermehrte sich die Zahl der Hofleute, größtenteils kräftige, blondhaarige Männer von etwas ungeschlachtem Aeußern, aber von hohem Wuchse und mit breiten Schultern. Sie waren schon vollständig zur Jagd ausgerüstet. Die, welche Zbyszko kannte und von dessen Krakauer Erlebnissen wußten, begrüßten ihn wie einen alten Freund mit sichtlichem Wohlwollen. Die andern betrachteten ihn mit der Bewunderung, die man einem Menschen zollt, über dessen Nacken schon das Schwert des Scharfrichters gezückt gewesen war. Immer wieder wurden die Worte laut: »Gewiß, die Fürstin befindet sich hier und Jurands Tochter ist hier; gleich wirst Du das arme Ding zu sehen bekommen. Selbstverständlich gehst Du aber mit uns auf die Jagd.« Inzwischen waren zwei Gäste, Kreuzritter, eingetreten, Bruder Hugo de Danveld, der Starost aus Ortelsburg, oder vielmehr aus Szczytno, dessen Verwandter dereinst die Marschallswürde bekleidet hatte, und Zygfryd de Löwe, der Vogt von Johannesburg, aus einem um den Orden hochverdienten Geschlechte stammend. Ersterer, der trotz seines ziemlich jugendlichen Alters schon sehr feist war, fiel durch die listige Miene seines Gesichtes auf, und machte mit seinen wulstigen feuchten Lippen vollständig den Eindruck eines Schlemmers, letzterer hingegen zeichnete sich durch seine Wohlgestalt und durch seine zwar strengen, aber edlen Züge aus. Zbyszko dünkte es, er habe Danveld schon bei dem Fürsten Witold gesehen, und er glaubte sich zu erinnern, daß jener von Henrik, dem Bischof von Plock, im Turniere vom Pferde geworfen worden sei. Doch gleich darauf wurde er durch den Eintritt des Fürsten Janusz aus seinem Sinnen gerissen, vor welchem sich die Kreuzritter und die Hofherren grüßend neigten und dem sich de Lorche, die Komture und Zbyszko sofort näherten. Er erwiderte die Begrüßung höflich, aber mit einem gewissen Ernste auf seinem bartlosen, schlichten Gesichte, das von auf der Stirne kurz geschnittenen und auf beiden Seiten bis auf die Schultern herabwallenden Haaren umrahmt war. Plötzlich ertönten vor den Fenstern die Hörner zum Zeichen, daß sich der Fürst zu Tisch setze, sie ertönten ein-, zwei-, dreimal, mit der dritten Fanfare öffnete sich die auf der rechten Seite der Halle gelegene große Thüre und auf der Schwelle zeigte sich die Fürstin Anna und mit ihr ein reizendes, goldhaariges Mägdlein, die Laute über der Schulter.
Als Zbyszko es sah, trat er vor, legte die Hände wie bittend am Munde zusammen und sank auf die Knie, das verkörperte Bild der Verehrung, der Bewunderung.
Bei diesem Anblick erhob sich ein Murmeln in der Halle. Das Verhalten Zbyszkos rief bei den Masuren nicht nur Staunen hervor, sondern bei etlichen sogar Aergernis. »Wahrlich,« sagten sich die älteren Leute, »diese Sitte hat er wohl bei fremden Rittern jenseits des Meeres oder wohl gar bei den Heiden kennen gelernt, denn unter den Deutschen hat sie sicherlich nie geherrscht.« Die Jüngeren hingegen dachten bei sich: »Das ist nicht zu verwundern; dem Mägdlein dankt er ja sein Leben.« Im ersten Augenblick erkannten aber weder die Fürstin noch Jurands Tochter den jungen Ritter, der mit dem Rücken gegen das Feuer kniete, so daß sich sein Gesicht vollständig im Schatten befand. Die Fürstin glaubte sogar, irgend einer der Hofherren habe sich ihrem erlauchten Gemahl gegenüber eines Fehlers schuldig gemacht und bitte um ihre Fürsprache, Danusia aber, die schärfere Augen besaß, trat plötzlich, ihr blondes Köpfchen vorbeugend, einen Schritt vor, indem sie mit ihrer zarten Stimme den Ruf ausstieß: »Zbyszko! Zbyszko!«
Und ohne daran zu denken, daß der ganze Hofstaat sowie die ausländischen Gäste Zeugen ihres Gebarens waren, sprang sie gleich einem Rehe auf den jungen Ritter zu, schlang ihre Arme um dessen Hals, schmiegte sich an ihn und küßte ihm, ganz außer sich vor Freude, solange Augen Mund und Wangen, bis die Masuren in ein schallendes Gelächter ausbrachen und die Fürstin sie an ihrem Halskragen wieder zu sich heranzog. Wie aus einem Traum erwachend blickte nun Danusia erschreckt umher. Dann versteckte sie sich hinter der Fürstin und barg ihr errötendes Antlitz in deren faltenreichem Gewande.
Zbyszko umfaßte jetzt die Füße der hohen Frau. Diese jedoch hob ihn sofort empor, begrüßte ihn aufs herzlichste und fragte unverweilt, ob Macko gestorben sei oder noch lebe und ob er, wenn er noch lebe, auch nach Masovien komme. All diese Fragen beantwortete der junge Ritter ganz mechanisch, neigte er sich doch fortwährend von einer Seite zur andern, in dem Bestreben, Danusia zu sehen, die einmal um das andere ihr Köpfchen aus dem Gewande der Fürstin hervorstreckte, um es dann wieder rasch in dessen Falten zu verbergen. Bei diesem Schauspiel hielten sich die Masuren die Seiten vor Lachen, ja, sogar der Fürst konnte sich des Lachens nicht erwehren. Da nun aber die dampfenden Schüsseln aufgetragen wurden, erklärte die frohgelaunte Fürstin zu Zbyszko gewandt: »Du sollst uns dienen, viel lieber Knecht! Doch nicht nur beim Mahle sollst Du uns Deine Dienste weihen, nein, Gott gebe es, fürs ganze Leben.«
»Du aber, kleiner Quälgeist,« rief sie hierauf Danusia zu, »Du kommst jetzt hervor, sonst reißest Du mir noch das ganze Gewand ab.«
Diesem Gebote leistete Danusia sofort Folge. Verschämt und tief errötend trat sie vor, und als sie ihre kindlichen Augen scheu und doch neugierig auf Zbyszko richtete, da erstrahlte sie in so wunderbarer Schönheit, daß nicht nur das Herz des jungen Ritters vor Bewunderung überfloß, sondern daß ihr alle anwesenden Männer insgeheim huldigten. Herr de Lorche streckte vor Staunen beide Arme empor und fragte hastig: »Beim heiligen Jakob aus Compostella, wer ist diese Jungfrau?«
Daraufhin erhob sich der Starost aus Szczytno, der bei seiner Feistigkeit auch noch klein war, auf die Zehen und flüsterte dem Lothringer ins Ohr: »Die Tochter des Teufels!«
Mit den Augen blinzelnd schaute de Lorche auf den Redenden, dann runzelte er die Stirne und sprach näselnd also: »Unwürdig ist es eines Ritters, die Schönheit zu schmähen.«
»Ich trage die goldenen Sporen, und ich bin ein Ordensritter!« entgegnete Hugo de Danveld voll Hochmut.
So groß war die Ehrfurcht vor den gegürteten Rittern, daß