Am Rückweg vom Altar war der Lobpreis der drei Jünglinge im Feuerofen zu beten mit Psalm 150 und eine darauf folgende Oration. Dafür hatte Papst Pius XI. am 3. Dezember 1938 einen Ablass von fünf Jahren gewährt, und wenn man dies einen ganzen Monat tat, konnte man sogar einen vollkommenen Ablass gewinnen. Darüber hinaus sah das Messbuch noch eine Reihe sehr schöner Gebete als Vorbereitung und Danksagung der Messe vor, die man nach eigenem Gutdünken auswählen konnte. Als Ministrant erlebte ich noch, dass die Steyler Missionare aus St. Gabriel, die unsere Pfarre betreuten, tatsächlich vor und nach der Messe still hinknieten und diese Gebete andächtig verrichteten. Zerstreuendes Geschwätz vor der Messe in der Sakristei gab es damals keines.
Was lernte man da eigentlich für die Messe?
Wenn ich das jetzt hier niederschreibe, wundere ich mich, dass wir bei diesen Hausstunden nicht mehr Kritik geübt haben. Wir waren doch alle durch die Liturgische Bewegung eines Pius Parsch auf eine Erneuerung der Eucharistiefeier vorbereitet und hatten schon sogenannte Betsingmessen erlebt und mitgestaltet. Das setzte man im Priesterseminar offenbar voraus, und solche Messen wurden in der Seminargemeinschaft am Morgen ja auch immer wieder gefeiert. Notwendig erschien aber, uns nun das starre Gerüst von Vorschriften und Rubriken beizubringen, was uns nicht weiter störte. Wir wollten alle Priester werden und unsere große Sehnsucht war, dazu geweiht zu werden, die heilige Messe feiern zu können. Es war uns klar, dass wir das im Auftrag der Kirche und in Verantwortung ihr gegenüber tun. Ihr also steht es zu, die Ordnung für die Sakramente aufzustellen und zu achten, dass sie würdig und gültig vollzogen werden. Dazu wussten wir uns mit den Priestern der ganzen Welt, so sie dem lateinischen Ritus angehörten, bis ins kleinste Detail verbunden. Der Panzer der liturgischen Vorschriften schützte den Vollzug der Messe vor Eigenwilligkeiten. Die Strenge, mit der die Rubriken vor dem Konzil oft eingeklagt wurden, hat auch die Ehrfurcht vor dem heiligen Geschehen bewusst werden lassen. Dennoch klage ich darüber, dass damals die heilige Messe nur vom Priester her gesehen wurde und die Gültigkeit des sakramentalen Geschehens von äußerer Erfüllung abhängig gemacht wurde. Das hat dazu geführt, dass die Messe vor dem Konzil eine reine Priesterliturgie war, bei der die Gläubigen, so sie da waren, der Messe „anwohnten“ und sie „anhörten“, wie es in den Kirchengeboten wörtlich hieß, aber sich sonst nicht beteiligten.
Das betont sogar noch die Enzyklika Mediator Dei von Pius XII. aus dem Jahr 1947, die sonst erste Anstöße zu einer Liturgieerneuerung gab. Dort heißt es: „Das erhabene Altarssakrament wird mit der Kommunion der göttlichen Speise abgeschlossen. Um jedoch die Vollständigkeit dieses Opfers zu erreichen, ist, wie alle wissen, lediglich erforderlich, dass sich der Priester an der himmlischen Nahrung erquickt, nicht aber, dass auch das Volk – was übrigens höchst wünschenswert ist – zur heiligen Kommunion hinzutritt“ (DH 3854). Betont wird das eucharistische Opfer: „Das heilige Mahl aber gehört zu seiner (= des Opfers) Vervollständigung und zur Teilhabe (am Opfer) durch die Vereinigung mit dem erhabenen Sakrament, und während sie für den Diener, der das Opfer darbringt, ganz und gar notwendig ist, ist sie den Christgläubigen lediglich nachdrücklich zu empfehlen“ (ebd.).
Was wir damals nicht lernten
Das waren etwa die Kreativität, die Messe lebendig, je nach Anlass und Zusammensetzung der Gemeinde zu gestalten. Wir lernten kaum, die Gemeinde anzusprechen und in das heilige Geschehen mit einzubeziehen. Wir bekamen zu wenig Anregung, wie man die Mitfeiernden dem Geheimnis der Messe innerlich näherbringen könnte, sodass sie dem Herrn im heiligen Mahl persönlich begegnen. Dazu hilft kein seelenloses Protokoll. So feierte ich vor dem Konzil täglich die Messe, durchaus andächtig, für die Kirche und für die Gemeinde, oft aber nicht wirklich mit ihr. Was Jesus zu seinem Gedächtnis als Mahl eingesetzt hatte, war wohl anders gedacht.
Das eine Opfer und die vielen Messen
Karl Rahner SJ hatte sich schon 1949 in einem Artikel in der Zeitschrift für katholische Theologie mit dem Problem der vielen „privat“ gefeierten Messen kritisch auseinandergesetzt. Damit löste er eine heftige Diskussion aus. Viele stimmten ihm zu, andere widersprachen ihm. Nach mehreren Artikeln, die seine theologische Position verteidigten, gab er schließlich 1966 zusammen mit P. Angelus Häussling, Benediktiner in Maria Laach, eine Quaestio disputata (Nummer 31) unter dem Titel „Die vielen Messen und das eine Opfer“ heraus. Diese Publikation ist später fast legendär geworden. Als Priester erlebte ich hautnah die von Rahner kritisierte Situation, aber auch die Hinwendung der Gesamtkirche zu seiner Option.
Der willkommene Ausweg durch die Erlaubnis zur Konzelebration
Vor dem Konzil gab es die Konzelebration mehrerer Priester nur bei der Priesterweihe und da in reduzierter Form. Sonst feierte jeder Priester, auch wenn viele an einem Ort waren, allein die Messe. Ihnen die Gelegenheit dazu zu geben, wurde immer schwerer, wenn die Zahl der Priester sehr groß war. Ein Beispiel war der Massenandrang von Priestern beim Jubiläum von Lourdes 1958. Das führte dazu, dass schon an die Vor-Vorbereitungskommission des Konzils (die antepraeparatoria, wie diese Kommission genannt wurde) das Anliegen herangetragen wurde, am Konzil die Erlaubnis zur Konzelebration auszuweiten. Übrigens hat auch Kardinal König dies in der Vorbereitung auf das Konzil angeregt. Am 20. November 1963 wurde dann das zweite Kapitel der Liturgiekonstitution mit großer Mehrheit angenommen (2057 gegen 123 Stimmen), in dem in den Artikeln 57 und 58 dem Ortsbischof die Vollmacht zugesprochen wurde, die Konzelebration in vielen Fällen zu gestatten. Es sollte damit die Einheit des Priestertums zum Ausdruck kommen, die Eucharistie als Sakrament der Einheit sichtbar werden, aber auch ein befremdendes Bild aus den Kirchen und den Mönchsgemeinschaften entfernt werden, wenn viele Priester in verschiedenen Ecken an kleinen Seitenaltären mehr oder weniger gleichzeitig zelebrierten. Freilich verbot das Konzil nicht, einzeln zu zelebrieren, dann „aber nicht zur selben Zeit in derselben Kirche, während einer Konzelebration und nicht am Gründonnerstag“ (SC a. 57, n. 2)
Die vielen Messen in „Ecken der Kirche“
Ich habe das noch jahrelang erlebt. Als ich 1956 Kardinal König als Zeremoniär zugeteilt wurde, feierte ich vor Beginn des gemeinsamen Arbeitstages im Dom von St. Stephan an irgendeinem Seitenaltar allein die Messe. Weil nicht einmal ein Ministrant anwesend war, bat ich einen bekannten Kaplan, der in seiner Pfarre eine starke Ministrantengruppe aufgebaut hatte, mir täglich einen zu schicken, was er auch tat. Auch die Kanoniker von St. Stephan „lasen“ zuerst an einem Seitenaltar die Messe, bevor sie sich zum gemeinsamen Chorgebet versammelten. Und während einer dann die Konventmesse las, wohnten die anderen nur bei, meditierten oder lasen die noch übrigen Teile des Stundengebetes für sich.
Von 1960 bis 1963 wohnte ich während meines Romstudiums im deutschsprachigen Priesterkolleg Anima. Dort waren in Nischen acht Seitenaltäre. Wir waren 24 Priesterstudenten und bildeten Zweierschaften, wo einer zelebrierte, der andere ihm ministrierte, und dann gleich umgekehrt. Ein stolzer Römer namens Salvatore half uns beim Ministrieren. Er stand an einem strategisch günstigen Punkt, sodass er drei, vier Messen zugleich „beobachten“ konnte und die notwendigen lateinischen Antworten in die Kirche rief. Nur zur Gabenbereitung schritt er an den Altar. Da lehrte er uns, wie persönlich Fürbitten sein können. Er sagte gerne: „Faccia una preghiera per mia moglie, per le gambe di