Die Damen und Herren des Hofes waren sämmtlich mit vieler Pracht gekleidet; so daß es scheinen konnte, auf dem Orte, wo sie standen, sei ein mit gestickten Figuren in Gold und Silber ausgeschmückter Weiberrock der Länge nach ausgebreitet. Seine Majestät erwies mir die Ehre, öfter mit mir zu reden, und gab auch Erwiderungen, allein wir konnten einander nicht verstehen. Auch waren mehrere Priester und Rechtsgelehrte gegenwärtig, (auf den Stand schloß ich nach der Kleidung) die den Auftrag hatten, mich anzureden; ich wollte mich mit ihnen in allen Sprachen unterhalten, worin ich mich nur einigermaßen ausdrücken konnte; im Deutschen, Holländischen, Lateinischen, Französischen, Spanischen, Italienischen und in der Lingua franca. Allein meine Bemühung half zu Nichts.
Nach zwei Stunden entfernte sich der Hof. Eine stärkere Wache ward vor mir aufgestellt, um die Impertinenz und wahrscheinlich auch die Bosheit des Pöbels abzuwehren, welcher sehr begierig war, mir so nahe zu kommen, als er durfte. Einige waren sogar so unvorsichtig, ihre Pfeile auf mich abzuschießen, als ich auf dem Boden vor meinem Hause saß, und ein Pfeil hätte beinah sogar mein linkes Auge getroffen. Allein der Oberst befahl sechs der Rädelsführer verhaften zu lassen, und hielt es für die passendste Strafe, sie mir gefesselt zu überliefern; sein Befehl wurde von den Soldaten sogleich ausgeführt, indem sie die Gefangenen mit den Lanzenspitzen in meinen Bereich trieben. Ich nahm sie sämmtlich in meine rechte Hand, steckte fünf in meine Rocktasche, und gab mir das Ansehen, als wollte ich den sechsten lebendig essen. Der arme Mann schrie furchtbar, und der Oberst wurde mit seinen Offizieren doch besorgt, besonders als sie sahen, wie ich mein Messer aus der Tasche zog; allein ich beschwichtigte bald diese Furcht, denn ich schaute ihn mit sanften Blicken an, durchschnitt seine Fesseln, und setzte ihn auf den Boden. Natürlich lief er fort. Die Übrigen behandelte ich in derselben Art, als ich sie Einen nach dem Andern aus der Tasche gezogen hatte, und ich bemerkte, daß sowohl Soldaten als Volk über dies Zeichen meiner Gnade entzückt waren, welches sehr zu meinen Gunsten bei Hofe erzählt wurde.
Gegen Abend gelangte ich mit einiger Schwierigkeit in mein Haus und legte mich dort auf den Boden nieder. Dies mußte ich ungefähr vierzehn Tage lang tun, während welcher Zeit auf Befehl des Kaisers ein Bett für mich zugerichtet wurde. Sechshundert Betten von gewöhnlichem Maß wurden in mein Haus gebracht und dort bearbeitet; hundertundfünfzig Betten, zusammengenäht, bildeten die Länge und Breite einer Matratze; vier davon wurden über einander gelegt, waren mir aber noch immer nicht bequem genug, wegen der Härte des Fußbodens von poliertem Stein. In demselben Verhältnis wurde ich mit Kissen, Betttüchern und Decken versehen, die mir so ziemlich erträglich schienen, da ich so lange an Strapazen jeder Art gewöhnt gewesen war.
Als die Nachricht von meiner Ankunft sich im Königreiche verbreitete, strömte eine wunderbare Menge reicher, fauler und neugieriger Leute herbei, um mich zu sehen. Die Dörfer standen beinahe leer, und eine bedeutende Vernachlässigung der Landwirtschaft hätte die Folge seien müssen, wenn Se. kaiserliche Majestät diese Nachteile durch mehrere Proklamationen und Staatsbefehle nicht verhindert hätte. Sie gebot, alle diejenigen, welche mich bereits gesehen hätten, sollten nach Hause kehren, und sich nicht unterstehen, ohne Erlaubnis des Hofes, in den Bereich meines Hauses bis auf fünfzig Ellen zu kommen. Hierdurch erlangten zugleich die Staatssekretäre bedeutende Honorare.
Mittlerweile hielt der Kaiser häufige Ratsversammlungen, um zu überlegen, wie man mit mir verfahren müsse. Ein besonderer Freund, zugleich ein Mann vom höchsten Stande, der alle Geheimnisse vortrefflich kannte, hat mir nachher die Versicherung gegeben, der Hof sei meinethalben in bedeutender Verlegenheit gewesen. Man fürchtete, ich möchte meine Fesseln zerreißen, oder so viel essen, daß eine Hungersnot die notwendige Folge seien müßte. Einige Male beschloß der Hof, mich verhungern zu lassen, oder Gesicht und Hände mit vergifteten Pfeilen zu beschießen, welche mich bald würden getötet haben; dann aber überlegte man wieder, der Gestank einer so großen Leiche könne eine Pest in der Hauptstadt erregen, die sich dann wahrscheinlich im ganzen Königreiche verbreitet hätte. Während dieser Beratungen traten mehrere Offiziere an die Tür des Saales, wo der Rat versammelt war. Zwei von ihnen wurden zugelassen und berichteten mein Verfahren gegen die sechs vorher erwähnten Verbrecher. Dies machte auf das Herz Sr. Majestät und auf den ganzen Rat einen so günstigen Eindruck, daß ein kaiserlicher Befehl erlassen ward, wonach alle Dörfer bis auf die Entfernung von neunhundert Ellen jeden Morgen sechs Ochsen, vierzig Schafe und andere Nahrung als meinen Lebensunterhalt liefern sollten: darunter befand sich eine verhältnismäßige Masse von Brot, Wein und anderen geistigen Getränken. An Zahlungs Statt gab Se. Majestät Anweisungen auf die Schatzkammer, denn dieser Fürst bestreitet seinen Hofhalt fast ausschließlich aus den Einkünften seiner Domänen. Nur selten und bei außerordentlichen Gelegenheiten werden Abgaben von seinen Unterthanen erhoben, welche dagegen auf ihre eignen Kosten in den Krieg ziehen müssen. Auch wurden sechshundert Personen als meine Bediente angestellt, welche bestimmten Lohn für ihre Nahrung und passend eingerichtete Zelte an den beiden Seiten meiner Tür zur Wohnung erhielten. Ferner ward befohlen, dreihundert Schneider sollten mir einen Anzug nach der Mode des Landes verfertigen; sechs Gelehrte, und zwar die bedeutendsten im Besitz Sr. Majestät, sollten mich in der Landessprache unterrichten; endlich sollten die Pferde des Kaisers, die des Adels und der Garden häufig vor mir zugeritten werden, damit sie sich an meine Person gewöhnten. Alle diese Befehle wurden gehörig zur Ausführung gebracht; nach ungefähr drei Wochen hatte ich bedeutende Fortschritte im Erlernen der Sprache gemacht; während dessen beehrte mich der Kaiser häufig mit seinen Besuchen und hatte die Gnade meinen Lehrern beim Unterricht zu helfen. Wir fingen bereits an, einigermaßen uns zu verständigen, und die ersten Worte, die ich lernte, war der Satz: Er möge mir gütigst meine Freiheit schenken, eine Phrase, die ich täglich kniend wiederholte. Seine Antwort, so viel ich begreifen konnte, lautete: »Nur die Zeit könne meine Freiheit erwirken.« Er dürfe ohne ein Gutachten seines geheimen Rates mir dieselbe nicht erteilen, und zuerst müßte ich Lumos kelmin pesso desmar lon emposo, das heißt, ihm und seinem Königreiche Frieden schwören. Ich würde übrigens mit aller Milde behandelt werden.
Alsdann riet er mir durch Geduld und kluges Betragen seine und seiner Unterthanen Achtung mir zu erwerben. Er sprach den Wunsch aus: Ich möge es ihm nicht übel nehmen, wenn er bestimmten Beamten den Befehl erteile, mich zu durchsuchen; wahrscheinlich würde ich verschiedene Waffen mitgebracht haben, welche notwendig höchst gefährliche Dinge seien müßten, wenn sie meiner Größe entsprächen. Ich antwortete: Seine Majestät werde zufrieden gestellt werden.
Ich sei bereit, mich zu entkleiden, und meine Taschen vor ihren Augen auszuleeren. Diese Antwort gab ich teils durch Zeichen, teils auch durch Worte. Er sagte hierauf: Nach den Gesetzen des Königreiches müsse ich mich von zweien seiner Beamten durchsuchen lassen; er wüßte, dies könne ohne meine Einstimmung und Hilfe nicht geschehen. Alles, was sie mir nähmen, werde mir zurückerstattet werden, sobald ich das Land verließe, oder ich würde nach einem von mir festgesetzten Preise die Zahlung des Wertes erhalten. Die beiden Beamten setzte ich alsdann auf meine Hand, steckte sie zuerst in die Taschen meines Überrocks und hieraus in die übrigen meiner Kleider, nur ließ ich in meinen Beinkleidern einige Behälter aus, welche kleine, mir durchaus notwendige Artikel enthielten, die ihnen jedoch gleichgültig seien mußten. In einer Tasche trug ich eine silberne Uhr, und in der andern einen Beutel mit einigem Gelde. Da diese Herren