Eine weitere Unterredung wurde durch Arnold von Baden unterbrochen, der, auf sein eigenes Schwert wie auf einen Pfahl gebunden, in einiger Entfernung auf dem Rücken lag und irgend etwas in seiner Muttersprache gerufen hatte. Der alte Macko erhob sich sofort und trat auf den Gefangenen zu, da er indessen unfähig war, dessen Worte zu verstehen, schaute er suchend nach Hlawa umher.
Aber der Böhme konnte nicht sofort kommen, war er doch mit etwas anderem beschäftigt. Währenddem sich die beiden Ritter am Feuer unterredeten, hatte er sich dem Weibe genähert und es mit kräftiger Hand am Genick gepackt.
»Höre, Du Hündin!« sagte er zu ihr, indem er sie wie einen Baum hin und her schüttelte, »Du begiebst Dich sofort in die Hütte und bereitest Deiner Herrin ein Lager aus Fellen. Vor allem aber kleidest Du sie wieder in ihre Gewänder und legst selbst die Lumpen an, welche Ihr der Beklagenswerten aufgezwungen habt. Verflucht seien Eure Mütter!«
Von einer steigenden Erregung fortgerissen, schüttelte er die Frau nun mit solcher Gewalt, daß deren Augen aus den Höhlen traten. Fast hätte er ihr das Genick gebrochen, doch er bezwang sich noch rechtzeitig. Für Danusia war sie jetzt noch nötig, deshalb ließ er sie frei, indem er erklärte: »Zur geeigneten Zeit werden wir den rechten Ast für Dich finden.«
Voll Schrecken umfaßte sie seine Knie, als er sie aber von sich stieß, rannte sie in die Hütte und warf sich Danusia zu Füßen.
»Schütze mich, verlaß mich nicht!« schrie sie auf.
Doch Danusia schloß langsam die Augen, während sich ihren Lippen wieder die kaum hörbaren, klagenden Worte entrangen: »Ich fürchte mich, ich fürchte mich, ich fürchte mich!«
Und wie stets, wenn sich ihr die Ordensdienerin näherte, überfiel sie auch jetzt eine Art von Erstarrung. Willenlos ließ sie sich aus-und ankleiden. Gleich einer Wachsfigur ward sie von der Dienerin auf das Lager gebettet, welche, nicht wagend, die Hütte zu verlassen, am Feuer Platz nahm.
Doch schon nach kurzer Zeit trat Hlawa ein, wandte sich zu Danusia und sagte: »Ihr seid unter Freunden, o Herrin! Deshalb schlaft ruhig im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes!«
Das Zeichen des Kreuzes machend, wandte er sich hierauf, ohne die Stimme zu erheben, damit er Danusia nicht erschrecke, zu dem Weibe.
»In Fesseln geschlagen sollst Du auf der Schwelle der Hütte liegen,« erklärte er. »Rühre Dich aber nicht, versuche nicht, Deine Herrin zu erschrecken, sonst breche ich Dir das Genick. Auf mit Dir, hinaus!«
Nach diesen Worten trieb er das Weib über die Schwelle und knebelte sie, dann erst begab er sich zu Zbyszko.
»Ich erteilte den Befehl, die Herrin mit den Gewändern zu bekleiden, welche jene Schlange sich angeeignet hat,« begann er. »Auch ein Lager ließ ich bereiten, auf dem die Herrin nun ruhig schläft. Ihr thut besser daran, fern zu bleiben, o Herr, damit die Schlafende nicht gestört wird, die Gott nach wohlthätiger Ruhe zu völligem Bewußtsein erwachen lassen möge. Doch denkt nun auch an Euch selbst, o Herr; erquickt Euch mit Speise und Trank und legt Euch dann nieder.«
»Ich lege mich auf die Schwelle der Hütte,« entgegnete Zbyszko.
»Dann bringe ich das verfluchte Weib in die Nähe des Leichnams mit den roten zottigen Haaren. Doch Ihr müßt Euch stärken, o Herr, denn Ihr habt eine lange Fahrt, eine schwere Aufgabe vor Euch.«
Unverweilt eilte er davon, um gleich darauf wieder mit kleinen Säckchen voll geräuchertem Fleisch und gedörrten Rüben zurückzukehren, die man aus dem Lager der Samogitier mit auf die Fahrt genommen hatte. Kaum kam indessen Hlawa damit zu stande, die Vorräte vor Zbyszko auszubreiten, weil ihn Macko unverzüglich zu Arnold schickte.
»Suche sorgsam auszufinden, was dieser Riese will,« gebot der alte Ritter dem Böhmen, »denn obgleich ich etliche deutsche Worte kenne, vermag ich doch nicht zu verstehen, was er sagt.«
»Ich werde ihn hierher an das Feuer bringen, o Herr, dann könnt Ihr durch mich mit ihm reden,« ließ sich nun Hlawa vernehmen.
Und seinen Gurt abnehmend, zog er diesen zwischen den Armen Arnolds hindurch und lud sich daran den Gefesselten auf den Rücken. Wohl schwankte er unter dem Gewichte des gewaltigen Ritters, doch da auch er außergewöhnliche Kraft besaß, trug er seine Last bis an das Feuer, wo er Arnold gleich einem Sack Erbsen neben Zbyszko abwarf.
»Löst mir die Bande!« rief nun der Kreuzritter.
»Das will ich thun,« antwortete Macko durch Vermittlung des Böhmen. »Allein zuerst mußt Du bei Deiner ritterlichen Ehre schwören, Dich als Gefangenen zu betrachten. Doch selbst wenn Du Dich dessen weigerst, sollst Du von dem Schwerte losgebunden, sollen die Bande von Deinen Armen genommen werden, damit Du bei uns zu sitzen vermagst. Die Fesseln an Deinen Füßen lasse ich jedoch nicht lösen, bevor wir zu Ende gesprochen haben.«
Nach diesen Worten gab Macko dem Böhmen ein Zeichen, auf das hin der Knappe sofort den Körper und die Arme des Deutschen von den Stricken befreite und ihm dann half, sich aufzurichten. Voll Hoffart blickte nun Arnold auf Macko und Zbyszko, indem er fragte: »Was seid Ihr für Leute?«
»Das wagst Du zu fragen? Was kümmert das Dich? Suche es selbst zu ergründen.«
»Viel ist mir daran gelegen, denn nur Rittern kann ich einen Eid auf meine ritterliche Ehre ablegen.«
»So schau her!« rief jetzt Macko, indem er den Mantel zurückschlug und auf seinen Rittergürtel wies.
Aufs höchste überrascht, versank der Kreuzritter in Schweigen und hub erst nach einigen Minuten wieder an: »Was soll das heißen? Und doch geht Ihr in den Wäldern auf Raub aus, und doch steht Ihr den Heiden gegen Christen bei!«
»Du lügst!« schrie Macko auf.
In den hochmütigsten, feindseligsten Ausdrücken spann sich das Gespräch weiter, ja, oftmals drohte es in Streit auszuarten. Als jedoch Macko leidenschaftlich beteuerte, der Orden selbst trage die Schuld, daß nicht ganz Litauen sich zum Christentum bekehrt habe, als er zahllose Beweise dafür vorbrachte, da verstummte Arnold abermals vor Staunen, denn die Wahrheit trat sonnenklar zu Tage, nichts ließ sich dagegen einwenden. Ganz besonders betroffen ward der Deutsche durch die Worte Mackos, welcher, das Zeichen des Kreuzes machend, ausrief: »Wer weiß, wem Ihr thatsächlich dient, wenn auch nicht alle, so doch etliche von Euch!« – hegte man doch sogar im Orden selbst den Verdacht, daß gewisse Komture mit dem Satan im Bunde seien. Keine Klage ward zwar gegen diese anhängig gemacht, wäre doch dadurch die Schande auf alle Kreuzritter gefallen, allein Arnold wußte genau, was sich die Brüder zuflüsterten, welches Gerede unter ihnen ging. Der schlicht denkende Deutsche beunruhigte sich mehr und mehr, denn schließlich ließ sich auch Macko rückhaltlos über das seltsame Gebaren Zygfryds aus, von dem ihm durch Sanderus berichtet worden war.
»Und jener Zygfryd, mit welchem Du in den Krieg gezogen bist,« fragte der alte Kämpe, »ist er vielleicht ein Diener Gottes, dient er vielleicht unserm Herrn Jesus? Hast Du nie gehört, wie er mit bösen Geistern spricht, wie er mit ihnen flüstert und zähnefletschend mit ihnen lacht?«
»Das ist wahr!« murmelte Arnold.
Da mit einem Male rief Zbyszko, in dessen Herz Zorn und Kummer wieder die Oberhand gewannen, in heftigem Tone: »Und Du sprichst von ritterlicher Ehre! Schande über Dich, der Du einem Henker, einem Sohn der Hölle Hilfe geleistet hast! Schande über Dich, der Du ruhig mit ansahst, wie man ein schutzloses Weib, die Tochter eines Ritters, gefoltert hat! Schande über Dich, der Du die Bejammernswerte vielleicht selbst gemartert hast! Schmach und Schande über Dich!«
Starr vor Staunen machte Arnold das Zeichen des Kreuzes und sagte: »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! Was soll dies heißen? Sprecht Ihr von jener Besessenen, in deren Kopf siebenundzwanzig Teufel nisten? Ich –«
»Wehe! Wehe!« schrie jetzt Zbyszko mit heiserer Stimme auf, indem er abermals nach dem »Misericordia« griff und drohende Blicke auf Zygfryd warf, der ganz in der Nähe im Dunkeln lag.