»Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass diese Information für Ihre Ermittlungen interessant sein könnte. Um was geht es eigentlich? Es wurde jemand ermordet? Doch nicht etwa Herr Paulsen?«
»Nein, nein. Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Der Lebenspartner von Frau Lehmann wurde ermordet.«
»Den kenne ich aber nicht. Was hat das alles zu bedeuten? Was habe ich damit zu tun?«
»Wahrscheinlich nichts. Wir interessieren uns routinehalber für das Umfeld von Frau Lehmann. Und da sie ihren Lebensunterhalt als Partnerin von Herrn Paulsen verdient, haben wir entdeckt, dass alle Partner von Paulsen einen Porsche von Meier fahren. Das fanden wir ein wenig sonderbar.«
Meier lächelte jetzt wieder und ließ seine weißen Zähne kurz aufblitzen. »Herr Paulsen legt viel Wert auf Corporate Identity. Das Auto ist nur ein Teil seiner umfassenden Philosophie. Alle seine Partner sind sich unheimlich ähnlich. Manchmal glaube ich, er klont sie.« Meier lächelte dabei sein schönstes Verkäuferlächeln.
»Gab es schon mal Probleme bei der Ratenzahlung bei einem dieser Partner?«, wollte Siebels wissen.
»Nein. Nie. Herr Paulsen ist ein Garant für die Zuverlässigkeit dieser Kundengruppe.«
»Das macht sich dann sicherlich auch in seiner Provision bemerkbar?«, versuchte Siebels dieses Thema noch einmal aufzugreifen.
»Es ist eine Win-win-Situation«, gab Meier diplomatisch zu, ohne weitere Details preiszugeben.
»Was macht ein Partner eigentlich, wenn er lieber einen Mercedes statt Porsche fahren möchte?«
Meier hob theatralisch seine Hände in die Luft. »Manche Polizisten in Hessen würden vielleicht lieber im BMW als im Opel Streife fahren. Die müssen sich dann entscheiden. Entweder in Hessen bleiben und Opel fahren oder sich nach Bayern versetzen lassen. Ich denke, wegen dem Dienstfahrzeug hat sich noch kein Polizist versetzen lassen. Oder?«
»Interessanter Vergleich«, nickte Siebels. Er hatte genug erfahren und verabschiedete sich von Udo Meier.
Charly tankte pflichtbewusst fünf Liter Super und lenkte den Porsche dann in manierlichem Tempo in Richtung Garage. »Ist der Deal zwischen Paulsen und Meier eigentlich strafrechtlich relevant?«, erkundigte er sich auf der entspannten Rückfahrt.
»Das musst du unseren Staatsanwalt fragen. Aber wenn Jensen spitzkriegt, dass wir die Lehmann in Ruhe träumen lassen und dafür Paulsen auf die Füße treten, dann springt der im Karree. Ich wüsste jedenfalls nicht, gegen welches Gesetz die beiden damit verstoßen.«
»Wenn Nötigung zum Porschefahren nicht strafbar ist, brauchst du dir wegen meiner Spritztour hier auch keine Vorwürfe machen«, schlussfolgerte Charly.
»Herr im Himmel, ich habe nur einen Wunsch, gib mir Till zurück«, flehte Siebels mit gefalteten Händen.
»Amen.« Charly ließ den Porsche in die Garage rollen und grinste breit, als er den Motor abstellte. »Jede Wette, dass Till eine Beule in das gute Stück gefahren hätte.«
»Till hätte das gute Stück überhaupt nicht gefahren. Und wir vergessen unseren kleinen Ausflug und die letzten zwei Stunden am besten. Kapiert? Ich muss jetzt los zu Frau und Kind.«
»Dann kann ich die Dossiers über Paulsens Consultinen gar nicht mehr erstellen«, jammerte Charly.
»Warum nicht?«
»Der Auftrag von dir ist noch keine zwei Stunden alt und demnach mit im Vergessen verschwunden.«
»Hiermit erteile ich dir den Auftrag noch mal«, grinste Siebels und verließ mit der Fraport-Akte aus Müllers Volvo seinen gut gelaunten Kollegen.
5
Donnerstag, 05. Februar 2009
Der behandelnde Arzt hatte den ausgewerteten Drogentest von Sabine Lehmann vor sich liegen. »Geringfügige Spuren von Kokain, sonst keine Auffälligkeiten«, fasste er kurz für Siebels zusammen. »Die Patientin hat sich soweit erholt, wir haben eigentlich keinen Grund mehr, sie noch länger bei uns zu behalten.«
»Dann wird sie sich in der Untersuchungshaft weiter erholen können«, seufzte Siebels.
»Sie macht so einen harmlosen Eindruck und ist immer freundlich zum Personal. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass diese Frau einen Mann erschlagen haben soll.«
»Leider hat sie sich bis jetzt dazu nicht geäußert. Wenn Sie hier raus ist und in der Haftanstalt sitzt, werde ich sie härter anpacken müssen.«
»Lassen Sie sie für heute noch hier. Ich habe ihre Medikation weiter verringert. Falls sie durch die verabreichten Medikamente beeinträchtigt war, sollte sich ihr Zustand diesbezüglich spätestens bis morgen wieder normalisiert haben.«
»Gut«, willigte Siebels ein. »Dann gehe ich mal zu ihr.«
Sabine Lehmann sah tatsächlich gut erholt aus. Die Tage der Ruhe zeigten Wirkung.
»Guten Morgen, Herr Hauptkommissar.«
Siebels hatte ein Diktiergerät in seiner Jackentasche. Unauffällig betätigte er den Aufnahmeknopf. »Guten Morgen, Frau Lehmann. Wie geht es Ihnen?«
»Ich langweile mich.«
»Der Zustand könnte noch ein paar Jahre andauern. Allerdings nicht in so einem komfortablen Zimmer und mit so freundlichem Personal.«
»Wollen Sie mich ins Gefängnis stecken?«
»Spätestens morgen. Es sei denn, Sie haben mir etwas zu erzählen, das mich davon abhält.«
Sabine Lehmann ließ ihren Kopf zurück ins Kissen sinken und starrte stumm mit ausdruckslosen Augen gegen die Zimmerdecke.
»Frau Lehmann. Sprechen Sie mit mir. Erzählen Sie mir, was passiert ist. Zwischen einem kaltblütigen Mord, einem Totschlag im Affekt oder einem Unfall mit Todesfolge liegen viele Jahre Gefängnis. Wenn Sie nicht bald reden, blüht Ihnen die Höchststrafe.«
»Ja«, murmelte Sabine Lehmann. »Die Höchststrafe. Vielleicht habe ich die schon abgesessen. Oder besser gesagt: Abgelebt.«
Siebels betrachtete sich hilflos die reglose Gestalt unter der weißen Bettdecke. Glatte lange Haare umrahmten das traurige Gesicht.
»Trauern Sie um Herrn Müller?«, fragte Siebels behutsam.
»Ich bin eine Massenmörderin.«
»Frau Lehmann, jetzt reden Sie nicht solchen Unsinn.«
»Es ist kein Unsinn. Ich habe nicht nur die Alten getötet. Ich habe auch die Spieler umgebracht.«
»Frau Lehmann, das sind Träume. Herr Müller ist aber tatsächlich tot. Mausetot. Erschlagen in Ihrer Küche.«
»Den Traum von den Spielern kennen Sie ja noch gar nicht. Aber das macht nichts, dann erzähle ich ihn jetzt.«
Die Arena ist bis auf den letzten Platz besetzt. 60.000 Menschen sitzen in dem ovalen Stadion und erfreuen sich an dem Spiel. Es ist das Endspiel. Seit Wochen fieberten die Massen darauf hin.
Als ich eingeritten komme, läuft das Spiel schon seit zwanzig Minuten. Es steht noch 0:0. Ich trage mein weißes Brautkleid und sitze mit erhobenem Haupt auf meinem Rappen. Die Zügel halte ich straff gezogen in der Hand. Das Maschinengewehr habe ich auf meinem Rücken geschultert. Der Rappe tänzelt temperamentvoll durch den Haupteingang der Arena. Überall liegen leere Pappbecher herum. Ich lasse den muskulösen Rappen in den Trab übergehen. Die Geräuschkulisse der jubelnden Massen dringt immer deutlicher an mein Ohr. Ich lenke den Rappen direkt in die Arena. Die Polizisten und Ordnungskräfte winken mich durch. Vor mir liegt der grüne Rasen. Die Spieler sind ganz auf ihr Spiel konzentriert. Die eine Mannschaft trägt rote Trikots, die andere grüne. Mein weißes Brautkleid bildet einen schönen Kontrast zu dem tiefen