Nach drei Tagen waren wir im atlantischen Ocean. Unser Leben war sehr einförmig, und nur an der wärmeren Luft fühlten wir, dass wir nicht mehr im kalten Norden waren. Das Eis unseres Wasserfasses verschwand und heftige Regenschauer durchnässten uns zuweilen. Es war am Christabende, als mehrere von uns sich vor einem Regenguss in die, zwischen den zwei Masten stehende, und mit einem andern Boote bedeckte Schaluppe versteckten. Da ich der Letzte war, der in dem bereits vollgepfropften Boote eine Zuflucht suchen wollte, so mussten meine Füsse, für die ich keinen Platz mehr fand, ausserhalb desselben bleiben. Ich dachte eben an die Freuden dieses Abends im Vaterlande, verglich im Stillen den Geschmack der Lebkuchen mit dem des harten Zwiebacks, an dem ich noch kurz zuvor die Zähne gewetzt hatte, und bemerkte vor lauter Rührung nicht, wie mir Jemand in der Dunkelheit meine Füsse untersuchte. Plötzlich wurde aber eine wahre Sündfluth von Seewasser unter grässlichen Flüchen über mich ausgeschüttet, so dass ich eiligst die Flucht ergriff und meine Mütze dabei verlor. Der Schieman hatte meine Füsse bemerkt, und mich in diesem unerlaubten Asyle freigebig mit einigen Eimern Seewasser traktirt. Ich war bis aufs Hemd durchnässt und zitterte die noch übrigen zwei Stunden wie ein Rohr.
Anfangs Januar hatten wir die Höhe von Madeira erreicht. Jetzt sah man (denn nach einigen Tagen hatten wir den Passatwind) fliegende Fische in Menge, von welchen bisweilen einige des Nachts auf das Verdeck niederfielen; auch trieb von Zeit zu Zeit eine prächtige rothe Polypenart an uns vorbei, welche die Matrosen Portugiesisches Kriegsschiff nannten. Das herrlichste Wetter begünstigte unsere Fahrt, und ich blieb, wie die meisten von uns, Tag und Nacht auf dem Verdecke, weil die Luft im Raume, obgleich man sie durch Windsäcke verbesserte, warm und übelriechend war. Man brachte die Tage mit Lottospielen zu, und bis in die tiefe Nacht hinein wurde gesungen und erzählt. Der Mond glänzte am wolkenlosen Himmel, und die Sterne schienen mit mehr Glanz zu funkeln. Alles ging seinen geregelten Gang, durch nichts unterbrochen, als durch kleine Strafexecutionen an Matrosen, denen der Schieman einige aufzuzählen hatte.
Bei uns Soldaten war dergleichen noch nicht vorgefallen; denn es gab keine Excesse, weil kein Branntwein zu bekommen war. Eines Tages aber bekamen einige Soldaten aus der Hefe von Hollands Pöbel Streit mit einander; sie packten sich an den Ohren, und balgten sich zwischen den Kanonen auf dem Verdecke. Der Commandant des Schiffes, der diess zufällig mit angesehen hatte, liess das ganze Detachement auf das Verdeck pfeifen. Hierauf mussten die Kampflustigen vortreten, und jeder bekam ein Tau mit der Anweisung, einander tüchtig das Fell zu gerben. Die Versicherung, dass, wenn sie ihre Sache nicht gut machen, der Schieman das Fehlende beifügen würde, wirkte; denn wie zwei erboste Hähne stürzten die Kerls aufeinander los; aber, ungewohnt mit Tauen zu fechten, warfen sie diese weg und bläuten einander mit den Fäusten durch. Das Gelächter wollte kein Ende nehmen, und an diesem Intermezzo hatte besonders unser Detachements-Commandant seine herzlichste Freude.
Ehe wir den Passat erreichten, hatten wir immer Wasser zur Genüge gehabt, und jeder durfte aus dem Wasserfasse nach Belieben trinken. Kaum waren wir aber in der wärmeren Zone, so wurde uns das Wasser in Rationen ausgetheilt. Diese bestanden auf den Tag in einer Flasche für den Mann; sie wurden zusammen in einem Fässchen aufbewahrt, aus welchem man gemeinschaftlich unter Vorsitz des Backmeisters den Durst löschte. Das Söhnchen vertheilte an jeden den Labetrunk im Deckel einer Marmitte und hatte zugleich die Aufsicht, dass keiner naschte. Wie vielen Durst litt ich da! Fleisch, Speck und Käse, was ich alles gerne ass, vertauschte ich gegen Wasser, und häufig bestürmte ich den schwarzen Koch mit Bitten um etwas Wasser, was mir auch der gutherzige Neger, wiewohl unter grässlichen Flüchen und Verwünschungen, häufig gab.
Die Hitze nahm täglich zu. Man zog die schwere Ankerkette, die, seit wir auf dem Ocean waren, im Zwischendeck aufbewahrt worden war, hervor, befestigte den Anker, und erwartete in ein paar Tagen das Land.
Des Meeres herrliches Indigoblau wurde heller und grünlich; es fielen einigemal schwere Regengüsse. Am 18. Januar 1836 sahen wir endlich die Küste von Guyana vor uns liegen, ein langer Streifen dunkler Wälder, der auf dem Wasser sich ausdehnte, und weder Berge noch Hügel bemerken liess.
Allmählig konnte man die Bäume aus der grünen Masse unterscheiden; Wohlgerüche von blühenden Gewächsen wehten uns an; Schmetterlinge kamen aufs Schiff geflogen; Schwärme von rothen Ibisen, hier Flamingos genannt, deren Gefieder vom herrlichsten Scharlachroth ist, zogen über uns hin, und von Zeit zu Zeit tauchte ein grosser Fisch aus den trüben Meereswellen, um frische Luft zu schöpfen.
Wir sahen die nationale Flagge des Postens Oranje uns entgegenwehen, und gegen 2 Uhr kamen wir in die Mündung des Surinamstroms. Jetzt erst sahen wir die für uns neue Welt näher, denn auf der See waren wir wohl 1½ Meilen vom Lande entfernt geblieben, weil bedeutende Sand- und Schlammbänke längs der Küste sich hinziehen. Alles war eben und von ungeheurem Wald bedeckt, dessen Grün sich so frisch und lebhaft ausnahm, dass selbst dasjenige der jungen Blätter der europäischen Bäume jenem an Glanz nachsteht. Zwischen diesen Waldungen lag eine freundliche Plantage, deren Zuckerfelder die Ufer begrenzten. Die weissen Häuser, die Mühlen mit ihren hohen Schornsteinen waren unter Palmen und andern uns fremden Gewächsen versteckt. Der Reichthum der üppigen Tropennatur lag vor uns ausgebreitet; wie schön erschien mir dieses Land! Im Winter hatten wir die traurigen Dünen Hollands verlassen, und jetzt waren wir im Lande des ewigen Sommers. Nie werde ich auch den Augenblick meiner ersten Landung vergessen! – Je weiter wir den Strom aufwärts fuhren, desto belebter wurde die Scene. Schöne, lebhaft gefärbte und von nackten Schwarzen geruderte Barken fuhren über den majestätischen Strom. Man ankerte bei Forteress Neu-Amsterdam, das an der Mündung des Comewyne in den Surinam liegt und die Einfahrt der Schiffe in diese beiden Ströme wehren kann. Auf der andern Seite des Surinam, dem Fort gegenüber, liegt die Redoute Puomerend und an dem Comewyne das Fort Leyden. Der Surinam ist bei Forteress Neu-Amsterdam etwa eine Viertelstunde breit, und beide Ströme sind, so weit das Auge reicht, mit den schönsten Zucker- und Caffepflanzungen eingefasst.
Wegen des gelben Fiebers, das gerade in Paramaribo herrschte, und schon viele Menschen weggerafft hatte, beschloss das Gouvernement, so nöthig man uns auch für den Garnisonsdienst in der Stadt hätte brauchen können, uns so lange in dem gesünderen Forteresse zu lassen, bis die Krankheit aufgehört hatte. Wir wurden demnach gegen 6 Uhr ausgeschifft.
Die ganze Besatzung des Forts war zusammengelaufen, uns zu empfangen. Jeder fand einen Freund, Bekannten oder Landsmann unter dem Haufen, und des Fragens und Staunens war kein Ende. Auch die ganze weibliche Einwohnerschaft des Forts versammelte sich. Schwarze und farbige hässliche Weiber mit langen, schlaffen Brüsten überhäuften uns mit Gunstbezeugungen und bezeugten Lust nach den von uns mitgebrachten Stücken Käse und Zwieback. – Man brachte uns, als es schon dunkel war, durch eine Allee von Tamarinden und Mangos in das Fort, und nach der für uns bestimmten Kaserne, welche ganz das Aussehen eines Pferdestalles hatte. Durch den ganzen Saal liefen etwa vier Fuss über dem Boden Stangen, sogenannte Klabayen, an welche man des Abends die Hängematten befestigte, die den Tag über an denselben aufgerollt waren. Fünfzig Schritte von der Kaserne entfernt war eine Schenke, wo Branntwein, Rum und Wein zu bekommen war. Dahin stürmten nun diejenigen, welche noch Geld hatten, um ihre Ankunft auf übliche Weise zu feiern, oder die sich von Bekannten traktiren liessen.
Der Lärm und der Spectakel in der Schenke waren abscheulich, endigten jedoch mit dem Zapfenstreich, mit welchem sich jeder nach seiner Hängematte zu begeben hatte. Die Besoffenen lagen unter Tischen und Bänken. An Ruhe und Stille war nicht zu denken; denn die ganze Nacht durch dauerten die Zänkereien um die schönen Damen, welche aus allzugrosser Zärtlichkeit Jedem angehören wollten, und deren Sprache keiner verstand, die Lamentationen und Misereres der Besoffenen, und die Flüche derer, welche die Köpfe an die ihnen ungewohnten Klabayen stiessen; dabei peinigte uns eine Unzahl von Mosquittos, welche vorzüglich die Neuankommenden anfallen und eben so lästig durch ihr Gesumme als durch ihre Stiche werden.
Ich sass die Hälfte der Nacht vor der Kaserne und bewunderte die Tausende von Feuerfliegen, welche viel heller sind als die in Europa, und das feuchte Gras durchschwärmen; wären auch nicht die Mosquittos die Ursache unseres Wachens