»So wahr mir Gott helfe,« ergriff schließlich Macko fröhlich das Wort, »man weiß in der That nicht, ob Du irgend ein feines Herrlein oder eine holde Blume bist. Doch wer ist das hier?« fuhr er fragend fort. »Gewiß irgend ein rechter Taugenichts.«
»Das ist ja die Tochter der Sieciechowa,« antwortete Jagienka. »Gar einsam würde ich mich bei Euch fühlen, wäre ich allein. Wie könnte dies auch anders sein? So nahm ich denn Anielka mit mir, dann ist’s lustig, und ich habe sowohl Gesellschaft wie Hülfe. Sie wird ebensowenig erkannt werden wie ich.«
»Das ist nun wieder eine wahre Lust für Dich, Du Schalk! An einer war es nicht genug, es müssen gleich zwei sein.«
»Verspottet mich nicht!«
»Ich spotte doch nicht! Sobald indessen der Tag anbricht, wird man Dich und sie erkennen.«
»Ach was! Woran denn?«
»Weil Deine Knie sich einwärts biegen und die ihren auch.«
»Ei, laßt mich in Frieden!«
»Vor mir hast Du Ruhe, denn ich bin über dies Alter hinaus. Ob Dich aber Cztan und Wilk in Frieden lassen werden, das weiß Gott allein. Doch rate einmal, Du wilde Hummel, woher ich komme? Nirgends anders her als von dem alten Wilk.«
»Gerechter Gott! Was sagt Ihr?«
»Die Wahrheit, wie es auch die Wahrheit ist, daß der alte und der junge Wilk sich verpflichtet haben, Bogdaniec und Zgorzelic gegen Cztan zu verteidigen. Einen Feind herauszufordern oder mit ihm zu kämpfen, dazu gehört nicht viel, wer aber den Feind zum Wächter des eigenen Besitztums zu bestellen versteht, der kann kein Tölpel sein.« Nun schilderte Macko seinen Besuch bei dem alten und dem jungen Wilk und erzählte ausführlich, wie er allmählich die beiden in ihrer eigenen Schlinge zu fangen gewußt hatte. Voll Spannung lauschte Jagienka der Erzählung, schließlich aber erklärte sie: »Der Herr Jesus hat es bei Euch nicht an Schlauheit fehlen lassen. Zweifellos wird alles so geschehen, wie Ihr es wünscht.«
Da senkte Macko das Haupt, als ob er gar betrübt wäre, indem er sagte: »Hei, Mägdlein, wenn alles so ginge, wie ich wünsche, dann würdest Du längst die Herrin in Bogdaniec sein.«
Jagienka schaute den Sprechenden mit ihren blauen Augen zuerst groß an, dann beugte sie sich auf seine Hand und drückte einen Kuß darauf.
»Was soll das heißen?« fragte der alte Ritter.
»O nichts, nichts … Ich will Euch nur ›Gute Nacht‹ sagen, denn es ist schon spät, und wir müssen uns vor Tagesanbruch auf den Weg machen.«
Nach diesen Worten entfernte sie sich mit Anielka, während sich Macko mit Hlawa in eine Nebenstube begab, wo die beiden, auf Büffelfellen ruhend, bald in tiefen, festen Schlaf fielen.
Drittes Kapitel.
Wenn schon Sieradz, welches die Kreuzritter im Jahre 1331 dem Erdboden gleich machten, nachdem sie ein entsetzliches Blutbad angerichtet und mit Feuer und Schwert daselbst gewütet hatten, unter Kasimir dem Großen wieder neu aufgebaut worden war, zeichnete sich der Platz doch durch nichts Besonderes aus und stand hinter manch anderen Städten des Königreiches weit zurück. Jagienka freilich, deren Leben sich bis jetzt zwischen Zgorzelic und Krzesnia abgespielt hatte, ward von Staunen und Bewunderung ergriffen beim Anblick der Mauern, der Türme, des Rathauses, vor allem aber beim Anblick der Kirchen, denen die aus Holz erbaute Kirche in Krzesnia in nichts ähnelte. Im ersten Momente verlor sie in solchem Maße die sie sonst kennzeichnende Lebhaftigkeit und Entschiedenheit, daß sie nicht laut zu sprechen wagte, sondern Macko nur im Flüstertone über all die Wunder befragte, welche ihre Augen blendeten. Als der alte Ritter sie aber gar noch versicherte, Sieradz lasse sich mit Krakau ebenso wenig vergleichen, wie eine gewöhnliche Flamme mit der Sonne, wollte sie dies nicht glauben, hielt sie es doch für unmöglich, daß es noch eine zweite Stadt von solcher Pracht auf Erden gebe.
In dem Kloster wurden sie von jenem hochbejahrten Prior begrüßt, der sich noch aus seiner Kindheit an das von den Kreuzrittern angerichtete Blutbad erinnerte und von welchem bei einer früheren Gelegenheit Zbyszko empfangen worden war. Macko vernahm voll Kummer und Sorge die Nachrichten über den Abt, der längere Zeit in dem Kloster verweilt hatte. Erst seit vierzehn Tagen, so berichtete der Prior, halte sich jener bei seinem Freunde, dem Bischof von Plock auf. Während seiner Anwesenheit sei er fast fortwährend krank darnieder gelegen. Frühmorgens, sowie tagsüber sei er zwar stets bei vollem Bewußtsein gewesen, gegen Abend hätten sich aber seine Sinne meistens verwirrt. Dann habe er häufig versucht, aufzuspringen, indem er den Befehl erteilte, ihn mit dem Panzer zu bekleiden, da er den Fürsten Jan aus Natibor zum Kampfe fordern wolle. »Die fahrenden Kleriker mußten ihn immer mit Gewalt auf seinem Lager festhalten,« fuhr der Prior fort. »Ja, dies war aber fast ein Ding der Unmöglichkeit und schloß stets eine gewisse Gefahr in sich. Erst in jüngster Zeit ist eine Besserung eingetreten. Wohl hat die Schwäche zugenommen, der Geist ist jedoch klar geblieben, und in voller Klarheit hat der Abt befohlen, ihn nach Plock zu bringen. Wißt, er erklärte mir, er vermöge keinem Menschen so zu vertrauen wie dem Bischof von Plock, deshalb wolle er auch nur von diesem die heiligen Sakramente empfangen und in dessen Hände seinen letzten Willen niederlegen. Mit aller Kraft widersetzten wir uns dieser Reise, denn er war so schwach, daß wir fürchteten, er werde seinen Bestimmungsort nicht lebend erreichen, doch wir konnten nichts ausrichten. Seine Spielleute machten daher einen Wagen für ihn bereit und geleiteten ihn hinweg. Gott gebe, daß er glücklich ans Ziel gelange.«
»Wenn ihn der Tod irgendwo in der Nähe von Sieradz ereilt hätte, wäre Euch doch sicherlich Kunde davon geworden,« warf Macko ein.
»Ja, davon wäre uns Kunde geworden,« antwortete das gute alte Väterchen. »Aus diesem Grunde glaube ich auch nicht, daß er schon diesseits von Leczyca seinen letzten Atemzug gethan hat, was aber jenseits geschehen ist, wie können wir das wissen! So Ihr ihm jedoch nachfolgt, werdet Ihr auf Euerem Wege schon alles in Erfahrung bringen.«
Tief bekümmert über das Gehörte, besprach sich Macko mit Jagienka, die durch den Böhmen schon von der Fahrt des Abtes nach Plock unterrichtet worden war.
»Was ist nun zu thun?« fragte der alte Ritter das Mägdlein, »was gedenkst Du anzufangen?«
»Ihr begebt Euch nach Plock, und ich gehe mit Euch!« entgegnete die Gefragte kurz entschlossen.
»Wir gehen mit Euch nach Plock!« sekundierte die Tochter der Sieciechowa sofort mit ihrem dünnen Stimmchen.
»Schau, schau, wie diese beiden mit ihren Ratschlägen gleich bei der Hand sind! Meiner Treu, als ob man nur so ohne weiteres nach Plock gehen könnte!«
»Vermag ich vielleicht allein mit Anielka den Heimweg anzutreten? Und überdies, wenn Ihr mich nicht weiter mit Euch nehmen wollt, dann wäre ich besser gleich in Zgorzelic geblieben. Glaubt Ihr denn nicht, daß ich jetzt nach meiner Heimkehr noch mehr zu fürchten hätte als früher?«
»Und der alte und der junge Wilk? Sind die vielleicht nicht Mannes genug, um Dich gegen Cztan zu schützen?«
»Ich müßte ja die Verteidiger ebenso fürchten wie die Angreifer! Doch ich merke ganz gut, daß Ihr nur streitet, um zu streiten, und es gar nicht ernst meint.«
Dies war auch wirklich der Fall. Macko wünschte, daß Jagienka mit ihm ziehe, und hätte es nur ungern gesehen, wenn sie nach Zgorzelic zurückgekehrt wäre. Kaum hatte er daher des Mägdleins Antwort vernommen, so lachte er laut auf und sagte: »Sie hat die Weiberröcke ausgezogen, damit