Das magische Baumhaus – Im Tal der Dinosaurier
Im Wald
„Hilfe! Ein Monster!“, schrie Anne.
„Aber klar doch“, sagte Philipp, „ein Monster in Pepper Hill, Pennsylvania!“
„Lauf, Philipp!“, rief Anne. Sie rannte die Straße entlang.
Oh Mann! Das hatte man davon, wenn man seine Zeit mit seiner siebenjährigen Schwester verbrachte.
Für Anne gab es nichts Schöneres, als sich ständig etwas Verrücktes vorzustellen. Aber Philipp war schon achteinhalb. Ihm waren Tatsachen lieber.
„Pass auf, Philipp! Das Monster ist hinter dir her! Komm, wir laufen um die Wette!“
„Nein danke!“, antwortete Philipp.
Anne rannte allein in den Wald.
Philipp betrachtete den Himmel. Die Sonne ging schon unter. „Komm schon, Anne. Wir müssen nach Hause.“
Aber Anne war verschwunden. Philipp wartete. Doch Anne kam nicht.
„Anne!“, rief er noch mal.
„Philipp! Philipp! Komm schnell!“
Philipp stöhnte. „Wehe, wenn das jetzt wieder nichts ist!“, knurrte er.
Philipp verließ den Weg und ging mitten in den Wald hinein. Die Bäume leuchteten golden im Licht der untergehenden Sonne.
„Hierher!“, rief Anne.
Da war sie. Sie stand unter einer großen Eiche. „Schau mal!“, sagte sie und deutete auf eine Strickleiter.
Das war die längste Strickleiter, die Philipp je gesehen hatte.
„Nicht zu fassen!“, flüsterte er.
Die Leiter führte bis ganz hoch in die Baumkrone.
Und dort, zwischen den Zweigen, war ein Baumhaus.
„Das ist bestimmt das höchste Baumhaus der Welt!“, meinte Anne.
„Wer das wohl gebaut hat?“, überlegte Philipp. „Ich hab es noch nie zuvor gesehen.“
„Keine Ahnung“, antwortete Anne. „Ich klettere mal hoch.“
„Lieber nicht“, meinte Philipp. „Wir wissen ja nicht, wem es gehört.“
„Nur ganz kurz!“, sagte Anne und schon begann sie zu klettern.
„Anne! Komm zurück!“
Aber Anne kletterte weiter.
Philipp seufzte. „Anne, es ist schon fast dunkel. Wir müssen nach Hause!“
Anne war mittlerweile in dem Baumhaus verschwunden.
„Anne!“ Philipp wartete einen Augenblick und wollte gerade noch einmal rufen, als sie den Kopf aus dem Fenster streckte.
„Bücher!“, rief sie.
„Was?“
„Es ist voller Bücher!“
Oh Mann! Philipp liebte Bücher! Er rückte seine Brille zurecht, ergriff die Strickleiter und begann, flugs nach oben zu klettern.
Das Monster
Philipp krabbelte durch das Loch im Boden des Baumhauses.
Toll! Das Baumhaus war wirklich voller Bücher! Überall Bücher! Ganz alte Bücher mit staubigen Einbänden und neue Bücher mit glänzenden, bunten Einbänden.
„Schau nur, wie weit man von hier aus sehen kann!“, rief Anne und lehnte sich aus dem Fenster.
Philipp sah auch aus dem Fenster. Unter ihnen waren die Wipfel der anderen Bäume. In der Ferne sah er die Bücherei von Pepper Hill, die Grundschule und den Park.
Anne deutete in eine andere Richtung.
„Da ist unser Haus!“, sagte sie.
Tatsächlich. Da stand ihr weißes Holzhaus mit der grünen Veranda. Im Hof des Nachbarhauses sahen sie Henry, den schwarzen Hund des Nachbarn. Winzig klein sah er aus von hier oben.
„Hallo, Henry!“, rief Anne.
„Psst!“, machte Philipp. „Wir dürften bestimmt nicht hier oben sein.“
Er sah sich im Baumhaus um.
„Wem die Bücher wohl gehören?“, fragte er. Ihm fiel auf, dass aus einigen ein Lesezeichen heraussah.
„Das hier find ich gut!“, sagte Anne und hielt ein Buch mit einer Burg und Rittern auf dem Umschlag hoch.
„Hier ist auch eins über Pennsylvania“, sagte Philipp. Er schlug die Seite mit dem Lesezeichen drin auf.
„Hey, hier ist sogar ein Bild von Pepper Hill!“, sagte er überrascht. „Es ist ein Bild von diesem Wald!“
„Schau, hier ist ein Buch für dich!“ Anne hielt ein Buch über Dinosaurier hoch. Ein blaues, seidenes Lesezeichen ragte heraus.
„Zeig mal.“ Philipp setzte seinen Rucksack ab und nahm Anne das Buch aus der Hand.
„Du siehst dir das an und ich das über Burgen und Ritter“, schlug sie vor.
„Besser nicht“, meinte Philipp. „Wir wissen doch gar nicht, wem diese Bücher gehören.“
Aber noch während er das sagte, schlug er das Dinosaurier-Buch bei dem Lesezeichen auf. Er konnte einfach nicht anders. Da war das Bild eines fliegenden Reptils, eines Pteranodons.
Philipp fuhr mit dem Finger die riesigen, fledermausartigen Flügel nach.
„Oh Mann!“, flüsterte er. „Ich wünschte, ich könnte so ein Pteranodon mal in Wirklichkeit sehen.“
Philipp betrachtete das Bild des seltsam aussehenden Wesens, das über den Himmel segelte.
„Ahhh!“, schrie Anne.
„Was ist?“, fragte Philipp erschrocken.
„Ein Monster!“, kreischte Anne und deutete aus dem Fenster.
„Red keinen Unsinn, Anne!“, sagte Philipp.
„Wirklich!“, beharrte Anne.
Philipp sah aus dem Fenster. Draußen segelte ein gigantisches Tier über die Baumwipfel. Es hatte ein seltsames Horn am Hinterkopf, einen dünnen Schnabel und riesige, fledermausartige Flügel. Es war ein echtes, lebendiges Pteranodon! Es segelte über den Himmel, direkt auf das Baumhaus zu. Es sah aus wie ein Segelflugzeug.
Dann kam Wind auf. Die Blätter zitterten.
Der Saurier stieg immer höher in den Himmel. Philipp fiel beinahe aus dem Fenster, weil er versuchte, ihm mit den Blicken zu folgen.
Der Wind wurde stärker und heulte jetzt. Das Baumhaus begann, sich zu drehen.
„Was ist denn hier los?“, fragte Philipp.
„Leg dich hin!“, rief Anne.
Sie zog ihn vom Fenster weg. Das Baumhaus drehte sich immer schneller.
Philipp kniff die Augen zu und klammerte sich an Anne.
Dann war plötzlich alles still. Totenstill.
Philipp öffnete seine Augen wieder. Die Sonne schien durch das Fenster. Anne, sein Rucksack und die Bücher – alles war noch